Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Katharina von Bora Seitdem mehrten sich bei ihm die Anfälle seiner schmerzhaften Leiden, und Unter solchen Verhältnissen wußte Frau Käthe die Freunde heranzuziehen, Es kamen die trüben Jahre des Witwenstandes. Auch Käthe erfuhr Katharina von Bora Seitdem mehrten sich bei ihm die Anfälle seiner schmerzhaften Leiden, und Unter solchen Verhältnissen wußte Frau Käthe die Freunde heranzuziehen, Es kamen die trüben Jahre des Witwenstandes. Auch Käthe erfuhr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231353"/> <fw type="header" place="top"> Katharina von Bora</fw><lb/> <p xml:id="ID_572"> Seitdem mehrten sich bei ihm die Anfälle seiner schmerzhaften Leiden, und<lb/> als ihm 1542 seine geliebte Tochter Magdalena, eben im Begriff sich zu einer<lb/> blühenden, sinnigen Jungfrau zu entfalten, durch den Tod entrissen worden<lb/> war, steigerten sich bei ihm infolge des andauernden Kummers auch die trüben<lb/> Stimmungen und erzeugten zeitweise eine große Reizbarkeit und mürrisches<lb/> Wesen; allerhand Verdruß über die zunehmende Sittenlosigkeit der ans zwei¬<lb/> tausend Köpfe angeschwollnen Wittenberger Studentenschaft, Reibereien mit<lb/> Amtsgenossen, wie sie in dem großen „Professorendorfe" unvermeidlich waren,<lb/> kamen hinzu und erbitterten ihn im Juli 1545 derart, daß er mit seinem<lb/> Sohne Hans Wittenberg verließ, in der Absicht, nicht wieder dahin zurück¬<lb/> zukehren. Denn er schreibt an seine Frau: „Mein Herz ist erkaltet, daß ich<lb/> nicht gern mehr da bin, so wollt ich meinem gnädigen Herrn das große Haus<lb/> wieder schenken und wäre dein bestes, daß du dich gen Zulsdorf setzest, weil<lb/> ich noch lebe und kunnte dir mit dem Solde wohl helfen, das Gullin zu<lb/> bessern, denn ich hoffe, mein gnädiger Herr soll mir den Sold folgen lassen,<lb/> zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden<lb/> dich die vier Elemente zu Wittenberg doch nicht wohl leiden . .</p><lb/> <p xml:id="ID_573"> Unter solchen Verhältnissen wußte Frau Käthe die Freunde heranzuziehen,<lb/> auf den Rat zu Wittenberg, ja selbst auf den Kurfürsten zu Gunsten einer<lb/> Vessernng der Wittenberger Verhältnisse einzuwirken und vor allem ihren<lb/> Luther selbst zu trösten und zu beschwichtigen. Wenn auch in den letzten<lb/> Jahren seines Lebens wenigstens stellenweise der alte frische Mut, der alte<lb/> Humor und die alte Lebensfreude wie helle Sterne durch die dunkle Nacht<lb/> wieder hervorbrachen, so war es nicht zum geringsten Kalbes Verdienst: ihrer<lb/> Sorglichkeit, Pflege, Geduld und Tapferkeit hat es das deutsche Volk vor<lb/> allem zu danken, daß Luther nicht schon 1526 oder 1527, sondern erst nach der<lb/> wirklichen Vollendung seines großen Lebenswerkes gestorben ist. Mit großer<lb/> Sorge und Angst sah sie auch am 23. Januar 1546 ihren geliebten Gemahl<lb/> in die Winterkälte hinausziehn, um unter den über die Erbteilung streitenden<lb/> Mansfelder Grafen Versöhnung zu stiften. Sie gab ihm seine drei Söhne zur<lb/> Gesellschaft und Erheiterung mit, aber die Antworten, die Luther fast von<lb/> jeder Station der Reise auf Kalbes Briefe schrieb, zeigen, daß sie von schlimmen<lb/> Ahnungen gequält war. Sie hatte sich auch nicht geirrt: es gelang Luther<lb/> am 14. Februar, das ersehnte Friedenswerk zu stiften, aber uach Wittenberg<lb/> kehrte nur seine Leiche zurück. Über den Schmerz, den ihr sein Heimgang<lb/> verursachte, haben wir ihre eignen Worte in einem auf Schloß Gnandstcin<lb/> verwahrten Brief an ihre Schwester: „Das Jr ein hertzlich ankleiden mitt<lb/> mir und meinen armen Kindern tragt, glaub ich leichtlich. Denn wer woll<lb/> nicht billich betrübt unnd bekümmert sein, umb einen solchen tewren man, als<lb/> mein lieber Herr gewesen ist, Der nicht allein einer Stadt oder einem einigen<lb/> Land, Sondern der gantzen Welt viel gedienet hatt. Derhalben ich warlich so<lb/> seer betrübt bin, das ich mein großes hertzeleid keinem menschen sagen kan,<lb/> Und weis nicht, wie mir zu sin und zu aueh ist. Ich kann Widder essen<lb/> noch trinken Auch dazu nicht schlaffen. Und wen ich hett ein Fürstenthumb<lb/> und Keyserthumb gehabt, solt mir so leid nimmer mehr geschehen sein so ichs<lb/> verlohren hatt, als nun Unser lieber Herrgott mir, und nicht alleine mir,<lb/> sondern der gantzen Welt, diesen lieben und tewren man genohmen hatt."</p><lb/> <p xml:id="ID_574" next="#ID_575"> Es kamen die trüben Jahre des Witwenstandes. Auch Käthe erfuhr<lb/> seine Bitterkeit im vollsten Maße. Der kursächsische Kanzler Brück, der ihre<lb/> Angelegenheiten ordnen sollte, überhäufte sie in seiner Eingabe an den Kur-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Katharina von Bora
Seitdem mehrten sich bei ihm die Anfälle seiner schmerzhaften Leiden, und
als ihm 1542 seine geliebte Tochter Magdalena, eben im Begriff sich zu einer
blühenden, sinnigen Jungfrau zu entfalten, durch den Tod entrissen worden
war, steigerten sich bei ihm infolge des andauernden Kummers auch die trüben
Stimmungen und erzeugten zeitweise eine große Reizbarkeit und mürrisches
Wesen; allerhand Verdruß über die zunehmende Sittenlosigkeit der ans zwei¬
tausend Köpfe angeschwollnen Wittenberger Studentenschaft, Reibereien mit
Amtsgenossen, wie sie in dem großen „Professorendorfe" unvermeidlich waren,
kamen hinzu und erbitterten ihn im Juli 1545 derart, daß er mit seinem
Sohne Hans Wittenberg verließ, in der Absicht, nicht wieder dahin zurück¬
zukehren. Denn er schreibt an seine Frau: „Mein Herz ist erkaltet, daß ich
nicht gern mehr da bin, so wollt ich meinem gnädigen Herrn das große Haus
wieder schenken und wäre dein bestes, daß du dich gen Zulsdorf setzest, weil
ich noch lebe und kunnte dir mit dem Solde wohl helfen, das Gullin zu
bessern, denn ich hoffe, mein gnädiger Herr soll mir den Sold folgen lassen,
zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden
dich die vier Elemente zu Wittenberg doch nicht wohl leiden . .
Unter solchen Verhältnissen wußte Frau Käthe die Freunde heranzuziehen,
auf den Rat zu Wittenberg, ja selbst auf den Kurfürsten zu Gunsten einer
Vessernng der Wittenberger Verhältnisse einzuwirken und vor allem ihren
Luther selbst zu trösten und zu beschwichtigen. Wenn auch in den letzten
Jahren seines Lebens wenigstens stellenweise der alte frische Mut, der alte
Humor und die alte Lebensfreude wie helle Sterne durch die dunkle Nacht
wieder hervorbrachen, so war es nicht zum geringsten Kalbes Verdienst: ihrer
Sorglichkeit, Pflege, Geduld und Tapferkeit hat es das deutsche Volk vor
allem zu danken, daß Luther nicht schon 1526 oder 1527, sondern erst nach der
wirklichen Vollendung seines großen Lebenswerkes gestorben ist. Mit großer
Sorge und Angst sah sie auch am 23. Januar 1546 ihren geliebten Gemahl
in die Winterkälte hinausziehn, um unter den über die Erbteilung streitenden
Mansfelder Grafen Versöhnung zu stiften. Sie gab ihm seine drei Söhne zur
Gesellschaft und Erheiterung mit, aber die Antworten, die Luther fast von
jeder Station der Reise auf Kalbes Briefe schrieb, zeigen, daß sie von schlimmen
Ahnungen gequält war. Sie hatte sich auch nicht geirrt: es gelang Luther
am 14. Februar, das ersehnte Friedenswerk zu stiften, aber uach Wittenberg
kehrte nur seine Leiche zurück. Über den Schmerz, den ihr sein Heimgang
verursachte, haben wir ihre eignen Worte in einem auf Schloß Gnandstcin
verwahrten Brief an ihre Schwester: „Das Jr ein hertzlich ankleiden mitt
mir und meinen armen Kindern tragt, glaub ich leichtlich. Denn wer woll
nicht billich betrübt unnd bekümmert sein, umb einen solchen tewren man, als
mein lieber Herr gewesen ist, Der nicht allein einer Stadt oder einem einigen
Land, Sondern der gantzen Welt viel gedienet hatt. Derhalben ich warlich so
seer betrübt bin, das ich mein großes hertzeleid keinem menschen sagen kan,
Und weis nicht, wie mir zu sin und zu aueh ist. Ich kann Widder essen
noch trinken Auch dazu nicht schlaffen. Und wen ich hett ein Fürstenthumb
und Keyserthumb gehabt, solt mir so leid nimmer mehr geschehen sein so ichs
verlohren hatt, als nun Unser lieber Herrgott mir, und nicht alleine mir,
sondern der gantzen Welt, diesen lieben und tewren man genohmen hatt."
Es kamen die trüben Jahre des Witwenstandes. Auch Käthe erfuhr
seine Bitterkeit im vollsten Maße. Der kursächsische Kanzler Brück, der ihre
Angelegenheiten ordnen sollte, überhäufte sie in seiner Eingabe an den Kur-
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