Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Katharina von Bora Er wußte das wohl und war entschlossen, sür sein Weib zu arbeiten. Wenns Die buchhändlerischen Honorare, die ihm für seine Schriften geboten Unter solchen Verhältnissen und neben einem solchen Haushalter begann Katharina von Bora Er wußte das wohl und war entschlossen, sür sein Weib zu arbeiten. Wenns Die buchhändlerischen Honorare, die ihm für seine Schriften geboten Unter solchen Verhältnissen und neben einem solchen Haushalter begann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231350"/> <fw type="header" place="top"> Katharina von Bora</fw><lb/> <p xml:id="ID_561" prev="#ID_560"> Er wußte das wohl und war entschlossen, sür sein Weib zu arbeiten. Wenns<lb/> sein mußte mit den Händen ^ wenn er nur nicht in Geldsachen so über¬<lb/> aus unpraktisch und, man kann sagen, bis zur Schwäche uneigennützig ge¬<lb/> wesen wäre!</p><lb/> <p xml:id="ID_562"> Die buchhändlerischen Honorare, die ihm für seine Schriften geboten<lb/> wurden, wies er zurück, weil er mit seinem Worte keinen Wucher treiben wollte,<lb/> ebenso wenig konnte er sich entschließen, für Geld Kolleg zu lesen oder für<lb/> seine geistliche Thätigkeit an der Pfarrkirche in Wittenberg von der Stadt<lb/> Bezahlung anzunehmen. Aber da legte sich sein Kurfürst ins Mittel und be¬<lb/> willigte dem Ehemann einen Jahressold von zweihundert Gulden, der 1536<lb/> auf dreihundert Gulden und um ansehnliche Naturalbezüge vermehrt wurde.<lb/> Das war für jene Zeit eine stattliche Summe, wohl genügend für einen be¬<lb/> häbigen Haushalt, für Eltern und Kinder. Aber Luther in seiner Bescheiden¬<lb/> heit und in dem drückenden Bewußtsein, „er habe leider mehr, denn er im Ge¬<lb/> wissen vertragen könne," begann alsbald sein junges Hauswesen zur öffent¬<lb/> lichen Herberge zu macheu. Vornehme und geringe Reisende, flüchtige Mönche<lb/> und Nonnen, Geistliche und Schulmeister, Professoren der Universität und<lb/> Studenten sättigten sich an seinem Tische und begehrten gar oft noch dazu<lb/> einen Zehrpfennig. Selbst silberne Becher und das Patengeld seiner Kinder<lb/> spendete er den Bettlern. Luther selbst bekennt: „Ich habe eine wunderliche<lb/> Haushaltung, ich verzehre mehr, als ich einnehme. Ich muß jedes Jahr fünf-<lb/> hundert Gulden in die Küche haben, zu geschweige» der Kleider, andrer Zierat<lb/> und Almosens, da doch meine jährliche Besoldung sich nur auf zweihundert<lb/> Gulden beläuft."</p><lb/> <p xml:id="ID_563" next="#ID_564"> Unter solchen Verhältnissen und neben einem solchen Haushalter begann<lb/> Käthe ihre Thätigkeit mit einer Umsicht und Thatkraft, die Bewunderung ver¬<lb/> dient. Nicht die Ansprüche eines Edelfräuleins, sondern die Erinnerungen an<lb/> den väterlichen Gutshof in Lippendorf und an die Klostcrwirtschaft in Nimbschen<lb/> werden in ihr lebendig: sie schaltet und waltet als Schaffnerin über den<lb/> Mägden, sie läßt den Garten in Stand setzen, daß er nicht nur Lilien und<lb/> Rosen, sondern auch Gurken, Melonen, Redliche und Obst hervorbringt, sie<lb/> richtet eine Schweinezucht ein, sie setzt Hechte, Karpfen und Forellen in den<lb/> Teich des Gartens, sie brant selbst das für den Haushalt nötige Bier, sie<lb/> betreibt den Ankauf größerer Felder und Gärten, und was das Mühsamste<lb/> und Verantwortlichste war: zu derselben Zeit, wo sie von ihren kleinen Kindern<lb/> so sehr in Anspruch genommen ist, öffnet sie ihr Haus noch fremden Pensionären,<lb/> oder wie man damals sagte, Kostgängern, denen sie, um etwas für den Haus¬<lb/> halt zu verdienen, samt den mit ihrer Erziehung beauftragten Magistern gegen<lb/> Bezahlung Nahrung und Unterkunft gewährt. Nicht allen diesen Kostgängern<lb/> hat sie es zu Danke gemacht: dem einen erschien sie herrisch, dem andern hab¬<lb/> süchtig. Die solche Urteile aussprachen, waren aber im Haushalte unerfahrne<lb/> Junggesellen. Hatten sie sich wohl klar gemacht, welche Arbeitslast und welche<lb/> Sorgenfülle jeder einzelne Tag für diese Frau heraufführte, „die drei Kinder<lb/> an der Schürze, eins auf dem Arm und eins unter dem Herzen hatte," bei<lb/> der Kurfürstinuen, Herzoginnen und Prinzessinnen, Adel und Kaufleute oft<lb/> Wochen-, ja monatelang die Gastfreundschaft in Anspruch nahmen? Rechnet<lb/> man dazu noch den Ärger mit zahlreichem Gesinde, mit den Bauleuten, die<lb/> beim weitern Ausbau des alten Klosters herangezogen werden mußten, und<lb/> die Verantwortung für ein gewisses Gleichgewicht zwischen Einnahme uno</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
Katharina von Bora
Er wußte das wohl und war entschlossen, sür sein Weib zu arbeiten. Wenns
sein mußte mit den Händen ^ wenn er nur nicht in Geldsachen so über¬
aus unpraktisch und, man kann sagen, bis zur Schwäche uneigennützig ge¬
wesen wäre!
Die buchhändlerischen Honorare, die ihm für seine Schriften geboten
wurden, wies er zurück, weil er mit seinem Worte keinen Wucher treiben wollte,
ebenso wenig konnte er sich entschließen, für Geld Kolleg zu lesen oder für
seine geistliche Thätigkeit an der Pfarrkirche in Wittenberg von der Stadt
Bezahlung anzunehmen. Aber da legte sich sein Kurfürst ins Mittel und be¬
willigte dem Ehemann einen Jahressold von zweihundert Gulden, der 1536
auf dreihundert Gulden und um ansehnliche Naturalbezüge vermehrt wurde.
Das war für jene Zeit eine stattliche Summe, wohl genügend für einen be¬
häbigen Haushalt, für Eltern und Kinder. Aber Luther in seiner Bescheiden¬
heit und in dem drückenden Bewußtsein, „er habe leider mehr, denn er im Ge¬
wissen vertragen könne," begann alsbald sein junges Hauswesen zur öffent¬
lichen Herberge zu macheu. Vornehme und geringe Reisende, flüchtige Mönche
und Nonnen, Geistliche und Schulmeister, Professoren der Universität und
Studenten sättigten sich an seinem Tische und begehrten gar oft noch dazu
einen Zehrpfennig. Selbst silberne Becher und das Patengeld seiner Kinder
spendete er den Bettlern. Luther selbst bekennt: „Ich habe eine wunderliche
Haushaltung, ich verzehre mehr, als ich einnehme. Ich muß jedes Jahr fünf-
hundert Gulden in die Küche haben, zu geschweige» der Kleider, andrer Zierat
und Almosens, da doch meine jährliche Besoldung sich nur auf zweihundert
Gulden beläuft."
Unter solchen Verhältnissen und neben einem solchen Haushalter begann
Käthe ihre Thätigkeit mit einer Umsicht und Thatkraft, die Bewunderung ver¬
dient. Nicht die Ansprüche eines Edelfräuleins, sondern die Erinnerungen an
den väterlichen Gutshof in Lippendorf und an die Klostcrwirtschaft in Nimbschen
werden in ihr lebendig: sie schaltet und waltet als Schaffnerin über den
Mägden, sie läßt den Garten in Stand setzen, daß er nicht nur Lilien und
Rosen, sondern auch Gurken, Melonen, Redliche und Obst hervorbringt, sie
richtet eine Schweinezucht ein, sie setzt Hechte, Karpfen und Forellen in den
Teich des Gartens, sie brant selbst das für den Haushalt nötige Bier, sie
betreibt den Ankauf größerer Felder und Gärten, und was das Mühsamste
und Verantwortlichste war: zu derselben Zeit, wo sie von ihren kleinen Kindern
so sehr in Anspruch genommen ist, öffnet sie ihr Haus noch fremden Pensionären,
oder wie man damals sagte, Kostgängern, denen sie, um etwas für den Haus¬
halt zu verdienen, samt den mit ihrer Erziehung beauftragten Magistern gegen
Bezahlung Nahrung und Unterkunft gewährt. Nicht allen diesen Kostgängern
hat sie es zu Danke gemacht: dem einen erschien sie herrisch, dem andern hab¬
süchtig. Die solche Urteile aussprachen, waren aber im Haushalte unerfahrne
Junggesellen. Hatten sie sich wohl klar gemacht, welche Arbeitslast und welche
Sorgenfülle jeder einzelne Tag für diese Frau heraufführte, „die drei Kinder
an der Schürze, eins auf dem Arm und eins unter dem Herzen hatte," bei
der Kurfürstinuen, Herzoginnen und Prinzessinnen, Adel und Kaufleute oft
Wochen-, ja monatelang die Gastfreundschaft in Anspruch nahmen? Rechnet
man dazu noch den Ärger mit zahlreichem Gesinde, mit den Bauleuten, die
beim weitern Ausbau des alten Klosters herangezogen werden mußten, und
die Verantwortung für ein gewisses Gleichgewicht zwischen Einnahme uno
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