Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Katharina von Bora andre Belästigungen in seiner Vaterfreude stören ließ. Der päpstliche Sekretär Deshalb ist es mir ein unbegreifliches Urteil Koldes, des neusten Luther¬ Ein Politiker hat einmal in den Preußischen Jahrbüchern die Gründe Betrachten wir sie einmal in ihrem Hausstande als Führerin und Leiterin Katharina von Bora andre Belästigungen in seiner Vaterfreude stören ließ. Der päpstliche Sekretär Deshalb ist es mir ein unbegreifliches Urteil Koldes, des neusten Luther¬ Ein Politiker hat einmal in den Preußischen Jahrbüchern die Gründe Betrachten wir sie einmal in ihrem Hausstande als Führerin und Leiterin <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231349"/> <fw type="header" place="top"> Katharina von Bora</fw><lb/> <p xml:id="ID_557" prev="#ID_556"> andre Belästigungen in seiner Vaterfreude stören ließ. Der päpstliche Sekretär<lb/> und Humanist Poggio, der sich ein Jahrhundert vor Luther nach langem<lb/> Konkubinat zur Ehe entschlossen hat, weiß auch in graziösen Briefen von der<lb/> süßen Musik zu schwärmen, die ihm der „Filiolus" durch seine ersten Sprech¬<lb/> versuche bereitet hat; aber Luther geht noch einen Schritt weiter: er rühmt<lb/> sein Hänsichen sogar, weil es verstanden habe, lloxis xoxlitidug solo.8 in<lb/> vorhin ÄNguIuiQ oaoa.ro. Als er sein Töchterchen Elisabeth im Alter von<lb/> acht Monaten wieder verlor, schrieb er an einen Freund: „Sie hat mir ein<lb/> wundersam krankes, fast weibisches Herz zurückgelassen, so jammert mich ihrer;<lb/> nie hätte ich vorher gedacht, daß ein Vaterherz so weich werde gegen die<lb/> Kinder." Was hatte die Ehe, was hatte Käthe aus dem gewaltigen Gottes¬<lb/> streiter für einen wohlthuend menschlichen Mann gemacht, wie führten ihn die<lb/> Erlebnisse mit Weib und Kind immer wieder aus der Sphäre des Forschens<lb/> und Grübelns auf die schöne Erde zurück und lehrten ihn Gottes Liebe da be¬<lb/> wundern, wo sie am tiefsten und größten ist, in den Dingen des täglichen<lb/> Lebens der Familie.</p><lb/> <p xml:id="ID_558"> Deshalb ist es mir ein unbegreifliches Urteil Koldes, des neusten Luther¬<lb/> biographen, wenn er den Abschnitt seines Buchs über Luthers Ehestand mit<lb/> den kühlen Worten schließt: „Aber nur äußerlich machte die Ehe einen Ein¬<lb/> schnitt in seinem Leben. Man kann nicht sagen, daß sie auf feine Entwicklung<lb/> von besonderm Einfluß gewesen wäre. Dafür war er nicht mehr jung genug."<lb/> Ich glaube das Gegenteil beweisen zu können: Luthers Ehe mit Katharina von<lb/> Bora gehört zu deu wichtigsten Triebkräften seiner innern Entwicklung: er hat<lb/> dadurch nicht nur, wie wir oben sahen, die Natur des Weibes entdeckt, sondern<lb/> auch vom Wesen und Wert des Kindes eine tiefere und richtigere Vorstellung<lb/> erhalten; hier liegt die Wurzel seiner gesunden Pädagogik, die er im Verein<lb/> mit Käthe im Hause übte, hier liegt aber auch ein starker Antrieb dazu, den<lb/> Kleinen Katechismus zu schreiben und die Schulvisitationen einzurichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> Ein Politiker hat einmal in den Preußischen Jahrbüchern die Gründe<lb/> untersucht, auf denen die wirtschaftliche und die geistige Überlegenheit der pro¬<lb/> testantischen Landschaften Deutschlands über die katholischen beruht, und hat<lb/> dabei hervorgehoben, daß die durch das Studium und den gehobnen Lebensberuf<lb/> der Geistlichen erzielte geistige und sittliche Kraft bei den Katholiken durch die<lb/> Ehelosigkeit der Geistlichen immer wieder erlischt, während sie sich in den<lb/> evangelischen Pfarrhäusern durch Vererbung auf die Kinder verdoppelt und<lb/> verdreifacht; dazu kommt die Einwirkung der Pfarrhäuser auch auf Ferner¬<lb/> stehende, auf ganze Gemeinden als Vorbild guter Sitte, geläuterten Geschmacks,<lb/> einsichtsvoller Wirtschaftlichkeit, edler Gastlichkeit. So' ist vom evangelischen<lb/> Pfarrhause eine Fülle des Segens für die ganze protestantische Welt aus¬<lb/> gegangen, und einen Teil dieses Segens hat auch Luthers Käthe mit begründen<lb/> helfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_560" next="#ID_561"> Betrachten wir sie einmal in ihrem Hausstande als Führerin und Leiterin<lb/> der Wirtschaft. Als Luther seine Käthe heiratete, bewohnte er mit seinem<lb/> Diener das verödete Augustinerkloster zu Wittenberg. Nach der Hochzeit wurde<lb/> es ihm samt dem verwilderten Klostergarten vom Kurfürsten geschenkt, aber<lb/> es war nur teilweise ausgebaut und erheischte große Erhaltungskosten. Ordent¬<lb/> liches Mobiliar besaß weder er noch seine Frau, noch viel weniger war ein<lb/> Schatz von Wäsche, der Stolz der deutschen Hausfrau, vorhanden. Katharina<lb/> sah sich also, da sie in Luthers Häuslichkeit eintrat, dem Nichts gegenüber.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Katharina von Bora
andre Belästigungen in seiner Vaterfreude stören ließ. Der päpstliche Sekretär
und Humanist Poggio, der sich ein Jahrhundert vor Luther nach langem
Konkubinat zur Ehe entschlossen hat, weiß auch in graziösen Briefen von der
süßen Musik zu schwärmen, die ihm der „Filiolus" durch seine ersten Sprech¬
versuche bereitet hat; aber Luther geht noch einen Schritt weiter: er rühmt
sein Hänsichen sogar, weil es verstanden habe, lloxis xoxlitidug solo.8 in
vorhin ÄNguIuiQ oaoa.ro. Als er sein Töchterchen Elisabeth im Alter von
acht Monaten wieder verlor, schrieb er an einen Freund: „Sie hat mir ein
wundersam krankes, fast weibisches Herz zurückgelassen, so jammert mich ihrer;
nie hätte ich vorher gedacht, daß ein Vaterherz so weich werde gegen die
Kinder." Was hatte die Ehe, was hatte Käthe aus dem gewaltigen Gottes¬
streiter für einen wohlthuend menschlichen Mann gemacht, wie führten ihn die
Erlebnisse mit Weib und Kind immer wieder aus der Sphäre des Forschens
und Grübelns auf die schöne Erde zurück und lehrten ihn Gottes Liebe da be¬
wundern, wo sie am tiefsten und größten ist, in den Dingen des täglichen
Lebens der Familie.
Deshalb ist es mir ein unbegreifliches Urteil Koldes, des neusten Luther¬
biographen, wenn er den Abschnitt seines Buchs über Luthers Ehestand mit
den kühlen Worten schließt: „Aber nur äußerlich machte die Ehe einen Ein¬
schnitt in seinem Leben. Man kann nicht sagen, daß sie auf feine Entwicklung
von besonderm Einfluß gewesen wäre. Dafür war er nicht mehr jung genug."
Ich glaube das Gegenteil beweisen zu können: Luthers Ehe mit Katharina von
Bora gehört zu deu wichtigsten Triebkräften seiner innern Entwicklung: er hat
dadurch nicht nur, wie wir oben sahen, die Natur des Weibes entdeckt, sondern
auch vom Wesen und Wert des Kindes eine tiefere und richtigere Vorstellung
erhalten; hier liegt die Wurzel seiner gesunden Pädagogik, die er im Verein
mit Käthe im Hause übte, hier liegt aber auch ein starker Antrieb dazu, den
Kleinen Katechismus zu schreiben und die Schulvisitationen einzurichten.
Ein Politiker hat einmal in den Preußischen Jahrbüchern die Gründe
untersucht, auf denen die wirtschaftliche und die geistige Überlegenheit der pro¬
testantischen Landschaften Deutschlands über die katholischen beruht, und hat
dabei hervorgehoben, daß die durch das Studium und den gehobnen Lebensberuf
der Geistlichen erzielte geistige und sittliche Kraft bei den Katholiken durch die
Ehelosigkeit der Geistlichen immer wieder erlischt, während sie sich in den
evangelischen Pfarrhäusern durch Vererbung auf die Kinder verdoppelt und
verdreifacht; dazu kommt die Einwirkung der Pfarrhäuser auch auf Ferner¬
stehende, auf ganze Gemeinden als Vorbild guter Sitte, geläuterten Geschmacks,
einsichtsvoller Wirtschaftlichkeit, edler Gastlichkeit. So' ist vom evangelischen
Pfarrhause eine Fülle des Segens für die ganze protestantische Welt aus¬
gegangen, und einen Teil dieses Segens hat auch Luthers Käthe mit begründen
helfen.
Betrachten wir sie einmal in ihrem Hausstande als Führerin und Leiterin
der Wirtschaft. Als Luther seine Käthe heiratete, bewohnte er mit seinem
Diener das verödete Augustinerkloster zu Wittenberg. Nach der Hochzeit wurde
es ihm samt dem verwilderten Klostergarten vom Kurfürsten geschenkt, aber
es war nur teilweise ausgebaut und erheischte große Erhaltungskosten. Ordent¬
liches Mobiliar besaß weder er noch seine Frau, noch viel weniger war ein
Schatz von Wäsche, der Stolz der deutschen Hausfrau, vorhanden. Katharina
sah sich also, da sie in Luthers Häuslichkeit eintrat, dem Nichts gegenüber.
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