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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

eines neuen Titels gewinnen würden; aber man würde damit zugleich die Hand
der Zerstörung legen an das Institut der akademischen Promotion, Begriff und
Wesen des Doktorats würden sich verflüchtigen; es würde das Doktordiplom bald
nichts andres mehr sein als jedes andre Zeugnis über eine bestcmdne Prüfung,
und es würde der akademischen Promotion damit auch die Kraft genommen werden,
die sie jetzt noch auf das korporative Leben der Universitäten ausübt als haupt¬
sächlichste Trägerin der historischen Erinnerungen der Universitäten, die jetzt noch
aus jedem dieser Akte zurückströme auf das korporative Leben der Universität, wenn
wir uns dessen auch mir bei gewissen besonders feierlichen Fällen bewußt werden.

Und dieser Prozeß der Zerstörung würde sich rasch vollziehn. Den Technischen
Hochschulen würden bald andre Anstalten mit denselben Ansprüchen nachfolgen, wie
die Forstakademien, Bergakademien, Landwirtschaftlichen Hochschulen, Handelsakademien,
Kriegsakademien, Tierärztlichen Hochschulen, denen allen ein Recht nicht versagt
werden könnte, das den Technischen Hochschulen verliehen Wäre. Dann aber würde
es auch uicht mehr gelingen, den zerstörenden Einfluß der wilden, namentlich über¬
seeischen Doktorfabriken auf die Bedeutung der akademischen Grade so einzudämmen,
wie es bisher geglückt ist.

Die Verleihung des Doktorgrades, im besondern die wissenschaftlichen Forde¬
rungen, die dabei gestellt werden, haben ebenso wie die damit verbundnen Rechte
und Privilegien mancherlei Wandlungen durchgemacht, und die Geschichte erzählt
von vielfältigem und grobem Mißbrauch, der mit der Verleihung des Rechts ge¬
trieben worden ist. Aber immer wieder haben die Universitäten die Kraft gefunden,
dem Mißbrauch zu steuern, und gerade in unsern Tagen darf man rühmen, daß
das mit Erfolg geschehn ist. Um so weniger darf etwas geschehn, was die ehr¬
würdige Einrichtung zu zerstören, die Promotion in eine gewöhnliche Prüfung zu
verwandeln droht, die vou beliebigen Behörden und in beliebigen Formen vor¬
genommen werden kann.

Es ergiebt sich somit, daß die Technischen Hochschulen nicht erhalten, was sie
zu erhalten glauben, wenn man ihnen das Recht gewährt, die akademische Promotion
zu vollzieh"; daß man aber durch die Verleihung dieses Rechts an andre Anstalten
das Institut der Doktorpromotion und damit die Universitäten in ihrem Wesen
schädigt; der berechtigte Wunsch der Technischen Hochschulen nach einem Titel, der
den glücklichen Abschluß der Studien bezeichnet, ist also in geeigneter Weise nur
durch einen neuen Titel zu erfüllen, der aus dem lebendigen Getriebe dieser
modernen Anstalten geschöpft wird, nicht durch eine Entlehnung der ihrem Studien¬
betrieb, ihrer Verfassung und ihrer Geschichte uicht entsprechende" Doktorpromotion.

Diese Erkenntnis fehlt auch in den Kreisen der Technischen Hochschulen selbst
nicht, wie sich denn die Münchner Technische Hochschule, eine der berühmtesten
unter ihnen, von der Agitation für die Erwerbung des Ms äovtoranäi fern ge¬
halten hat.


G. Kaufmann


Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

eines neuen Titels gewinnen würden; aber man würde damit zugleich die Hand
der Zerstörung legen an das Institut der akademischen Promotion, Begriff und
Wesen des Doktorats würden sich verflüchtigen; es würde das Doktordiplom bald
nichts andres mehr sein als jedes andre Zeugnis über eine bestcmdne Prüfung,
und es würde der akademischen Promotion damit auch die Kraft genommen werden,
die sie jetzt noch auf das korporative Leben der Universitäten ausübt als haupt¬
sächlichste Trägerin der historischen Erinnerungen der Universitäten, die jetzt noch
aus jedem dieser Akte zurückströme auf das korporative Leben der Universität, wenn
wir uns dessen auch mir bei gewissen besonders feierlichen Fällen bewußt werden.

Und dieser Prozeß der Zerstörung würde sich rasch vollziehn. Den Technischen
Hochschulen würden bald andre Anstalten mit denselben Ansprüchen nachfolgen, wie
die Forstakademien, Bergakademien, Landwirtschaftlichen Hochschulen, Handelsakademien,
Kriegsakademien, Tierärztlichen Hochschulen, denen allen ein Recht nicht versagt
werden könnte, das den Technischen Hochschulen verliehen Wäre. Dann aber würde
es auch uicht mehr gelingen, den zerstörenden Einfluß der wilden, namentlich über¬
seeischen Doktorfabriken auf die Bedeutung der akademischen Grade so einzudämmen,
wie es bisher geglückt ist.

Die Verleihung des Doktorgrades, im besondern die wissenschaftlichen Forde¬
rungen, die dabei gestellt werden, haben ebenso wie die damit verbundnen Rechte
und Privilegien mancherlei Wandlungen durchgemacht, und die Geschichte erzählt
von vielfältigem und grobem Mißbrauch, der mit der Verleihung des Rechts ge¬
trieben worden ist. Aber immer wieder haben die Universitäten die Kraft gefunden,
dem Mißbrauch zu steuern, und gerade in unsern Tagen darf man rühmen, daß
das mit Erfolg geschehn ist. Um so weniger darf etwas geschehn, was die ehr¬
würdige Einrichtung zu zerstören, die Promotion in eine gewöhnliche Prüfung zu
verwandeln droht, die vou beliebigen Behörden und in beliebigen Formen vor¬
genommen werden kann.

Es ergiebt sich somit, daß die Technischen Hochschulen nicht erhalten, was sie
zu erhalten glauben, wenn man ihnen das Recht gewährt, die akademische Promotion
zu vollzieh»; daß man aber durch die Verleihung dieses Rechts an andre Anstalten
das Institut der Doktorpromotion und damit die Universitäten in ihrem Wesen
schädigt; der berechtigte Wunsch der Technischen Hochschulen nach einem Titel, der
den glücklichen Abschluß der Studien bezeichnet, ist also in geeigneter Weise nur
durch einen neuen Titel zu erfüllen, der aus dem lebendigen Getriebe dieser
modernen Anstalten geschöpft wird, nicht durch eine Entlehnung der ihrem Studien¬
betrieb, ihrer Verfassung und ihrer Geschichte uicht entsprechende» Doktorpromotion.

Diese Erkenntnis fehlt auch in den Kreisen der Technischen Hochschulen selbst
nicht, wie sich denn die Münchner Technische Hochschule, eine der berühmtesten
unter ihnen, von der Agitation für die Erwerbung des Ms äovtoranäi fern ge¬
halten hat.


G. Kaufmann


Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig 
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[0152] Maßgebliches und Unmaßgebliches eines neuen Titels gewinnen würden; aber man würde damit zugleich die Hand der Zerstörung legen an das Institut der akademischen Promotion, Begriff und Wesen des Doktorats würden sich verflüchtigen; es würde das Doktordiplom bald nichts andres mehr sein als jedes andre Zeugnis über eine bestcmdne Prüfung, und es würde der akademischen Promotion damit auch die Kraft genommen werden, die sie jetzt noch auf das korporative Leben der Universitäten ausübt als haupt¬ sächlichste Trägerin der historischen Erinnerungen der Universitäten, die jetzt noch aus jedem dieser Akte zurückströme auf das korporative Leben der Universität, wenn wir uns dessen auch mir bei gewissen besonders feierlichen Fällen bewußt werden. Und dieser Prozeß der Zerstörung würde sich rasch vollziehn. Den Technischen Hochschulen würden bald andre Anstalten mit denselben Ansprüchen nachfolgen, wie die Forstakademien, Bergakademien, Landwirtschaftlichen Hochschulen, Handelsakademien, Kriegsakademien, Tierärztlichen Hochschulen, denen allen ein Recht nicht versagt werden könnte, das den Technischen Hochschulen verliehen Wäre. Dann aber würde es auch uicht mehr gelingen, den zerstörenden Einfluß der wilden, namentlich über¬ seeischen Doktorfabriken auf die Bedeutung der akademischen Grade so einzudämmen, wie es bisher geglückt ist. Die Verleihung des Doktorgrades, im besondern die wissenschaftlichen Forde¬ rungen, die dabei gestellt werden, haben ebenso wie die damit verbundnen Rechte und Privilegien mancherlei Wandlungen durchgemacht, und die Geschichte erzählt von vielfältigem und grobem Mißbrauch, der mit der Verleihung des Rechts ge¬ trieben worden ist. Aber immer wieder haben die Universitäten die Kraft gefunden, dem Mißbrauch zu steuern, und gerade in unsern Tagen darf man rühmen, daß das mit Erfolg geschehn ist. Um so weniger darf etwas geschehn, was die ehr¬ würdige Einrichtung zu zerstören, die Promotion in eine gewöhnliche Prüfung zu verwandeln droht, die vou beliebigen Behörden und in beliebigen Formen vor¬ genommen werden kann. Es ergiebt sich somit, daß die Technischen Hochschulen nicht erhalten, was sie zu erhalten glauben, wenn man ihnen das Recht gewährt, die akademische Promotion zu vollzieh»; daß man aber durch die Verleihung dieses Rechts an andre Anstalten das Institut der Doktorpromotion und damit die Universitäten in ihrem Wesen schädigt; der berechtigte Wunsch der Technischen Hochschulen nach einem Titel, der den glücklichen Abschluß der Studien bezeichnet, ist also in geeigneter Weise nur durch einen neuen Titel zu erfüllen, der aus dem lebendigen Getriebe dieser modernen Anstalten geschöpft wird, nicht durch eine Entlehnung der ihrem Studien¬ betrieb, ihrer Verfassung und ihrer Geschichte uicht entsprechende» Doktorpromotion. Diese Erkenntnis fehlt auch in den Kreisen der Technischen Hochschulen selbst nicht, wie sich denn die Münchner Technische Hochschule, eine der berühmtesten unter ihnen, von der Agitation für die Erwerbung des Ms äovtoranäi fern ge¬ halten hat. G. Kaufmann Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/152>, abgerufen am 15.01.2025.