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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die Lrfolge der palästinafahrt unsers Uaisers

erteilt, ein unterseeisches Telegraphenkabel von Konstantinopel nach Constanza,
dem rumänischen Hafenplatze, zu legen und zu verwerten. Die Anlage dieses
Kabels ist nötig, damit der Vertrag des Deutschen Reichs mit Rumänien ver¬
wirklicht werden kann -- der der Kammer zu Bukarest am 7. März vorlag und
fast einstimmig genehmigt wurde --, behufs unmittelbarer Eisenbahn-, Post-
und Telegraphenverbindung zwischen Berlin und Konstantinopel.

Außerdem glauben wir auch die Fortsetzung des Bahnbaus von Kaisarieh
oder von Koma nach Diarbekir und dem untern Tigris und dem Persischen
Meerbusen zu den Früchten unsrer Freundschaft mit der Türkei zählen zu
müssen. Im Zusammenhange mit diesem Weiterbau steht wohl auch der Um¬
stand, daß das Konsulat zu Bagdad seit kurzem in ein Berufskousulat um¬
gewandelt worden ist. Interessant ist jedenfalls auch die Mitteilung, die die
Zeitungen im Januar aus London brachten, daß es in englischen Finanzkreisen
als ausgemacht gelte, daß englische Unternehmer in der Türkei keine Kon¬
zessionen mehr erhalten. Dem Sultan sei die Beteiligung englischer Kapita¬
listen an wirtschaftlichen Unternehmungen nur dann genehm, wenn ein Deutscher
die Leitung hätte. Infolgedessen haben sich in der letzten Zeit in London
unter deutscher Leitung deutsche und englische Geldmänner zusammengethan,
die den Ban von Eisenbahnen, Pferdebahnen, Gas-, Elektrizitcits- und Wasser-
leitungsanlagen in der Türkei und besonders in Kleinasien beabsichtigen. Als
erfreuliche Thatsache dürfte auch dies angesehen werden, daß die Londoner
Finanzkreise den deutschen Unternehmern so viel Vertrauen entgegenbringen,
daß noch weitere Gruppen für ähnliche Zwecke in der Bildung begriffen sind.
Rühmlich hervorgehoben muß auch dies werden, daß es für die unter deutscher
Führung stehenden Handelsgruppen als Grundbedingung gilt, daß die Hälfte
aller für die betreffende Unternehmung nötigen Materialien aus Deutschland
bezogen werden muß.

Auch die deutsche Kaufmannschaft in der Heimat hat dnrch die Kaiserreise
neue Anregung empfangen und ist infolge dessen rüstig an der Arbeit. So
sandten die in Berlin vereinigten Handelskammern schon im November einen
Vertreter nach Konstantinopel, um dort eine deutsche Handelskammer zu stände
zu bringen. Ebenso hat der Aufsichtsrat der Deutschen Levantelinie, der in
Hamburg seinen Sitz hat, beschlossen, in der Anfang März einzuberufenden
Hauptversammlung zu beantragen, daß das Stammvermögen fast um die Hälfte,
d. h. auf vier Millionen erhöht werde. Die Geneigtheit dazu wird auch vor¬
handen sein, da Gewinnanteile für 1898 in der Höhe von 9 vom Hundert
gegen 6 vom Hundert im Vorjahre nach reichlich bemessenen Abschreibungen
vorgeschlagen sind. Dem Wunsche, der amtlicherseits aus Mytilene ergeht,
daß die deutschen Dampfschiffe auf ihrer Fahrt nach Konstantinopel auch diesen
Hafen anlaufen möchten, werden die Hamburger und Bremer Kaufleute jedenfalls
gern nachkommen. Wie nötig es ist, daß unser Schiffahrtsverkehr am Mittel-


Die Lrfolge der palästinafahrt unsers Uaisers

erteilt, ein unterseeisches Telegraphenkabel von Konstantinopel nach Constanza,
dem rumänischen Hafenplatze, zu legen und zu verwerten. Die Anlage dieses
Kabels ist nötig, damit der Vertrag des Deutschen Reichs mit Rumänien ver¬
wirklicht werden kann — der der Kammer zu Bukarest am 7. März vorlag und
fast einstimmig genehmigt wurde —, behufs unmittelbarer Eisenbahn-, Post-
und Telegraphenverbindung zwischen Berlin und Konstantinopel.

Außerdem glauben wir auch die Fortsetzung des Bahnbaus von Kaisarieh
oder von Koma nach Diarbekir und dem untern Tigris und dem Persischen
Meerbusen zu den Früchten unsrer Freundschaft mit der Türkei zählen zu
müssen. Im Zusammenhange mit diesem Weiterbau steht wohl auch der Um¬
stand, daß das Konsulat zu Bagdad seit kurzem in ein Berufskousulat um¬
gewandelt worden ist. Interessant ist jedenfalls auch die Mitteilung, die die
Zeitungen im Januar aus London brachten, daß es in englischen Finanzkreisen
als ausgemacht gelte, daß englische Unternehmer in der Türkei keine Kon¬
zessionen mehr erhalten. Dem Sultan sei die Beteiligung englischer Kapita¬
listen an wirtschaftlichen Unternehmungen nur dann genehm, wenn ein Deutscher
die Leitung hätte. Infolgedessen haben sich in der letzten Zeit in London
unter deutscher Leitung deutsche und englische Geldmänner zusammengethan,
die den Ban von Eisenbahnen, Pferdebahnen, Gas-, Elektrizitcits- und Wasser-
leitungsanlagen in der Türkei und besonders in Kleinasien beabsichtigen. Als
erfreuliche Thatsache dürfte auch dies angesehen werden, daß die Londoner
Finanzkreise den deutschen Unternehmern so viel Vertrauen entgegenbringen,
daß noch weitere Gruppen für ähnliche Zwecke in der Bildung begriffen sind.
Rühmlich hervorgehoben muß auch dies werden, daß es für die unter deutscher
Führung stehenden Handelsgruppen als Grundbedingung gilt, daß die Hälfte
aller für die betreffende Unternehmung nötigen Materialien aus Deutschland
bezogen werden muß.

Auch die deutsche Kaufmannschaft in der Heimat hat dnrch die Kaiserreise
neue Anregung empfangen und ist infolge dessen rüstig an der Arbeit. So
sandten die in Berlin vereinigten Handelskammern schon im November einen
Vertreter nach Konstantinopel, um dort eine deutsche Handelskammer zu stände
zu bringen. Ebenso hat der Aufsichtsrat der Deutschen Levantelinie, der in
Hamburg seinen Sitz hat, beschlossen, in der Anfang März einzuberufenden
Hauptversammlung zu beantragen, daß das Stammvermögen fast um die Hälfte,
d. h. auf vier Millionen erhöht werde. Die Geneigtheit dazu wird auch vor¬
handen sein, da Gewinnanteile für 1898 in der Höhe von 9 vom Hundert
gegen 6 vom Hundert im Vorjahre nach reichlich bemessenen Abschreibungen
vorgeschlagen sind. Dem Wunsche, der amtlicherseits aus Mytilene ergeht,
daß die deutschen Dampfschiffe auf ihrer Fahrt nach Konstantinopel auch diesen
Hafen anlaufen möchten, werden die Hamburger und Bremer Kaufleute jedenfalls
gern nachkommen. Wie nötig es ist, daß unser Schiffahrtsverkehr am Mittel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/70>, abgerufen am 20.10.2024.