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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die Erfolge der palästinafahrt unsers Kaisers

meer ein viel entwickelterer werde, mag daraus hervorgehn, daß im vergangnen
Jahre so wichtige Häfen wie Mersina, Jskanderun (Alexandrette), Beirut,
Saida, Atta, Halfa, Jafa u. a. überhaupt von keinem deutschen Schiffe an¬
gelaufen wurden!

Auch auf militärischem Gebiete ist seit den Kaisertagen eine Wandlung
eingetreten, und zwar scheinen die Beziehungen noch enger geknüpft zu sein.
Daß der Wunsch danach von der Türkei ausgegangen ist, braucht wohl kaum
erst hervorgehoben zu werden. Während bisher die Zahl der türkische" Offi¬
ziere, die dem deutschen Heere zugeteilt wurden, jährlich höchstens zwölf betrug,
reisten diesmal dreißig ab, um sich am 1. Februar in das deutsche Heer ein¬
reihen zu lassen. Auch sind um dieselbe Zeit wieder einige deutsche Offiziere
hinausgegangen, um als Reorganisatoren der türkischen Reiterei thätig zu sein.
Der türkisch-griechische Krieg hat eben dem Sultan und seinen Ratgebern vor
allem deutlich gezeigt, daß sie an den Deutschen keine schlechten Berater ge¬
habt haben.

Was die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht. Soviel aber steht fest,
daß jetzt für den Deutschen in der Türkei die Pforten weit geöffnet sind, und
daß die junge Saat, die durch deutschen Fleiß und deutsche Einsicht im tür¬
kischen Reiche angelegt ist, durch die Kaiserreise gekräftigt worden ist, sodaß
sie zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Ein reiches Feld der Arbeit bietet
sich hier auf lange Jahre hinaus der deutscheu Unternehmungslust vor allein
in Kleinasien, das durch die cmatolische Bahn nun immer weiter erschlossen wird.

Schon jetzt hat Kleinasien Korngegenden mit reichen Ernten, wo die Ähren
aber noch mit sichelförmigen Messern geschnitten und mit Dreschschlitten aus¬
gedroschen werden; groß ist schon jetzt sein Herdenreichtum an feinwolligen
Schafen und Ziegen (Angora); es hat Weingegenden von der üppigsten Frucht¬
barkeit, wo aber die Rede unedel und die Kellerei noch ganz roh ist; es er¬
zeugt vorzügliche Seide (Brussa) und Baumwolle; mit seinem Tabak könnte
es die halbe Welt versorgen. Paradiesische Gegenden, wie der fischreiche See
von Egerdir, der dem Comersee vergleichbar ist und von fruchtbaren Feldern
und Obstgärten umrahmt wird, sind gar nicht selten. An vielen Stellen ge¬
deihen Äpfel, Pflaumen, Aprikosen und Feigen in wunderbarer Fülle, mir fehlt
es leider an Verkehrswegen, sie zu Markte zu bringen. Auch finden wir auf
den Höhen vielfach uoch schöne Eichen- und Kiefernbestände; dichter Urwald
bedeckt z. V. noch die Berge westlich von Ikonium, wo prächtige Silberkämmen
und dunkle Schwarzfichten neben lichtgrünen Zedern stehn; aber auch hier fehlen
die Wege dazu, sodaß die Stämme auf den Bergen zusammenstürzen und ver¬
modern, während nicht weit davon der trockne Mist zur Feuerung gesammelt
wird. Dann ist Kleinasien anch reich an Mineralien, wie Steinsalz, Erdöl,
Schwefel und Ölsteiuen, aber auch Edelmetalle fehlen nicht, nur wurden sie
bisher erst wenig ausgebeutet. Ein noch reicheres und verheißungsvolleres


Die Erfolge der palästinafahrt unsers Kaisers

meer ein viel entwickelterer werde, mag daraus hervorgehn, daß im vergangnen
Jahre so wichtige Häfen wie Mersina, Jskanderun (Alexandrette), Beirut,
Saida, Atta, Halfa, Jafa u. a. überhaupt von keinem deutschen Schiffe an¬
gelaufen wurden!

Auch auf militärischem Gebiete ist seit den Kaisertagen eine Wandlung
eingetreten, und zwar scheinen die Beziehungen noch enger geknüpft zu sein.
Daß der Wunsch danach von der Türkei ausgegangen ist, braucht wohl kaum
erst hervorgehoben zu werden. Während bisher die Zahl der türkische» Offi¬
ziere, die dem deutschen Heere zugeteilt wurden, jährlich höchstens zwölf betrug,
reisten diesmal dreißig ab, um sich am 1. Februar in das deutsche Heer ein¬
reihen zu lassen. Auch sind um dieselbe Zeit wieder einige deutsche Offiziere
hinausgegangen, um als Reorganisatoren der türkischen Reiterei thätig zu sein.
Der türkisch-griechische Krieg hat eben dem Sultan und seinen Ratgebern vor
allem deutlich gezeigt, daß sie an den Deutschen keine schlechten Berater ge¬
habt haben.

Was die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht. Soviel aber steht fest,
daß jetzt für den Deutschen in der Türkei die Pforten weit geöffnet sind, und
daß die junge Saat, die durch deutschen Fleiß und deutsche Einsicht im tür¬
kischen Reiche angelegt ist, durch die Kaiserreise gekräftigt worden ist, sodaß
sie zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Ein reiches Feld der Arbeit bietet
sich hier auf lange Jahre hinaus der deutscheu Unternehmungslust vor allein
in Kleinasien, das durch die cmatolische Bahn nun immer weiter erschlossen wird.

Schon jetzt hat Kleinasien Korngegenden mit reichen Ernten, wo die Ähren
aber noch mit sichelförmigen Messern geschnitten und mit Dreschschlitten aus¬
gedroschen werden; groß ist schon jetzt sein Herdenreichtum an feinwolligen
Schafen und Ziegen (Angora); es hat Weingegenden von der üppigsten Frucht¬
barkeit, wo aber die Rede unedel und die Kellerei noch ganz roh ist; es er¬
zeugt vorzügliche Seide (Brussa) und Baumwolle; mit seinem Tabak könnte
es die halbe Welt versorgen. Paradiesische Gegenden, wie der fischreiche See
von Egerdir, der dem Comersee vergleichbar ist und von fruchtbaren Feldern
und Obstgärten umrahmt wird, sind gar nicht selten. An vielen Stellen ge¬
deihen Äpfel, Pflaumen, Aprikosen und Feigen in wunderbarer Fülle, mir fehlt
es leider an Verkehrswegen, sie zu Markte zu bringen. Auch finden wir auf
den Höhen vielfach uoch schöne Eichen- und Kiefernbestände; dichter Urwald
bedeckt z. V. noch die Berge westlich von Ikonium, wo prächtige Silberkämmen
und dunkle Schwarzfichten neben lichtgrünen Zedern stehn; aber auch hier fehlen
die Wege dazu, sodaß die Stämme auf den Bergen zusammenstürzen und ver¬
modern, während nicht weit davon der trockne Mist zur Feuerung gesammelt
wird. Dann ist Kleinasien anch reich an Mineralien, wie Steinsalz, Erdöl,
Schwefel und Ölsteiuen, aber auch Edelmetalle fehlen nicht, nur wurden sie
bisher erst wenig ausgebeutet. Ein noch reicheres und verheißungsvolleres


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[0071] Die Erfolge der palästinafahrt unsers Kaisers meer ein viel entwickelterer werde, mag daraus hervorgehn, daß im vergangnen Jahre so wichtige Häfen wie Mersina, Jskanderun (Alexandrette), Beirut, Saida, Atta, Halfa, Jafa u. a. überhaupt von keinem deutschen Schiffe an¬ gelaufen wurden! Auch auf militärischem Gebiete ist seit den Kaisertagen eine Wandlung eingetreten, und zwar scheinen die Beziehungen noch enger geknüpft zu sein. Daß der Wunsch danach von der Türkei ausgegangen ist, braucht wohl kaum erst hervorgehoben zu werden. Während bisher die Zahl der türkische» Offi¬ ziere, die dem deutschen Heere zugeteilt wurden, jährlich höchstens zwölf betrug, reisten diesmal dreißig ab, um sich am 1. Februar in das deutsche Heer ein¬ reihen zu lassen. Auch sind um dieselbe Zeit wieder einige deutsche Offiziere hinausgegangen, um als Reorganisatoren der türkischen Reiterei thätig zu sein. Der türkisch-griechische Krieg hat eben dem Sultan und seinen Ratgebern vor allem deutlich gezeigt, daß sie an den Deutschen keine schlechten Berater ge¬ habt haben. Was die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht. Soviel aber steht fest, daß jetzt für den Deutschen in der Türkei die Pforten weit geöffnet sind, und daß die junge Saat, die durch deutschen Fleiß und deutsche Einsicht im tür¬ kischen Reiche angelegt ist, durch die Kaiserreise gekräftigt worden ist, sodaß sie zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Ein reiches Feld der Arbeit bietet sich hier auf lange Jahre hinaus der deutscheu Unternehmungslust vor allein in Kleinasien, das durch die cmatolische Bahn nun immer weiter erschlossen wird. Schon jetzt hat Kleinasien Korngegenden mit reichen Ernten, wo die Ähren aber noch mit sichelförmigen Messern geschnitten und mit Dreschschlitten aus¬ gedroschen werden; groß ist schon jetzt sein Herdenreichtum an feinwolligen Schafen und Ziegen (Angora); es hat Weingegenden von der üppigsten Frucht¬ barkeit, wo aber die Rede unedel und die Kellerei noch ganz roh ist; es er¬ zeugt vorzügliche Seide (Brussa) und Baumwolle; mit seinem Tabak könnte es die halbe Welt versorgen. Paradiesische Gegenden, wie der fischreiche See von Egerdir, der dem Comersee vergleichbar ist und von fruchtbaren Feldern und Obstgärten umrahmt wird, sind gar nicht selten. An vielen Stellen ge¬ deihen Äpfel, Pflaumen, Aprikosen und Feigen in wunderbarer Fülle, mir fehlt es leider an Verkehrswegen, sie zu Markte zu bringen. Auch finden wir auf den Höhen vielfach uoch schöne Eichen- und Kiefernbestände; dichter Urwald bedeckt z. V. noch die Berge westlich von Ikonium, wo prächtige Silberkämmen und dunkle Schwarzfichten neben lichtgrünen Zedern stehn; aber auch hier fehlen die Wege dazu, sodaß die Stämme auf den Bergen zusammenstürzen und ver¬ modern, während nicht weit davon der trockne Mist zur Feuerung gesammelt wird. Dann ist Kleinasien anch reich an Mineralien, wie Steinsalz, Erdöl, Schwefel und Ölsteiuen, aber auch Edelmetalle fehlen nicht, nur wurden sie bisher erst wenig ausgebeutet. Ein noch reicheres und verheißungsvolleres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/71>, abgerufen am 28.09.2024.