Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Badische Airchenpolitik badischen Bevölkerung hätten äußern können, nicht vorhanden sind, so hat die Auch dem jetzigen Inhaber des erzbischöflichen Stuhls sind unerfüllbare Badische Airchenpolitik badischen Bevölkerung hätten äußern können, nicht vorhanden sind, so hat die Auch dem jetzigen Inhaber des erzbischöflichen Stuhls sind unerfüllbare <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0628" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231060"/> <fw type="header" place="top"> Badische Airchenpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_2151" prev="#ID_2150"> badischen Bevölkerung hätten äußern können, nicht vorhanden sind, so hat die<lb/> Ordensfrage durch einen andern Umstand etwas „Aktuelles" bekommen: durch<lb/> die Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls in Freiburg. Es heißt, der neue<lb/> Erzbischof Nörder habe an die Negierung die Bitte gerichtet, zwei Männer-<lb/> klöster zuzulassen. An jeden Wechsel in einem hohen Kirchenamt knüpfen sich<lb/> bei uns Hoffnungen von der einen und von der andern Seite, oft die aller-<lb/> entgegengesetztesten. Bald nach seiner Wahl hat Nörder in einer öffentlichen<lb/> Kundgebung von der Schmach gesprochen, die heutzutage mit dem bischöflichen<lb/> Amte verbunden sei; vielleicht hat er an die Thatsache gedacht, daß es viele<lb/> giebt, die den kirchlichen Dingen überhaupt mit einer bis ans Herz hinan<lb/> kühlen Gleichgültigkeit gegenüberstelln. Jedenfalls steht dem auf der andern<lb/> Seite die Thatsache gegenüber, daß sehr viele, nicht Katholiken, sondern gerade<lb/> Protestanten, den Würdenträgern und den Einrichtungen der katholischen Kirche<lb/> ein Interesse und eine Ehrfurcht bezeugen, die über das Maß des Interesses<lb/> für die gleichgestellten Diener der eignen Kirchengemeinschaft hinausgehen. Man<lb/> erinnere sich, wie Bismarck in seinem nachgelassenen Werk das Gebaren un¬<lb/> klarer und unmännlicher Geister geißelt, die, ohne dem Katholizismus anzu¬<lb/> gehören, seinen mehr oder weniger berufnen Vertretern ihre Reverenz machen.<lb/> Das gilt, obwohl Bismarck eine Abnahme des würdelosen Treibens in den<lb/> norddeutschen Kreisen, von denen er spricht, feststellt, vielfach noch heute.<lb/> Wenn dann ein Personenwechsel in einem hohen Amte eintritt und von dem<lb/> neuen Kirchenfürsten, wie das erklärlich ist — denn es wird nicht der schlech¬<lb/> teste Mann ausgesucht sein —, allerlei gutes verlautet, so erwartet man ein<lb/> irenisches Entgegenkommen, eine freiere Auffassung, als sie in den Niederungen<lb/> des Klerus herrscht. Der Spott der Klerikalen über derartige eitle Selbst¬<lb/> täuschungen ist völlig berechtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2152" next="#ID_2153"> Auch dem jetzigen Inhaber des erzbischöflichen Stuhls sind unerfüllbare<lb/> Erwartungen vorausgegangen; worauf sie sich gründeten, ist nicht abzusehen:<lb/> der jetzige bestätigte Verwalter des Sprengels, der einst dem Freiherrn von<lb/> Wessenberg versagt blieb — das Erzstift Freiburg ist aus dem Konstanzer Bistum<lb/> hervorgegangen —, hat durch sein persönliches Verhalten keine Ursache dazu<lb/> gegeben. Es liegt nicht in seiner Art, die überhaupt manches sympathische<lb/> hat, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, und da hat er sich denn<lb/> kürzlich bei einem Gottesdienst für die Einführung von Männerklöstern in Baden<lb/> erklärt. Das hat nun seine Freunde von drüben verschnupft, die in ihm etwas<lb/> sahen, was er nicht ist. Aber wenn sich auch ihre Menschenkenntnis schlecht<lb/> bewährt hat, so haben sie doch jedenfalls eine hohe Meinung von seinem<lb/> Beruf und seiner Person gezeigt. Ist es dem Erzbischof, so darf man in<lb/> der That fragen, unbekannt, daß eine Negierung, deren Wohlwollen unbestritten<lb/> ist, ans sachlichen Gründen die Einführung der Orden verweigert? Ist es<lb/> wirklich zu viel verlangt, daß der erste katholische Geistliche des Landes die<lb/> Freiheit des Blicks und Urteils habe, der ernsten Ansicht alter besonnener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0628]
Badische Airchenpolitik
badischen Bevölkerung hätten äußern können, nicht vorhanden sind, so hat die
Ordensfrage durch einen andern Umstand etwas „Aktuelles" bekommen: durch
die Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls in Freiburg. Es heißt, der neue
Erzbischof Nörder habe an die Negierung die Bitte gerichtet, zwei Männer-
klöster zuzulassen. An jeden Wechsel in einem hohen Kirchenamt knüpfen sich
bei uns Hoffnungen von der einen und von der andern Seite, oft die aller-
entgegengesetztesten. Bald nach seiner Wahl hat Nörder in einer öffentlichen
Kundgebung von der Schmach gesprochen, die heutzutage mit dem bischöflichen
Amte verbunden sei; vielleicht hat er an die Thatsache gedacht, daß es viele
giebt, die den kirchlichen Dingen überhaupt mit einer bis ans Herz hinan
kühlen Gleichgültigkeit gegenüberstelln. Jedenfalls steht dem auf der andern
Seite die Thatsache gegenüber, daß sehr viele, nicht Katholiken, sondern gerade
Protestanten, den Würdenträgern und den Einrichtungen der katholischen Kirche
ein Interesse und eine Ehrfurcht bezeugen, die über das Maß des Interesses
für die gleichgestellten Diener der eignen Kirchengemeinschaft hinausgehen. Man
erinnere sich, wie Bismarck in seinem nachgelassenen Werk das Gebaren un¬
klarer und unmännlicher Geister geißelt, die, ohne dem Katholizismus anzu¬
gehören, seinen mehr oder weniger berufnen Vertretern ihre Reverenz machen.
Das gilt, obwohl Bismarck eine Abnahme des würdelosen Treibens in den
norddeutschen Kreisen, von denen er spricht, feststellt, vielfach noch heute.
Wenn dann ein Personenwechsel in einem hohen Amte eintritt und von dem
neuen Kirchenfürsten, wie das erklärlich ist — denn es wird nicht der schlech¬
teste Mann ausgesucht sein —, allerlei gutes verlautet, so erwartet man ein
irenisches Entgegenkommen, eine freiere Auffassung, als sie in den Niederungen
des Klerus herrscht. Der Spott der Klerikalen über derartige eitle Selbst¬
täuschungen ist völlig berechtigt.
Auch dem jetzigen Inhaber des erzbischöflichen Stuhls sind unerfüllbare
Erwartungen vorausgegangen; worauf sie sich gründeten, ist nicht abzusehen:
der jetzige bestätigte Verwalter des Sprengels, der einst dem Freiherrn von
Wessenberg versagt blieb — das Erzstift Freiburg ist aus dem Konstanzer Bistum
hervorgegangen —, hat durch sein persönliches Verhalten keine Ursache dazu
gegeben. Es liegt nicht in seiner Art, die überhaupt manches sympathische
hat, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, und da hat er sich denn
kürzlich bei einem Gottesdienst für die Einführung von Männerklöstern in Baden
erklärt. Das hat nun seine Freunde von drüben verschnupft, die in ihm etwas
sahen, was er nicht ist. Aber wenn sich auch ihre Menschenkenntnis schlecht
bewährt hat, so haben sie doch jedenfalls eine hohe Meinung von seinem
Beruf und seiner Person gezeigt. Ist es dem Erzbischof, so darf man in
der That fragen, unbekannt, daß eine Negierung, deren Wohlwollen unbestritten
ist, ans sachlichen Gründen die Einführung der Orden verweigert? Ist es
wirklich zu viel verlangt, daß der erste katholische Geistliche des Landes die
Freiheit des Blicks und Urteils habe, der ernsten Ansicht alter besonnener
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