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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Badische Kirchenpolitik

Männer, denen Radikalismus und böser Wille gleich fern liegt, denen ihr Amt
die Pflicht auferlegt, das Beste des Staats zu suchen, und die in der Erfüllung
dieser Pflicht sicherlich nicht mit geringerer Gewissenhaftigkeit ihrer Überzeugung
folgen als irgend ein Kirchendiener, unparteiische Würdigung, kurz Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen? Die Antwort wird lauten müssen: Allerdings, es ist
zu viel verlangt; dazu ist der Mann denn doch aus zu engen Verhältnissen
hervorgegangen, wir meinen zunächst in geistiger Hinsicht; weiterhin ist freilich
nicht zu leugnen, daß die Demokratisierung des hohen Klerus seinen Sinn für
das Politische und Nationale geschwächt hat.

Wir kommen zu dem zweiten der in der badischen Volkskammer mit so statt¬
licher Mehrheit angenommnen Zentrumsanträge, der sich auf die Vorbildung
der Geistlichen bezog. Auch hier muß die erste Frage lauten: Welche Mi߬
stände haben sich unter den herrschenden Verhältnissen herausgestellt? Und
die Antwort muß wiederum sein: Wir wissen von keinen; wenigstens von
klerikaler Seite sind keine Klagen erhoben worden. Ein Beispiel: Will ein
junger Student der katholischen Theologie ein bis drei Semester von den sechs,
deren Nachweis für die Bekleidung eines badischen Kirchenamts Vorbedingung
ist, im Auslande zubringen, vielleicht weil er etwas von der Welt sehen will,
was wir sehr verständlich finden, so bedarf er eines Erlaubnisscheins von der
badischen Regierung. Der Zentrumsantrag will diesen Dispens unnötig machen.
Was soll man aber von der Dringlichkeit einer Änderung des Gesetzes denken,
wenn man hört, daß bisher in keinem Falle der gesetzlich mögliche Dispens
versagt worden ist? Wenn aber doch dieser oder jener Kandidat verhindert
werden würde, in das Ausland zu gehn, oder wenn man die andre Thatsache
ins Auge faßt, daß allerdings Ausländer von der Bekleidung und Ausübung
eines badischen Kirchenamts ausgeschlossen sind, so erhebt sich die Frage, ob
denn die inländischen Einrichtungen nicht den Anforderungen genügen, die man
gerechterweise stellen darf. Gerade in jüngster Zeit ist allerdings von liberaler
und von vorurteilsfreier katholischer Seite der Ruf erschollen, daß die Lhceal-
und Seminarbildung zu wünschen läßt und der Reform bedarf. Wir wollen
hier nicht darauf eingehn, denn die badischen Ultramontanen haben ganz andre
Wünsche, wir sind aber der Zuversicht, daß es mit den heimischen Einrichtungen
nicht so schlecht bestellt ist, daß wir die angehenden Kleriker durchaus auf die
Jesuitenkollegien in Rom und Innsbruck schicken müssen, wenn ans ihnen etwas
Rechtes werden soll. Vielleicht kann an den heimischen Instituten noch mancherlei
gebessert werden, auf die Güte ausländischer Kollegien haben jedenfalls die
ultramontanen badischen Parlamentarier nicht den geringsten Einfluß. Eine
Überlegenheit gerade der von Jesuiten geleiteten Anstalten für die Erziehung
zur Seelsorge kann nicht anerkannt werden.

Was noch den beantragten Ausschluß der Mißfallenserklärung gegen
erzbischöfliche Beamte angeht, so ist kein Grund einzusehen, warum diese anders
gestellt sein sollen als die Pfarrgeistlichen, die Domkapitulare oder der Erz-


Badische Kirchenpolitik

Männer, denen Radikalismus und böser Wille gleich fern liegt, denen ihr Amt
die Pflicht auferlegt, das Beste des Staats zu suchen, und die in der Erfüllung
dieser Pflicht sicherlich nicht mit geringerer Gewissenhaftigkeit ihrer Überzeugung
folgen als irgend ein Kirchendiener, unparteiische Würdigung, kurz Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen? Die Antwort wird lauten müssen: Allerdings, es ist
zu viel verlangt; dazu ist der Mann denn doch aus zu engen Verhältnissen
hervorgegangen, wir meinen zunächst in geistiger Hinsicht; weiterhin ist freilich
nicht zu leugnen, daß die Demokratisierung des hohen Klerus seinen Sinn für
das Politische und Nationale geschwächt hat.

Wir kommen zu dem zweiten der in der badischen Volkskammer mit so statt¬
licher Mehrheit angenommnen Zentrumsanträge, der sich auf die Vorbildung
der Geistlichen bezog. Auch hier muß die erste Frage lauten: Welche Mi߬
stände haben sich unter den herrschenden Verhältnissen herausgestellt? Und
die Antwort muß wiederum sein: Wir wissen von keinen; wenigstens von
klerikaler Seite sind keine Klagen erhoben worden. Ein Beispiel: Will ein
junger Student der katholischen Theologie ein bis drei Semester von den sechs,
deren Nachweis für die Bekleidung eines badischen Kirchenamts Vorbedingung
ist, im Auslande zubringen, vielleicht weil er etwas von der Welt sehen will,
was wir sehr verständlich finden, so bedarf er eines Erlaubnisscheins von der
badischen Regierung. Der Zentrumsantrag will diesen Dispens unnötig machen.
Was soll man aber von der Dringlichkeit einer Änderung des Gesetzes denken,
wenn man hört, daß bisher in keinem Falle der gesetzlich mögliche Dispens
versagt worden ist? Wenn aber doch dieser oder jener Kandidat verhindert
werden würde, in das Ausland zu gehn, oder wenn man die andre Thatsache
ins Auge faßt, daß allerdings Ausländer von der Bekleidung und Ausübung
eines badischen Kirchenamts ausgeschlossen sind, so erhebt sich die Frage, ob
denn die inländischen Einrichtungen nicht den Anforderungen genügen, die man
gerechterweise stellen darf. Gerade in jüngster Zeit ist allerdings von liberaler
und von vorurteilsfreier katholischer Seite der Ruf erschollen, daß die Lhceal-
und Seminarbildung zu wünschen läßt und der Reform bedarf. Wir wollen
hier nicht darauf eingehn, denn die badischen Ultramontanen haben ganz andre
Wünsche, wir sind aber der Zuversicht, daß es mit den heimischen Einrichtungen
nicht so schlecht bestellt ist, daß wir die angehenden Kleriker durchaus auf die
Jesuitenkollegien in Rom und Innsbruck schicken müssen, wenn ans ihnen etwas
Rechtes werden soll. Vielleicht kann an den heimischen Instituten noch mancherlei
gebessert werden, auf die Güte ausländischer Kollegien haben jedenfalls die
ultramontanen badischen Parlamentarier nicht den geringsten Einfluß. Eine
Überlegenheit gerade der von Jesuiten geleiteten Anstalten für die Erziehung
zur Seelsorge kann nicht anerkannt werden.

Was noch den beantragten Ausschluß der Mißfallenserklärung gegen
erzbischöfliche Beamte angeht, so ist kein Grund einzusehen, warum diese anders
gestellt sein sollen als die Pfarrgeistlichen, die Domkapitulare oder der Erz-


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[0629] Badische Kirchenpolitik Männer, denen Radikalismus und böser Wille gleich fern liegt, denen ihr Amt die Pflicht auferlegt, das Beste des Staats zu suchen, und die in der Erfüllung dieser Pflicht sicherlich nicht mit geringerer Gewissenhaftigkeit ihrer Überzeugung folgen als irgend ein Kirchendiener, unparteiische Würdigung, kurz Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Die Antwort wird lauten müssen: Allerdings, es ist zu viel verlangt; dazu ist der Mann denn doch aus zu engen Verhältnissen hervorgegangen, wir meinen zunächst in geistiger Hinsicht; weiterhin ist freilich nicht zu leugnen, daß die Demokratisierung des hohen Klerus seinen Sinn für das Politische und Nationale geschwächt hat. Wir kommen zu dem zweiten der in der badischen Volkskammer mit so statt¬ licher Mehrheit angenommnen Zentrumsanträge, der sich auf die Vorbildung der Geistlichen bezog. Auch hier muß die erste Frage lauten: Welche Mi߬ stände haben sich unter den herrschenden Verhältnissen herausgestellt? Und die Antwort muß wiederum sein: Wir wissen von keinen; wenigstens von klerikaler Seite sind keine Klagen erhoben worden. Ein Beispiel: Will ein junger Student der katholischen Theologie ein bis drei Semester von den sechs, deren Nachweis für die Bekleidung eines badischen Kirchenamts Vorbedingung ist, im Auslande zubringen, vielleicht weil er etwas von der Welt sehen will, was wir sehr verständlich finden, so bedarf er eines Erlaubnisscheins von der badischen Regierung. Der Zentrumsantrag will diesen Dispens unnötig machen. Was soll man aber von der Dringlichkeit einer Änderung des Gesetzes denken, wenn man hört, daß bisher in keinem Falle der gesetzlich mögliche Dispens versagt worden ist? Wenn aber doch dieser oder jener Kandidat verhindert werden würde, in das Ausland zu gehn, oder wenn man die andre Thatsache ins Auge faßt, daß allerdings Ausländer von der Bekleidung und Ausübung eines badischen Kirchenamts ausgeschlossen sind, so erhebt sich die Frage, ob denn die inländischen Einrichtungen nicht den Anforderungen genügen, die man gerechterweise stellen darf. Gerade in jüngster Zeit ist allerdings von liberaler und von vorurteilsfreier katholischer Seite der Ruf erschollen, daß die Lhceal- und Seminarbildung zu wünschen läßt und der Reform bedarf. Wir wollen hier nicht darauf eingehn, denn die badischen Ultramontanen haben ganz andre Wünsche, wir sind aber der Zuversicht, daß es mit den heimischen Einrichtungen nicht so schlecht bestellt ist, daß wir die angehenden Kleriker durchaus auf die Jesuitenkollegien in Rom und Innsbruck schicken müssen, wenn ans ihnen etwas Rechtes werden soll. Vielleicht kann an den heimischen Instituten noch mancherlei gebessert werden, auf die Güte ausländischer Kollegien haben jedenfalls die ultramontanen badischen Parlamentarier nicht den geringsten Einfluß. Eine Überlegenheit gerade der von Jesuiten geleiteten Anstalten für die Erziehung zur Seelsorge kann nicht anerkannt werden. Was noch den beantragten Ausschluß der Mißfallenserklärung gegen erzbischöfliche Beamte angeht, so ist kein Grund einzusehen, warum diese anders gestellt sein sollen als die Pfarrgeistlichen, die Domkapitulare oder der Erz-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/629>, abgerufen am 28.09.2024.