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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Kritische Studien zu Fürst Bjsmarcks Gedanken und Erinnerungen

den Verabredungen geblieben, die zur Zeit des Herrn von Beust in Salzburg
und an andern Orten zwischen Frankreich, Österreich und Italien getroffen
wurden." 5) Er hat darüber sogar einmal am 21. März 1869 dem französischen
Botschafter Beuedetti geradezu eine Anfrage gestellt. ^) Dem Grafen Beust
traute er nicht über den Weg, wie er oft genug erklärt hat,'') und Fürst
Metternich galt ihm als der eigentliche Träger der österreichisch-französischen
Bündnisidee, als der Führer der "nicht sehr zahlreichen, aber einflußreichen
Partei" in Österreich und in Ungarn, die den Krieg wolle, als "einer der
Haupthetzer zum Kriege, der jetzt wütet." ^)

Auch militärisch machte man sich auf einen Krieg an zwei Fronten, gegen
Frankreich und Österreich gefaßt. Dazu arbeitete Moltke seit 1867 eine Anzahl
Entwürfe aus, die teils einen Krieg gegen Frankreich allein, teils gegen Frankreich
und Österreich zugleich ins Auge faßten und später auf bestimmten Abmachungen
mit den süddeutschen Staaten beruhten, nachdem er mit den Militärbevollmäch¬
tigten Bayerns und Württembergs am 13. Mai 1868 eine eingehende Besprechung
gehabt hatte. In dem erste" Entwürfe dieser Art vom 16. September 1867 setzte
er die Haltung Österreichs und Dänemarcks nur als "mindestens zweifelhaft"
voraus und wollte daher gegen diese beiden Nachbarn zusammen nur drei Armee¬
korps zurücklassen; auch für 1868 glaubte er bei den "unfertigen Zuständen"
Österreichs, der "Abneigung Ungarns" und der Haltung Rußlands noch keine
Teilnahme des Kaiserstaats am Kriege besorgen zu müssen. Dagegen faßte er
in zwei spätern Entwürfen, von denen der eine noch aus dem Jahre 1868
stammt, aber im Januar und März 1869 überarbeitet worden ist, der zweite
im Winter 1868/69 entstand und dann noch mehrmals, zuletzt im Juli 1870
teilweise umgestaltet wurde, den Doppelkrieg ans beiden Fronten ins Auge; ja
er riet in der zweiten, sobald in Österreich die Rüstungen begonnen, den Krieg
an Frankreich zu erklären, da dann das Einverständnis zwischen beiden Staaten
sicher sei und zu hoffen stehe, daß, da Österreich sechs bis acht Wochen Zeit
zu seiner Mobilisierung brauchen werde, inzwischen Frankreich entscheidend ge¬
schlagen worden sei und Österreich dann vielleicht das Schwert in die Scheide
zurückstoßen werde. Jedenfalls wollte er gegen Frankreich die deutsche Haupt¬
macht und zwar cmgrisfsweise verwenden, gegen Österreich defensiv verfahren
und nur drei Armeekorps (das 1., II. und VI.) mit zwei mobilen Lcmdwehr-
divisionen in Sachsen und Schlesien zurücklassen, da man hier im Osten






') Politische Reden des Fürsten Bismarck, herausgegeben von H. Kohl III, Z1I,
XII, 4SF.
") H. Kohls Vismarckregesten I, 866.
2) Z, V, in dem hübschen Vergleich mit dein vom Duche fallenden Schieferdecker bei
Poschingcr, Tischgespräche und Interviews II, 59.
'
>) So ließ er zu Anfang Dezember 1870 durch M, Busch in zwei Zeitungsartikeln aus¬
führen, Busch, Tngebuchbliitter I, 481. 483.
Kritische Studien zu Fürst Bjsmarcks Gedanken und Erinnerungen

den Verabredungen geblieben, die zur Zeit des Herrn von Beust in Salzburg
und an andern Orten zwischen Frankreich, Österreich und Italien getroffen
wurden." 5) Er hat darüber sogar einmal am 21. März 1869 dem französischen
Botschafter Beuedetti geradezu eine Anfrage gestellt. ^) Dem Grafen Beust
traute er nicht über den Weg, wie er oft genug erklärt hat,'') und Fürst
Metternich galt ihm als der eigentliche Träger der österreichisch-französischen
Bündnisidee, als der Führer der „nicht sehr zahlreichen, aber einflußreichen
Partei" in Österreich und in Ungarn, die den Krieg wolle, als „einer der
Haupthetzer zum Kriege, der jetzt wütet." ^)

Auch militärisch machte man sich auf einen Krieg an zwei Fronten, gegen
Frankreich und Österreich gefaßt. Dazu arbeitete Moltke seit 1867 eine Anzahl
Entwürfe aus, die teils einen Krieg gegen Frankreich allein, teils gegen Frankreich
und Österreich zugleich ins Auge faßten und später auf bestimmten Abmachungen
mit den süddeutschen Staaten beruhten, nachdem er mit den Militärbevollmäch¬
tigten Bayerns und Württembergs am 13. Mai 1868 eine eingehende Besprechung
gehabt hatte. In dem erste» Entwürfe dieser Art vom 16. September 1867 setzte
er die Haltung Österreichs und Dänemarcks nur als „mindestens zweifelhaft"
voraus und wollte daher gegen diese beiden Nachbarn zusammen nur drei Armee¬
korps zurücklassen; auch für 1868 glaubte er bei den „unfertigen Zuständen"
Österreichs, der „Abneigung Ungarns" und der Haltung Rußlands noch keine
Teilnahme des Kaiserstaats am Kriege besorgen zu müssen. Dagegen faßte er
in zwei spätern Entwürfen, von denen der eine noch aus dem Jahre 1868
stammt, aber im Januar und März 1869 überarbeitet worden ist, der zweite
im Winter 1868/69 entstand und dann noch mehrmals, zuletzt im Juli 1870
teilweise umgestaltet wurde, den Doppelkrieg ans beiden Fronten ins Auge; ja
er riet in der zweiten, sobald in Österreich die Rüstungen begonnen, den Krieg
an Frankreich zu erklären, da dann das Einverständnis zwischen beiden Staaten
sicher sei und zu hoffen stehe, daß, da Österreich sechs bis acht Wochen Zeit
zu seiner Mobilisierung brauchen werde, inzwischen Frankreich entscheidend ge¬
schlagen worden sei und Österreich dann vielleicht das Schwert in die Scheide
zurückstoßen werde. Jedenfalls wollte er gegen Frankreich die deutsche Haupt¬
macht und zwar cmgrisfsweise verwenden, gegen Österreich defensiv verfahren
und nur drei Armeekorps (das 1., II. und VI.) mit zwei mobilen Lcmdwehr-
divisionen in Sachsen und Schlesien zurücklassen, da man hier im Osten






') Politische Reden des Fürsten Bismarck, herausgegeben von H. Kohl III, Z1I,
XII, 4SF.
") H. Kohls Vismarckregesten I, 866.
2) Z, V, in dem hübschen Vergleich mit dein vom Duche fallenden Schieferdecker bei
Poschingcr, Tischgespräche und Interviews II, 59.
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>) So ließ er zu Anfang Dezember 1870 durch M, Busch in zwei Zeitungsartikeln aus¬
führen, Busch, Tngebuchbliitter I, 481. 483.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/575>, abgerufen am 28.09.2024.