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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Abeken

einer Energie und Unermüdlichkeit, als hinge immer alles von ihm allein ab."
Das Verhältnis zu seinem "Chef," der ihm von Anfang an freundlich und
wohlwollend begegnete, war trotz ihrer großen Verschiedenheit doch vortrefflich,
weil Abeken seine Politik als "eine echt preußische (und dadurch auch eine echt
deutsche)" erkannte und sie "mit voller Überzeugung" innerlich billigte. Trotz¬
dem ließ er sich sein freies Urteil nicht beschränken und war z. B. mit der
Preßverordnung vom 1. Juni 1863 nicht einverstanden, denn "die administra¬
tive Willkür widerstrebt mir."

So ging er zuversichtlich und mit voller Anspannung seiner Kräfte, die
Bismarck nicht schonte, in den Kampf. Er stimmte der ablehnenden Haltung
des Königs dem Frankfurter Fürstentage 1863 gegenüber lebhaft zu, denn
"wo nichts zu stände kommen kann, da bleibt man besser weg"; er verfolgte
mit warmer Sympathie den Kampf um Schleswig-Holstein, schilderte anschau¬
lich den Eindruck des Düppelsturms in Berlin, ärgerte sich über die "Gemein¬
heit" der Engländer beim Eintreffen der dänischen "Siegesnachricht" über das
Seegefecht bei Helgoland (9. Mai 1864) und schrieb am 10. Juni, auf den
Wiederausbruch des Krieges gefaßt: "einen schlechten Frieden lassen wir uns
nicht gefallen." Damit verband sich bei ihm die Hoffnung auf ein dauerndes
Verhältnis zu Österreich und auf "eine friedliche Ausgleichung innerhalb
Deutschlands"; von den großen Plänen seines Ministers ahnte er also nichts,
obwohl er von einem neuen, doch lebensunfähigen Kleinstaat an der untern
Elbe so wenig etwas wissen wollte wie dieser (1865; das Datum: 14. Oktober
scheint irrtümlich). Denn ein Krieg war ihm schrecklich und "ein Krieg mit
Österreich doppelt schmerzlich" (16. August 1865); soweit wirkten die Tradi¬
tionen Friedrich Wilhelms IV. doch bei ihm nach. Er begrüßte deshalb die Kon¬
vention von Gastein am 14. August 1865, an der er an Ort und Stelle eifrig
mitgearbeitet hatte, mit besondrer Freude und glaubte mit ihr "die Aussicht
auf eine zukünftige, friedlich sich entwickelnde Lösung" eröffnet, er dachte also
an einen friedlichen Dualismus der beiden Großmächte auf Grund der Gleich¬
berechtigung beider. In seinem "Metier" fühlte er sich durchaus wohl, und
sein noch jugendlich elastisches Empfinden war noch stark genug, daß er nach
langer dreißigjähriger Witwerschaft am 17. Mai 1866 mit Hedwig von Olfers
eine zweite Ehe schloß, die ihn tief beglückte und ihm auch die Trauer über
den Tod seines greisen Onkels Rudolf Abeken (24. Februar) überwinden half.

So brach der Krieg von 1866 über ihn herein, ohne daß er an den
Vorbereitungen dazu einen recht innerlichen Anteil genommen hätte, aber er
riß ihn stärker in seine Wirbel hinein, als er jemals erwartet hatte. Im Ge¬
folge des Königs reiste er am 30. Juni nach dem böhmischen Kriegsschauplatze
ab und traf schon am 2. Juli in demselben Gitschin, "mitten in Feindesland,"
ein, das erst am Tage vor der Abreise in die Hände der Preußen gefallen
war. Zum erstenmale sah er ein Schlachtfeld; "ich hatte nicht geahnt, daß


Heinrich Abeken

einer Energie und Unermüdlichkeit, als hinge immer alles von ihm allein ab."
Das Verhältnis zu seinem „Chef," der ihm von Anfang an freundlich und
wohlwollend begegnete, war trotz ihrer großen Verschiedenheit doch vortrefflich,
weil Abeken seine Politik als „eine echt preußische (und dadurch auch eine echt
deutsche)" erkannte und sie „mit voller Überzeugung" innerlich billigte. Trotz¬
dem ließ er sich sein freies Urteil nicht beschränken und war z. B. mit der
Preßverordnung vom 1. Juni 1863 nicht einverstanden, denn „die administra¬
tive Willkür widerstrebt mir."

So ging er zuversichtlich und mit voller Anspannung seiner Kräfte, die
Bismarck nicht schonte, in den Kampf. Er stimmte der ablehnenden Haltung
des Königs dem Frankfurter Fürstentage 1863 gegenüber lebhaft zu, denn
„wo nichts zu stände kommen kann, da bleibt man besser weg"; er verfolgte
mit warmer Sympathie den Kampf um Schleswig-Holstein, schilderte anschau¬
lich den Eindruck des Düppelsturms in Berlin, ärgerte sich über die „Gemein¬
heit" der Engländer beim Eintreffen der dänischen „Siegesnachricht" über das
Seegefecht bei Helgoland (9. Mai 1864) und schrieb am 10. Juni, auf den
Wiederausbruch des Krieges gefaßt: „einen schlechten Frieden lassen wir uns
nicht gefallen." Damit verband sich bei ihm die Hoffnung auf ein dauerndes
Verhältnis zu Österreich und auf „eine friedliche Ausgleichung innerhalb
Deutschlands"; von den großen Plänen seines Ministers ahnte er also nichts,
obwohl er von einem neuen, doch lebensunfähigen Kleinstaat an der untern
Elbe so wenig etwas wissen wollte wie dieser (1865; das Datum: 14. Oktober
scheint irrtümlich). Denn ein Krieg war ihm schrecklich und „ein Krieg mit
Österreich doppelt schmerzlich" (16. August 1865); soweit wirkten die Tradi¬
tionen Friedrich Wilhelms IV. doch bei ihm nach. Er begrüßte deshalb die Kon¬
vention von Gastein am 14. August 1865, an der er an Ort und Stelle eifrig
mitgearbeitet hatte, mit besondrer Freude und glaubte mit ihr „die Aussicht
auf eine zukünftige, friedlich sich entwickelnde Lösung" eröffnet, er dachte also
an einen friedlichen Dualismus der beiden Großmächte auf Grund der Gleich¬
berechtigung beider. In seinem „Metier" fühlte er sich durchaus wohl, und
sein noch jugendlich elastisches Empfinden war noch stark genug, daß er nach
langer dreißigjähriger Witwerschaft am 17. Mai 1866 mit Hedwig von Olfers
eine zweite Ehe schloß, die ihn tief beglückte und ihm auch die Trauer über
den Tod seines greisen Onkels Rudolf Abeken (24. Februar) überwinden half.

So brach der Krieg von 1866 über ihn herein, ohne daß er an den
Vorbereitungen dazu einen recht innerlichen Anteil genommen hätte, aber er
riß ihn stärker in seine Wirbel hinein, als er jemals erwartet hatte. Im Ge¬
folge des Königs reiste er am 30. Juni nach dem böhmischen Kriegsschauplatze
ab und traf schon am 2. Juli in demselben Gitschin, „mitten in Feindesland,"
ein, das erst am Tage vor der Abreise in die Hände der Preußen gefallen
war. Zum erstenmale sah er ein Schlachtfeld; „ich hatte nicht geahnt, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/532>, abgerufen am 28.09.2024.