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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe

wand von Kapitalien -- lediglich bei Bezahlung der Aufsichtsbeamten --
dem Staate zufiel, handelt es sich jetzt um den dreißigfachen, aus dem auf¬
zuwendenden Kapital herauszuwirtschaftenden Betrag. Der Staat ist sehr wohl
in der Lage, ein Vergba"unternehmen von diesem Umfange mit Erfolg zu führen,
mit Hilfe seiner vorzüglich geschulten und tüchtigen Beamten. Besitzt er doch
viel umfangreichere derartige Unternehmungen in seinen Kohlengruben und
den Kalisalzwerken, die sehr gut gedeihen! Die Gewinnung des Bernsteins
kann also durch den Staat in demselben Umfange weiter betrieben werden,
wie durch die frühern Privatunternehmer -- vorausgesetzt, daß es gelingt,
die sehr große Ausbeute an Bernstein dauernd zu ebenso guten Preisen wie
früher abzusetzen. Hierin liegt die Schwierigkeit des Unternehmens. Viele
bezweifeln, daß der staatliche Betrieb die Findigkeit und Anpassungsfähigkeit
hat, um einen so der Mode unterworfnen Luxusartikel, wie den Bernstein,
ebenso günstig zu verwerten, wie dies ein tüchtiger Kaufmann kann. Diese
Frage kann erst die Zukunft lösen; schließlich hat es ja der Staat in der
Hand, einem etwaigen starken Sinken der Bernsteinpreise durch Einschränkung
der Produktion zu begegnen. Es ist überhaupt fraglich, ob sich die Bernstein¬
gewinnung immer auf derselben Höhe erhalten kann, wie in den letzten Jahr¬
zehnten. Die Menge des Bernsteins ist zweifellos begrenzt, und man wird
um so schneller mit ihr zu Ende kommen, je lebhafter man den Bergbau darauf
betreibt. Sachverständige glauben, daß der Stein noch etwa 48 Jahre vorhalten
wird. Palmnicken selbst ist schon erschöpft; der Abbau geht nordwärts längs
der samländischen Westküste weiter.

Es ist nicht mit Unrecht behauptet worden, daß sich die Handelswege
des Bernsteins in ein gewisses Dunkel hüllen. In frühern Jahrhunderten
fanden sich die Orientalen selbst, insbesondre Armenier und Juden in Königs¬
berg ein, um den kostbaren Stein zu erhandeln; im siebzehnten Jahrhundert
waren es, nach Chappuzeaus*) Zeugnis, insbesondre die Holländer, die einen
lohnenden Handel mit Bernstein nach Indien unterhielten. Im achtzehnten
Jahrhundert ließen englische Kaufleute vielen Bernstein in Königsberg ein¬
kaufen und schickten ihn nach Alexandria und Smyrna, von wo er weiter ver¬
trieben wurde. Jedenfalls ist der Bernsteinhandel zu allen Zeiten ein zwar
gewinnbringendes, jedoch wechselvolles und unsicheres Geschäft gewesen. Aber
nehmen wir an, daß es der Regierung gelingt, sich mit Hilfe der von Becker
geschaffnen Handelseinrichtungen und gewisser fester Abnehmer vor Verlusten
zu schützen, daß sie ferner imstande ist, einen durch die zu große Ausbeute an
Bernstein bei geringerm Absatz eintretenden Preissturz durch Einschränkung
des Bergbaus zu verhindern, so droht dem Bernstein noch die große Gefahr
der Wertverminderung durch die Preßbernsteinfabrikation. Die Negierung wird



LImxxnsomi, l/^IIsm-^us xrot"8kaltes. Genf, 1671-
Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe

wand von Kapitalien — lediglich bei Bezahlung der Aufsichtsbeamten —
dem Staate zufiel, handelt es sich jetzt um den dreißigfachen, aus dem auf¬
zuwendenden Kapital herauszuwirtschaftenden Betrag. Der Staat ist sehr wohl
in der Lage, ein Vergba»unternehmen von diesem Umfange mit Erfolg zu führen,
mit Hilfe seiner vorzüglich geschulten und tüchtigen Beamten. Besitzt er doch
viel umfangreichere derartige Unternehmungen in seinen Kohlengruben und
den Kalisalzwerken, die sehr gut gedeihen! Die Gewinnung des Bernsteins
kann also durch den Staat in demselben Umfange weiter betrieben werden,
wie durch die frühern Privatunternehmer — vorausgesetzt, daß es gelingt,
die sehr große Ausbeute an Bernstein dauernd zu ebenso guten Preisen wie
früher abzusetzen. Hierin liegt die Schwierigkeit des Unternehmens. Viele
bezweifeln, daß der staatliche Betrieb die Findigkeit und Anpassungsfähigkeit
hat, um einen so der Mode unterworfnen Luxusartikel, wie den Bernstein,
ebenso günstig zu verwerten, wie dies ein tüchtiger Kaufmann kann. Diese
Frage kann erst die Zukunft lösen; schließlich hat es ja der Staat in der
Hand, einem etwaigen starken Sinken der Bernsteinpreise durch Einschränkung
der Produktion zu begegnen. Es ist überhaupt fraglich, ob sich die Bernstein¬
gewinnung immer auf derselben Höhe erhalten kann, wie in den letzten Jahr¬
zehnten. Die Menge des Bernsteins ist zweifellos begrenzt, und man wird
um so schneller mit ihr zu Ende kommen, je lebhafter man den Bergbau darauf
betreibt. Sachverständige glauben, daß der Stein noch etwa 48 Jahre vorhalten
wird. Palmnicken selbst ist schon erschöpft; der Abbau geht nordwärts längs
der samländischen Westküste weiter.

Es ist nicht mit Unrecht behauptet worden, daß sich die Handelswege
des Bernsteins in ein gewisses Dunkel hüllen. In frühern Jahrhunderten
fanden sich die Orientalen selbst, insbesondre Armenier und Juden in Königs¬
berg ein, um den kostbaren Stein zu erhandeln; im siebzehnten Jahrhundert
waren es, nach Chappuzeaus*) Zeugnis, insbesondre die Holländer, die einen
lohnenden Handel mit Bernstein nach Indien unterhielten. Im achtzehnten
Jahrhundert ließen englische Kaufleute vielen Bernstein in Königsberg ein¬
kaufen und schickten ihn nach Alexandria und Smyrna, von wo er weiter ver¬
trieben wurde. Jedenfalls ist der Bernsteinhandel zu allen Zeiten ein zwar
gewinnbringendes, jedoch wechselvolles und unsicheres Geschäft gewesen. Aber
nehmen wir an, daß es der Regierung gelingt, sich mit Hilfe der von Becker
geschaffnen Handelseinrichtungen und gewisser fester Abnehmer vor Verlusten
zu schützen, daß sie ferner imstande ist, einen durch die zu große Ausbeute an
Bernstein bei geringerm Absatz eintretenden Preissturz durch Einschränkung
des Bergbaus zu verhindern, so droht dem Bernstein noch die große Gefahr
der Wertverminderung durch die Preßbernsteinfabrikation. Die Negierung wird



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[0195] Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe wand von Kapitalien — lediglich bei Bezahlung der Aufsichtsbeamten — dem Staate zufiel, handelt es sich jetzt um den dreißigfachen, aus dem auf¬ zuwendenden Kapital herauszuwirtschaftenden Betrag. Der Staat ist sehr wohl in der Lage, ein Vergba»unternehmen von diesem Umfange mit Erfolg zu führen, mit Hilfe seiner vorzüglich geschulten und tüchtigen Beamten. Besitzt er doch viel umfangreichere derartige Unternehmungen in seinen Kohlengruben und den Kalisalzwerken, die sehr gut gedeihen! Die Gewinnung des Bernsteins kann also durch den Staat in demselben Umfange weiter betrieben werden, wie durch die frühern Privatunternehmer — vorausgesetzt, daß es gelingt, die sehr große Ausbeute an Bernstein dauernd zu ebenso guten Preisen wie früher abzusetzen. Hierin liegt die Schwierigkeit des Unternehmens. Viele bezweifeln, daß der staatliche Betrieb die Findigkeit und Anpassungsfähigkeit hat, um einen so der Mode unterworfnen Luxusartikel, wie den Bernstein, ebenso günstig zu verwerten, wie dies ein tüchtiger Kaufmann kann. Diese Frage kann erst die Zukunft lösen; schließlich hat es ja der Staat in der Hand, einem etwaigen starken Sinken der Bernsteinpreise durch Einschränkung der Produktion zu begegnen. Es ist überhaupt fraglich, ob sich die Bernstein¬ gewinnung immer auf derselben Höhe erhalten kann, wie in den letzten Jahr¬ zehnten. Die Menge des Bernsteins ist zweifellos begrenzt, und man wird um so schneller mit ihr zu Ende kommen, je lebhafter man den Bergbau darauf betreibt. Sachverständige glauben, daß der Stein noch etwa 48 Jahre vorhalten wird. Palmnicken selbst ist schon erschöpft; der Abbau geht nordwärts längs der samländischen Westküste weiter. Es ist nicht mit Unrecht behauptet worden, daß sich die Handelswege des Bernsteins in ein gewisses Dunkel hüllen. In frühern Jahrhunderten fanden sich die Orientalen selbst, insbesondre Armenier und Juden in Königs¬ berg ein, um den kostbaren Stein zu erhandeln; im siebzehnten Jahrhundert waren es, nach Chappuzeaus*) Zeugnis, insbesondre die Holländer, die einen lohnenden Handel mit Bernstein nach Indien unterhielten. Im achtzehnten Jahrhundert ließen englische Kaufleute vielen Bernstein in Königsberg ein¬ kaufen und schickten ihn nach Alexandria und Smyrna, von wo er weiter ver¬ trieben wurde. Jedenfalls ist der Bernsteinhandel zu allen Zeiten ein zwar gewinnbringendes, jedoch wechselvolles und unsicheres Geschäft gewesen. Aber nehmen wir an, daß es der Regierung gelingt, sich mit Hilfe der von Becker geschaffnen Handelseinrichtungen und gewisser fester Abnehmer vor Verlusten zu schützen, daß sie ferner imstande ist, einen durch die zu große Ausbeute an Bernstein bei geringerm Absatz eintretenden Preissturz durch Einschränkung des Bergbaus zu verhindern, so droht dem Bernstein noch die große Gefahr der Wertverminderung durch die Preßbernsteinfabrikation. Die Negierung wird LImxxnsomi, l/^IIsm-^us xrot«8kaltes. Genf, 1671-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/195>, abgerufen am 28.09.2024.