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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe

sich mit dieser ebenso abzufinden haben, wie Stantien und Becker; sie hat
ebenso wenig andre Mittel zu deren Bekämpfung wie diese. Die Regierungs¬
vertreter haben auch schon offen erklärt, daß die Stellung der Regierung zur
Nachahmungsfabrikation und ihre Geschüftsgrundsätze im wesentlichen keine
andern sein könnten, als die der frühern Besitzer der Werke.

Ob der Kampf gegen den Preßbernstein mit Erfolg geführt werden kann,
scheint mir zweifelhaft, insbesondre wenn das Fabrikat alle Eigenschaften des
natürlichen Bernsteins, dessen Farbe, Zeichnung, Sprödigkeit, dauernd auf¬
weist, ohne die Fehler des Natursteins zu haben, die hauptsächlich in unregel¬
mäßiger Form, ungleichmäßigen Gefüge, innern Hohlräumen usw. bestehn.
In diesem Falle würde es sich bei dem Ambroid keineswegs um eine Nach¬
ahmung, sondern um ein Veredlungsverfahren, um eine Art von Raffinerie
handeln, die einen bessern und für die Verarbeitung brauchbarem Stoff liefert.
Etwa zu vergleichen wäre die Brikettfabrikation, die aus dem früher wertlosen
Steinkohlen- und Braunkohlengrus und Staub wertvolles Material schafft.
Ein Widerspruch gegen diese Fabrikation hat sich nicht erhoben, weil eine
Wertverminderung der nach einem einheitlichen Preise und dem Gewicht ge-
handelten Stückkohlen durch sie nicht eingetreten ist. Beim Bernstein dagegen
ist ein Preisrückgang durch das gepreßte Fabrikat unvermeidlich, da die großen
Stücke der Seltenheit ihres natürlichen Vorkommens halber bisher einen hohen
Überpreis erzielt haben, der in schnellerm Verhältnis wächst als ihre Größe.
Dieser Überpreis wäre einem Verfahren gegenüber, das Stücke von fast be¬
liebiger Größe und denselben Eigenschaften hervorbringt, nicht mehr zu halten,
ebenso wenig, wie der Überpreis für große Diamanten bestehn bleiben könnte,
wenn es heute gelänge, kleine Steine zu großen, für den Schliff ebenso wie
die Natursteine geeigneten Stücken zu vereinigen.

Ob das Ambroid die edeln Eigenschaften des Naturbernsteins in dem¬
selben Maße hat oder durch Vervollkommnung des Fabrikationsverfahrens mit
diesen Eigenschaften ausgerüstet werden kann, läßt sich nicht mit Sicherheit
angeben. Einzelne Stimmen behaupten, daß es sich auf die Dauer nicht
hält und unter der Einwirkung der Sonne weiß wird. Damit wäre aller¬
dings seine Minderwertigkeit gegen den Naturbernstein erwiesen. Im übrigen
hat der Preßbernstein höchst schätzbare Eigenschaften; er läßt sich nicht nur in
allen Färbungen und Spielarten des Naturbernsteins herstellen, sondern auch
in allen möglichen andern Farbenstellungen. Meiner Ansicht nach gehört die
Zukunft der gangbaren Bernsteinhandelsware dem Preßbernstein; insbesondre
was die Nauchrequistten und die Perlenfabrikation für den Bedarf fremder
Völker anbelangt. Da diese Gegenstände der Abnutzung und einem raschen
Verbrauch ausgesetzt sind, so liegt kein Grund vor, den Ersatz des Natur-
berusteins durch das Ambroid zu bekämpfen. Allerdings müßte der Staat
die Ambroidfabrikativn in der Hand behalten und durch eine den Eigenschaften


Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe

sich mit dieser ebenso abzufinden haben, wie Stantien und Becker; sie hat
ebenso wenig andre Mittel zu deren Bekämpfung wie diese. Die Regierungs¬
vertreter haben auch schon offen erklärt, daß die Stellung der Regierung zur
Nachahmungsfabrikation und ihre Geschüftsgrundsätze im wesentlichen keine
andern sein könnten, als die der frühern Besitzer der Werke.

Ob der Kampf gegen den Preßbernstein mit Erfolg geführt werden kann,
scheint mir zweifelhaft, insbesondre wenn das Fabrikat alle Eigenschaften des
natürlichen Bernsteins, dessen Farbe, Zeichnung, Sprödigkeit, dauernd auf¬
weist, ohne die Fehler des Natursteins zu haben, die hauptsächlich in unregel¬
mäßiger Form, ungleichmäßigen Gefüge, innern Hohlräumen usw. bestehn.
In diesem Falle würde es sich bei dem Ambroid keineswegs um eine Nach¬
ahmung, sondern um ein Veredlungsverfahren, um eine Art von Raffinerie
handeln, die einen bessern und für die Verarbeitung brauchbarem Stoff liefert.
Etwa zu vergleichen wäre die Brikettfabrikation, die aus dem früher wertlosen
Steinkohlen- und Braunkohlengrus und Staub wertvolles Material schafft.
Ein Widerspruch gegen diese Fabrikation hat sich nicht erhoben, weil eine
Wertverminderung der nach einem einheitlichen Preise und dem Gewicht ge-
handelten Stückkohlen durch sie nicht eingetreten ist. Beim Bernstein dagegen
ist ein Preisrückgang durch das gepreßte Fabrikat unvermeidlich, da die großen
Stücke der Seltenheit ihres natürlichen Vorkommens halber bisher einen hohen
Überpreis erzielt haben, der in schnellerm Verhältnis wächst als ihre Größe.
Dieser Überpreis wäre einem Verfahren gegenüber, das Stücke von fast be¬
liebiger Größe und denselben Eigenschaften hervorbringt, nicht mehr zu halten,
ebenso wenig, wie der Überpreis für große Diamanten bestehn bleiben könnte,
wenn es heute gelänge, kleine Steine zu großen, für den Schliff ebenso wie
die Natursteine geeigneten Stücken zu vereinigen.

Ob das Ambroid die edeln Eigenschaften des Naturbernsteins in dem¬
selben Maße hat oder durch Vervollkommnung des Fabrikationsverfahrens mit
diesen Eigenschaften ausgerüstet werden kann, läßt sich nicht mit Sicherheit
angeben. Einzelne Stimmen behaupten, daß es sich auf die Dauer nicht
hält und unter der Einwirkung der Sonne weiß wird. Damit wäre aller¬
dings seine Minderwertigkeit gegen den Naturbernstein erwiesen. Im übrigen
hat der Preßbernstein höchst schätzbare Eigenschaften; er läßt sich nicht nur in
allen Färbungen und Spielarten des Naturbernsteins herstellen, sondern auch
in allen möglichen andern Farbenstellungen. Meiner Ansicht nach gehört die
Zukunft der gangbaren Bernsteinhandelsware dem Preßbernstein; insbesondre
was die Nauchrequistten und die Perlenfabrikation für den Bedarf fremder
Völker anbelangt. Da diese Gegenstände der Abnutzung und einem raschen
Verbrauch ausgesetzt sind, so liegt kein Grund vor, den Ersatz des Natur-
berusteins durch das Ambroid zu bekämpfen. Allerdings müßte der Staat
die Ambroidfabrikativn in der Hand behalten und durch eine den Eigenschaften


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[0196] Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe sich mit dieser ebenso abzufinden haben, wie Stantien und Becker; sie hat ebenso wenig andre Mittel zu deren Bekämpfung wie diese. Die Regierungs¬ vertreter haben auch schon offen erklärt, daß die Stellung der Regierung zur Nachahmungsfabrikation und ihre Geschüftsgrundsätze im wesentlichen keine andern sein könnten, als die der frühern Besitzer der Werke. Ob der Kampf gegen den Preßbernstein mit Erfolg geführt werden kann, scheint mir zweifelhaft, insbesondre wenn das Fabrikat alle Eigenschaften des natürlichen Bernsteins, dessen Farbe, Zeichnung, Sprödigkeit, dauernd auf¬ weist, ohne die Fehler des Natursteins zu haben, die hauptsächlich in unregel¬ mäßiger Form, ungleichmäßigen Gefüge, innern Hohlräumen usw. bestehn. In diesem Falle würde es sich bei dem Ambroid keineswegs um eine Nach¬ ahmung, sondern um ein Veredlungsverfahren, um eine Art von Raffinerie handeln, die einen bessern und für die Verarbeitung brauchbarem Stoff liefert. Etwa zu vergleichen wäre die Brikettfabrikation, die aus dem früher wertlosen Steinkohlen- und Braunkohlengrus und Staub wertvolles Material schafft. Ein Widerspruch gegen diese Fabrikation hat sich nicht erhoben, weil eine Wertverminderung der nach einem einheitlichen Preise und dem Gewicht ge- handelten Stückkohlen durch sie nicht eingetreten ist. Beim Bernstein dagegen ist ein Preisrückgang durch das gepreßte Fabrikat unvermeidlich, da die großen Stücke der Seltenheit ihres natürlichen Vorkommens halber bisher einen hohen Überpreis erzielt haben, der in schnellerm Verhältnis wächst als ihre Größe. Dieser Überpreis wäre einem Verfahren gegenüber, das Stücke von fast be¬ liebiger Größe und denselben Eigenschaften hervorbringt, nicht mehr zu halten, ebenso wenig, wie der Überpreis für große Diamanten bestehn bleiben könnte, wenn es heute gelänge, kleine Steine zu großen, für den Schliff ebenso wie die Natursteine geeigneten Stücken zu vereinigen. Ob das Ambroid die edeln Eigenschaften des Naturbernsteins in dem¬ selben Maße hat oder durch Vervollkommnung des Fabrikationsverfahrens mit diesen Eigenschaften ausgerüstet werden kann, läßt sich nicht mit Sicherheit angeben. Einzelne Stimmen behaupten, daß es sich auf die Dauer nicht hält und unter der Einwirkung der Sonne weiß wird. Damit wäre aller¬ dings seine Minderwertigkeit gegen den Naturbernstein erwiesen. Im übrigen hat der Preßbernstein höchst schätzbare Eigenschaften; er läßt sich nicht nur in allen Färbungen und Spielarten des Naturbernsteins herstellen, sondern auch in allen möglichen andern Farbenstellungen. Meiner Ansicht nach gehört die Zukunft der gangbaren Bernsteinhandelsware dem Preßbernstein; insbesondre was die Nauchrequistten und die Perlenfabrikation für den Bedarf fremder Völker anbelangt. Da diese Gegenstände der Abnutzung und einem raschen Verbrauch ausgesetzt sind, so liegt kein Grund vor, den Ersatz des Natur- berusteins durch das Ambroid zu bekämpfen. Allerdings müßte der Staat die Ambroidfabrikativn in der Hand behalten und durch eine den Eigenschaften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/196>, abgerufen am 28.09.2024.