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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe

uns und erscheint in der "Willkür der drei Städte Königsberg" von 1394,
in der jedem verboten wird, unbearbeiteten Bernstein auch nur zu besitze", als
vollständig feststehend. Genannt wird der Bernstein zum erstenmale in einer
Tauschurkunde des Bischofs Heinrich von Samland mit dem Deutschen Orden
von 1264; es ist dort davon die Rede, daß in Witlandesort -- der süd¬
westlichen Spitze des Samlandes -- gewisse Steine gefunden würden, die
"Vurnesteyn" genannt werden/') und von denen zwei Drittel dem Orden, ein
Drittel dem Bischof zufallen sollen.

Von dieser Zeit an beginnt die fünf und ein halbes Jahrhundert (bis
1811) dauernde Periode, in der der Staat das Regal selbst verwertet, die
Gewinnung des Bernsteins durch die Strandbewohner vornehmen und durch
seine Beamten überwachen läßt. Die Vernsteingewinnung hat ebensowenig in
besondrer Weise das Glück und die Wohlfahrt Ostpreußens gefördert, wie z. B.
der Besitz der peruanischen Goldgruben für Spanien segenbringend gewesen
ist. Sie hat nicht die Landeskultur auf eine höhere Stufe gebracht, ja der
Landesregierung nicht einmal immer hohe Erträge geliefert. Die zum Sammeln
und Abliefern des Bernsteins verpflichteten Strandbewohner blieben arme, un¬
wissende Fischer; das Land hatte keinen Nutzen von dem Regal. Trotz der
harten Strafen, die auf den Bernsteindiebstahl gesetzt waren, trotz der ver¬
schärften Strandordnungen und der Überwachung durch die Strandwächter
waren Unterschlagungen an der Tagesordnung. Der Fluch des Regals äußerte
sich darin, daß es entsittlichend auf die Bevölkerung wirkte, insbesondre als
dieser unter dem Großen Kurfürsten der sogenannte Strandeid auferlegt wurde.
In diesem mußte jeder Erwachsene schwören, nicht nur selbst keinen Bernstein
zu entwenden, sondern auch jeden Fall von Unterschlagung, auch wenn dieser
seine Angehörigen betraf, anzuzeigen.

Im sechzehnten Jahrhundert, unter der Regierung des Herzogs Albrecht,
erfolgte die Verwertung des Bernsteins durch eine Handelsgesellschaft von
Danziger Kaufleuten, an deren Spitze Paul Jaski oder Jeske, ein Vorfahre
der heute noch blühenden Familie Kühn von Jaski stand. Diese Handels¬
gesellschaft übernahm von dem Herzoge von Preußen den Bernstein (mit Aus¬
nahme einiger seltner", der Herrschaft vorbehaltnen Sorten) zu einem bestimmten
Einheitspreise. Beinahe ein Jahrhundert lang hatte die Familie Jaski den
Bernsteinhandel vollständig in ihren Händen und verstand es, sich durch große
Rührigkeit und Betriebsamkeit, durch Reisen nach den Hafenplätzen des süd¬
lichen Europas, selbst nach Konstantinopel, im fernen Orient lohnende Absatz¬
quellen zu eröffnen. Die damaligen Verhältnisse haben mit denen der letzten
Jahrzehnte unsers Jahrhunderts eine gewisse Ähnlichkeit; es fand eine Art
von thatsächlichem Monopol statt, wenn es erlaubt ist, dieses Wort in diesem



Wölky und Mendthal, Urkundenbuch des Bistums Samland. 1891. S, 51.
Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe

uns und erscheint in der „Willkür der drei Städte Königsberg" von 1394,
in der jedem verboten wird, unbearbeiteten Bernstein auch nur zu besitze«, als
vollständig feststehend. Genannt wird der Bernstein zum erstenmale in einer
Tauschurkunde des Bischofs Heinrich von Samland mit dem Deutschen Orden
von 1264; es ist dort davon die Rede, daß in Witlandesort — der süd¬
westlichen Spitze des Samlandes — gewisse Steine gefunden würden, die
„Vurnesteyn" genannt werden/') und von denen zwei Drittel dem Orden, ein
Drittel dem Bischof zufallen sollen.

Von dieser Zeit an beginnt die fünf und ein halbes Jahrhundert (bis
1811) dauernde Periode, in der der Staat das Regal selbst verwertet, die
Gewinnung des Bernsteins durch die Strandbewohner vornehmen und durch
seine Beamten überwachen läßt. Die Vernsteingewinnung hat ebensowenig in
besondrer Weise das Glück und die Wohlfahrt Ostpreußens gefördert, wie z. B.
der Besitz der peruanischen Goldgruben für Spanien segenbringend gewesen
ist. Sie hat nicht die Landeskultur auf eine höhere Stufe gebracht, ja der
Landesregierung nicht einmal immer hohe Erträge geliefert. Die zum Sammeln
und Abliefern des Bernsteins verpflichteten Strandbewohner blieben arme, un¬
wissende Fischer; das Land hatte keinen Nutzen von dem Regal. Trotz der
harten Strafen, die auf den Bernsteindiebstahl gesetzt waren, trotz der ver¬
schärften Strandordnungen und der Überwachung durch die Strandwächter
waren Unterschlagungen an der Tagesordnung. Der Fluch des Regals äußerte
sich darin, daß es entsittlichend auf die Bevölkerung wirkte, insbesondre als
dieser unter dem Großen Kurfürsten der sogenannte Strandeid auferlegt wurde.
In diesem mußte jeder Erwachsene schwören, nicht nur selbst keinen Bernstein
zu entwenden, sondern auch jeden Fall von Unterschlagung, auch wenn dieser
seine Angehörigen betraf, anzuzeigen.

Im sechzehnten Jahrhundert, unter der Regierung des Herzogs Albrecht,
erfolgte die Verwertung des Bernsteins durch eine Handelsgesellschaft von
Danziger Kaufleuten, an deren Spitze Paul Jaski oder Jeske, ein Vorfahre
der heute noch blühenden Familie Kühn von Jaski stand. Diese Handels¬
gesellschaft übernahm von dem Herzoge von Preußen den Bernstein (mit Aus¬
nahme einiger seltner«, der Herrschaft vorbehaltnen Sorten) zu einem bestimmten
Einheitspreise. Beinahe ein Jahrhundert lang hatte die Familie Jaski den
Bernsteinhandel vollständig in ihren Händen und verstand es, sich durch große
Rührigkeit und Betriebsamkeit, durch Reisen nach den Hafenplätzen des süd¬
lichen Europas, selbst nach Konstantinopel, im fernen Orient lohnende Absatz¬
quellen zu eröffnen. Die damaligen Verhältnisse haben mit denen der letzten
Jahrzehnte unsers Jahrhunderts eine gewisse Ähnlichkeit; es fand eine Art
von thatsächlichem Monopol statt, wenn es erlaubt ist, dieses Wort in diesem



Wölky und Mendthal, Urkundenbuch des Bistums Samland. 1891. S, 51.
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[0190] Der Bernstein als Stoff für das Kunstgewerbe uns und erscheint in der „Willkür der drei Städte Königsberg" von 1394, in der jedem verboten wird, unbearbeiteten Bernstein auch nur zu besitze«, als vollständig feststehend. Genannt wird der Bernstein zum erstenmale in einer Tauschurkunde des Bischofs Heinrich von Samland mit dem Deutschen Orden von 1264; es ist dort davon die Rede, daß in Witlandesort — der süd¬ westlichen Spitze des Samlandes — gewisse Steine gefunden würden, die „Vurnesteyn" genannt werden/') und von denen zwei Drittel dem Orden, ein Drittel dem Bischof zufallen sollen. Von dieser Zeit an beginnt die fünf und ein halbes Jahrhundert (bis 1811) dauernde Periode, in der der Staat das Regal selbst verwertet, die Gewinnung des Bernsteins durch die Strandbewohner vornehmen und durch seine Beamten überwachen läßt. Die Vernsteingewinnung hat ebensowenig in besondrer Weise das Glück und die Wohlfahrt Ostpreußens gefördert, wie z. B. der Besitz der peruanischen Goldgruben für Spanien segenbringend gewesen ist. Sie hat nicht die Landeskultur auf eine höhere Stufe gebracht, ja der Landesregierung nicht einmal immer hohe Erträge geliefert. Die zum Sammeln und Abliefern des Bernsteins verpflichteten Strandbewohner blieben arme, un¬ wissende Fischer; das Land hatte keinen Nutzen von dem Regal. Trotz der harten Strafen, die auf den Bernsteindiebstahl gesetzt waren, trotz der ver¬ schärften Strandordnungen und der Überwachung durch die Strandwächter waren Unterschlagungen an der Tagesordnung. Der Fluch des Regals äußerte sich darin, daß es entsittlichend auf die Bevölkerung wirkte, insbesondre als dieser unter dem Großen Kurfürsten der sogenannte Strandeid auferlegt wurde. In diesem mußte jeder Erwachsene schwören, nicht nur selbst keinen Bernstein zu entwenden, sondern auch jeden Fall von Unterschlagung, auch wenn dieser seine Angehörigen betraf, anzuzeigen. Im sechzehnten Jahrhundert, unter der Regierung des Herzogs Albrecht, erfolgte die Verwertung des Bernsteins durch eine Handelsgesellschaft von Danziger Kaufleuten, an deren Spitze Paul Jaski oder Jeske, ein Vorfahre der heute noch blühenden Familie Kühn von Jaski stand. Diese Handels¬ gesellschaft übernahm von dem Herzoge von Preußen den Bernstein (mit Aus¬ nahme einiger seltner«, der Herrschaft vorbehaltnen Sorten) zu einem bestimmten Einheitspreise. Beinahe ein Jahrhundert lang hatte die Familie Jaski den Bernsteinhandel vollständig in ihren Händen und verstand es, sich durch große Rührigkeit und Betriebsamkeit, durch Reisen nach den Hafenplätzen des süd¬ lichen Europas, selbst nach Konstantinopel, im fernen Orient lohnende Absatz¬ quellen zu eröffnen. Die damaligen Verhältnisse haben mit denen der letzten Jahrzehnte unsers Jahrhunderts eine gewisse Ähnlichkeit; es fand eine Art von thatsächlichem Monopol statt, wenn es erlaubt ist, dieses Wort in diesem Wölky und Mendthal, Urkundenbuch des Bistums Samland. 1891. S, 51.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/190>, abgerufen am 28.09.2024.