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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Annstgewerbe

Bernstein zu den mannigfachsten Gegenständen, wie Plinius berichtet, zu Trink¬
gefäßen, zu Verzierungen des Hausgeräth, zu bildnerischen Darstellungen.
Der unter Hadrian lebende Pausanias aus Kleinasien erzählt von einem Bilde
des Augustus aus Bernstein, das im Zeustempel zu Olympia aufbewahrt
wurde. Außerdem glaubte man damals (wie auch noch in späterer Zeit) an
die Wirkung des Bernsteins als Heilmittel und schätzte ihn wegen dieser Eigen¬
schaft hoch. Aus allen Nachrichten geht hervor, daß man mit dem Material
Wohl umzugehen und es wirksam zu verwenden wußte; auch die Kunst, den
Bernstein zu färben, war den Römern nicht unbekannt.

Dagegen spielt der Bernstein im baltisch-orientalischen Handel des Mittel¬
alters sowie in der sogenannten Wikingerzeit -- etwa bis zum Jahre 1000
n. Chr. -- nur eine sehr untergeordnete, kaum nennenswerte Rolle. Die
arabischen Schriftsteller der Zeit erwähnen ihn entweder gar nicht oder nur
beiläufig; die Hauptrolle bei dem Handelsverkehr mit dem Orient spielte nicht
der Bernstein, wie man lange geglaubt hat, sondern Pelzwerk und Sklaven.
In den vorgeschichtlichen Funden aus der Wikingerzeit (neuntes und zehntes
Jahrhundert v. Chr.) ist der Bernstein nicht vertreten. Der Bericht des angel¬
sächsischen Seefahrers Wulfstatt aus dem neunten Jahrhundert, der eine Be¬
schreibung des Preußenlandes enthält, berichtet nichts vom Bernstein. Dieser
muß demnach bei den Skandinaviern und den handeltreibenden und seefahrenden
Nordländern des Mittelalters nicht sehr geschätzt worden sein.

Auch in seiner Heimat scheint er -- vielleicht die älteste Kulturperiode
der Steinwerkzeuge ausgenommen -- nicht in besonderm Ansehen gestanden
zu haben. Gegenstünde aus Bernstein sind dort in den vorgeschichtlichen
Funden fast seltner, als im Binnenlande und außerhalb Deutschlands. In
größerer Anzahl sind sie nur bei den Bernsteinbaggerungen im Kurischen Haff
in der Nähe von Schwarzort zum Vorschein gekommen; sie bestehen haupt¬
sächlich in wenig bearbeiteten Perlen, Scheiben, Ringen und Hängestücken ver-
schiedner Form, sowie in sehr roh gebildeten menschlichen Figuren oder Idolen;
alle diese Funde gehören der Steinzeit an. Bis zur Besitzergreifung des
Samlands durch die Ritter des Deutschen Ordens in der zweiten Hälfte des
dreizehnten Jahrhunderts erfahren wir aus einheimischen Quellen nichts über
die Gewinnung, den Handel und die Verarbeitung des Bernsteins. Das
Regalrecht auf den gefundnen Bernstein nahm der Deutsche Orden -- wohl
nach dem Beispiel der Herzöge von Pomerellen, wo ebenfalls das Regal und
Monopol bestand -- bald nach seiner Festsetzung im Lande für sich in An¬
spruch.") das Monopolrecht bildete sich im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts



Eine gute Übersicht über die frühern Verhältnisse gewährt W. Tesdorpf, Gewinnung,
Verarbeitung und Handel des Bernsteins in Preußen. staatswissenschaftliche Studien, Bd. >,
Heft ". Jena, 1887.
Der Bernstein als Stoff für das Annstgewerbe

Bernstein zu den mannigfachsten Gegenständen, wie Plinius berichtet, zu Trink¬
gefäßen, zu Verzierungen des Hausgeräth, zu bildnerischen Darstellungen.
Der unter Hadrian lebende Pausanias aus Kleinasien erzählt von einem Bilde
des Augustus aus Bernstein, das im Zeustempel zu Olympia aufbewahrt
wurde. Außerdem glaubte man damals (wie auch noch in späterer Zeit) an
die Wirkung des Bernsteins als Heilmittel und schätzte ihn wegen dieser Eigen¬
schaft hoch. Aus allen Nachrichten geht hervor, daß man mit dem Material
Wohl umzugehen und es wirksam zu verwenden wußte; auch die Kunst, den
Bernstein zu färben, war den Römern nicht unbekannt.

Dagegen spielt der Bernstein im baltisch-orientalischen Handel des Mittel¬
alters sowie in der sogenannten Wikingerzeit — etwa bis zum Jahre 1000
n. Chr. — nur eine sehr untergeordnete, kaum nennenswerte Rolle. Die
arabischen Schriftsteller der Zeit erwähnen ihn entweder gar nicht oder nur
beiläufig; die Hauptrolle bei dem Handelsverkehr mit dem Orient spielte nicht
der Bernstein, wie man lange geglaubt hat, sondern Pelzwerk und Sklaven.
In den vorgeschichtlichen Funden aus der Wikingerzeit (neuntes und zehntes
Jahrhundert v. Chr.) ist der Bernstein nicht vertreten. Der Bericht des angel¬
sächsischen Seefahrers Wulfstatt aus dem neunten Jahrhundert, der eine Be¬
schreibung des Preußenlandes enthält, berichtet nichts vom Bernstein. Dieser
muß demnach bei den Skandinaviern und den handeltreibenden und seefahrenden
Nordländern des Mittelalters nicht sehr geschätzt worden sein.

Auch in seiner Heimat scheint er — vielleicht die älteste Kulturperiode
der Steinwerkzeuge ausgenommen — nicht in besonderm Ansehen gestanden
zu haben. Gegenstünde aus Bernstein sind dort in den vorgeschichtlichen
Funden fast seltner, als im Binnenlande und außerhalb Deutschlands. In
größerer Anzahl sind sie nur bei den Bernsteinbaggerungen im Kurischen Haff
in der Nähe von Schwarzort zum Vorschein gekommen; sie bestehen haupt¬
sächlich in wenig bearbeiteten Perlen, Scheiben, Ringen und Hängestücken ver-
schiedner Form, sowie in sehr roh gebildeten menschlichen Figuren oder Idolen;
alle diese Funde gehören der Steinzeit an. Bis zur Besitzergreifung des
Samlands durch die Ritter des Deutschen Ordens in der zweiten Hälfte des
dreizehnten Jahrhunderts erfahren wir aus einheimischen Quellen nichts über
die Gewinnung, den Handel und die Verarbeitung des Bernsteins. Das
Regalrecht auf den gefundnen Bernstein nahm der Deutsche Orden — wohl
nach dem Beispiel der Herzöge von Pomerellen, wo ebenfalls das Regal und
Monopol bestand — bald nach seiner Festsetzung im Lande für sich in An¬
spruch.") das Monopolrecht bildete sich im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts



Eine gute Übersicht über die frühern Verhältnisse gewährt W. Tesdorpf, Gewinnung,
Verarbeitung und Handel des Bernsteins in Preußen. staatswissenschaftliche Studien, Bd. >,
Heft «. Jena, 1887.
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[0189] Der Bernstein als Stoff für das Annstgewerbe Bernstein zu den mannigfachsten Gegenständen, wie Plinius berichtet, zu Trink¬ gefäßen, zu Verzierungen des Hausgeräth, zu bildnerischen Darstellungen. Der unter Hadrian lebende Pausanias aus Kleinasien erzählt von einem Bilde des Augustus aus Bernstein, das im Zeustempel zu Olympia aufbewahrt wurde. Außerdem glaubte man damals (wie auch noch in späterer Zeit) an die Wirkung des Bernsteins als Heilmittel und schätzte ihn wegen dieser Eigen¬ schaft hoch. Aus allen Nachrichten geht hervor, daß man mit dem Material Wohl umzugehen und es wirksam zu verwenden wußte; auch die Kunst, den Bernstein zu färben, war den Römern nicht unbekannt. Dagegen spielt der Bernstein im baltisch-orientalischen Handel des Mittel¬ alters sowie in der sogenannten Wikingerzeit — etwa bis zum Jahre 1000 n. Chr. — nur eine sehr untergeordnete, kaum nennenswerte Rolle. Die arabischen Schriftsteller der Zeit erwähnen ihn entweder gar nicht oder nur beiläufig; die Hauptrolle bei dem Handelsverkehr mit dem Orient spielte nicht der Bernstein, wie man lange geglaubt hat, sondern Pelzwerk und Sklaven. In den vorgeschichtlichen Funden aus der Wikingerzeit (neuntes und zehntes Jahrhundert v. Chr.) ist der Bernstein nicht vertreten. Der Bericht des angel¬ sächsischen Seefahrers Wulfstatt aus dem neunten Jahrhundert, der eine Be¬ schreibung des Preußenlandes enthält, berichtet nichts vom Bernstein. Dieser muß demnach bei den Skandinaviern und den handeltreibenden und seefahrenden Nordländern des Mittelalters nicht sehr geschätzt worden sein. Auch in seiner Heimat scheint er — vielleicht die älteste Kulturperiode der Steinwerkzeuge ausgenommen — nicht in besonderm Ansehen gestanden zu haben. Gegenstünde aus Bernstein sind dort in den vorgeschichtlichen Funden fast seltner, als im Binnenlande und außerhalb Deutschlands. In größerer Anzahl sind sie nur bei den Bernsteinbaggerungen im Kurischen Haff in der Nähe von Schwarzort zum Vorschein gekommen; sie bestehen haupt¬ sächlich in wenig bearbeiteten Perlen, Scheiben, Ringen und Hängestücken ver- schiedner Form, sowie in sehr roh gebildeten menschlichen Figuren oder Idolen; alle diese Funde gehören der Steinzeit an. Bis zur Besitzergreifung des Samlands durch die Ritter des Deutschen Ordens in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts erfahren wir aus einheimischen Quellen nichts über die Gewinnung, den Handel und die Verarbeitung des Bernsteins. Das Regalrecht auf den gefundnen Bernstein nahm der Deutsche Orden — wohl nach dem Beispiel der Herzöge von Pomerellen, wo ebenfalls das Regal und Monopol bestand — bald nach seiner Festsetzung im Lande für sich in An¬ spruch.") das Monopolrecht bildete sich im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts Eine gute Übersicht über die frühern Verhältnisse gewährt W. Tesdorpf, Gewinnung, Verarbeitung und Handel des Bernsteins in Preußen. staatswissenschaftliche Studien, Bd. >, Heft «. Jena, 1887.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/189>, abgerufen am 20.10.2024.