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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Runstgewerbe

Sinne zu gebrauchen. Auch die Streitigkeiten mit den Abnehmern, damals
den Paternostermachern, und mit dem Danziger Bernsteindrehergewerk haben
damals ihre Vorläufer gehabt. Das Danziger Gewerk klagt -- dieselben Be¬
schwerden sind bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts zu ver¬
folgen --, daß ihm der Stein verteuert und nicht in genügender Menge ge¬
liefert würde, während der Lieferant geltend macht, daß sich die Gewerksmit-
glieder auf unrechtmäßigen Nebenwegen Stein verschafften, nicht fleißig und
tüchtig seien und lieber mit billig eingekauften Rohstein handelten, als sich
bemühten, gute Arbeit in hinreichender Menge zu liefern. Man sieht, es sind
dieselben Klagen, die auch in unsrer Zeit vorgebracht wurden. -- Erst dem
Großen Kurfürsten gelang es 1647, gegen Zahlung einer Entschädigungssumme
den Vertrag mit den Jaskis zu lösen. Die Verwertung des gewonnenen
Bernsteins erfolgte nunmehr in der Weise, daß die größern und bessern Sorten,
das Sortiment, in öffentlichen Auktionen versteigert, die geringern Sorten an
die Bernsteindreherzünfte in Königsberg, Danzig und Stolp zu festgesetzten,
ziemlich niedrigen Preisen abgegeben wurden. Königsberg und Stolp wurden
hierbei etwas vor dem zu Polen gehörenden Danzig bevorzugt. Die Bernstein¬
dreherzünfte betrachteten mit der Zeit die billige Überlassung des Bernsteins als
einen Teil ihrer Privilegien, ohne daß sie jedoch durch diese Vergünstigungen
in ihrem Wohlstand oder in ihren Leistungen besonders vorwärts kamen.

Unter solchen Verhältnissen gingen die Einnahmen des Staates aus dem
Bernsteinregal immer mehr zurück; der unter dem Marktpreis an die Zunft¬
mitglieder gelieferte Bernstein wurde von diesen vielfach mit hohem Gewinn
weiter verkauft. Diesem Unwesen dachte man am besten dadurch zu steuern,
daß der Staat die bisher von ihm selbst betriebne Gewinnung aufgab und an
geeignete Unternehmer verpachtete. Diese neue Periode der Verpachtung des
Bernsteinrechts begann im Jahre 1811; zuerst wurde die Ausbeutung des
Regals an einzelne Generalpächter, hinter denen meist Gesellschaften standen,
abgegeben. Da jedoch auch bei diesem Betriebe die Unterschlagungen und Dieb¬
stähle des Bernsteins mit ihren entsittlichenden Wirkungen auf die Strand¬
bewohner nicht aufhörten, so entschloß sich die Negierung 1837, das Regal
an diese selbst zu verpachten. Der Gedanke der Überlassung des Regals an
die Strandbewohner war schon am Anfange unsers Jahrhunderts von dem
Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen, von Auerswald, ausgesprochen und
empfohlen worden; er fand in den dreißiger Jahren einen eifrigen Fürsprecher
in dem mit den Bernsteinverhältnissen vertrauten Königsberger Regierungsrat
Hagen.

Die von der Regierung beabsichtigten Wirkungen der neuen Vergebungsart
blieben nicht aus; die Verhältnisse in den Stranddörfern wurden besser, und
deren Wohlstand hob sich. Nicht in demselben Maße günstig war das Er¬
gebnis für die Regierung. Die viel schwerfälligere, umständlichere und kost-


Der Bernstein als Stoff für das Runstgewerbe

Sinne zu gebrauchen. Auch die Streitigkeiten mit den Abnehmern, damals
den Paternostermachern, und mit dem Danziger Bernsteindrehergewerk haben
damals ihre Vorläufer gehabt. Das Danziger Gewerk klagt — dieselben Be¬
schwerden sind bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts zu ver¬
folgen —, daß ihm der Stein verteuert und nicht in genügender Menge ge¬
liefert würde, während der Lieferant geltend macht, daß sich die Gewerksmit-
glieder auf unrechtmäßigen Nebenwegen Stein verschafften, nicht fleißig und
tüchtig seien und lieber mit billig eingekauften Rohstein handelten, als sich
bemühten, gute Arbeit in hinreichender Menge zu liefern. Man sieht, es sind
dieselben Klagen, die auch in unsrer Zeit vorgebracht wurden. — Erst dem
Großen Kurfürsten gelang es 1647, gegen Zahlung einer Entschädigungssumme
den Vertrag mit den Jaskis zu lösen. Die Verwertung des gewonnenen
Bernsteins erfolgte nunmehr in der Weise, daß die größern und bessern Sorten,
das Sortiment, in öffentlichen Auktionen versteigert, die geringern Sorten an
die Bernsteindreherzünfte in Königsberg, Danzig und Stolp zu festgesetzten,
ziemlich niedrigen Preisen abgegeben wurden. Königsberg und Stolp wurden
hierbei etwas vor dem zu Polen gehörenden Danzig bevorzugt. Die Bernstein¬
dreherzünfte betrachteten mit der Zeit die billige Überlassung des Bernsteins als
einen Teil ihrer Privilegien, ohne daß sie jedoch durch diese Vergünstigungen
in ihrem Wohlstand oder in ihren Leistungen besonders vorwärts kamen.

Unter solchen Verhältnissen gingen die Einnahmen des Staates aus dem
Bernsteinregal immer mehr zurück; der unter dem Marktpreis an die Zunft¬
mitglieder gelieferte Bernstein wurde von diesen vielfach mit hohem Gewinn
weiter verkauft. Diesem Unwesen dachte man am besten dadurch zu steuern,
daß der Staat die bisher von ihm selbst betriebne Gewinnung aufgab und an
geeignete Unternehmer verpachtete. Diese neue Periode der Verpachtung des
Bernsteinrechts begann im Jahre 1811; zuerst wurde die Ausbeutung des
Regals an einzelne Generalpächter, hinter denen meist Gesellschaften standen,
abgegeben. Da jedoch auch bei diesem Betriebe die Unterschlagungen und Dieb¬
stähle des Bernsteins mit ihren entsittlichenden Wirkungen auf die Strand¬
bewohner nicht aufhörten, so entschloß sich die Negierung 1837, das Regal
an diese selbst zu verpachten. Der Gedanke der Überlassung des Regals an
die Strandbewohner war schon am Anfange unsers Jahrhunderts von dem
Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen, von Auerswald, ausgesprochen und
empfohlen worden; er fand in den dreißiger Jahren einen eifrigen Fürsprecher
in dem mit den Bernsteinverhältnissen vertrauten Königsberger Regierungsrat
Hagen.

Die von der Regierung beabsichtigten Wirkungen der neuen Vergebungsart
blieben nicht aus; die Verhältnisse in den Stranddörfern wurden besser, und
deren Wohlstand hob sich. Nicht in demselben Maße günstig war das Er¬
gebnis für die Regierung. Die viel schwerfälligere, umständlichere und kost-


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[0191] Der Bernstein als Stoff für das Runstgewerbe Sinne zu gebrauchen. Auch die Streitigkeiten mit den Abnehmern, damals den Paternostermachern, und mit dem Danziger Bernsteindrehergewerk haben damals ihre Vorläufer gehabt. Das Danziger Gewerk klagt — dieselben Be¬ schwerden sind bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts zu ver¬ folgen —, daß ihm der Stein verteuert und nicht in genügender Menge ge¬ liefert würde, während der Lieferant geltend macht, daß sich die Gewerksmit- glieder auf unrechtmäßigen Nebenwegen Stein verschafften, nicht fleißig und tüchtig seien und lieber mit billig eingekauften Rohstein handelten, als sich bemühten, gute Arbeit in hinreichender Menge zu liefern. Man sieht, es sind dieselben Klagen, die auch in unsrer Zeit vorgebracht wurden. — Erst dem Großen Kurfürsten gelang es 1647, gegen Zahlung einer Entschädigungssumme den Vertrag mit den Jaskis zu lösen. Die Verwertung des gewonnenen Bernsteins erfolgte nunmehr in der Weise, daß die größern und bessern Sorten, das Sortiment, in öffentlichen Auktionen versteigert, die geringern Sorten an die Bernsteindreherzünfte in Königsberg, Danzig und Stolp zu festgesetzten, ziemlich niedrigen Preisen abgegeben wurden. Königsberg und Stolp wurden hierbei etwas vor dem zu Polen gehörenden Danzig bevorzugt. Die Bernstein¬ dreherzünfte betrachteten mit der Zeit die billige Überlassung des Bernsteins als einen Teil ihrer Privilegien, ohne daß sie jedoch durch diese Vergünstigungen in ihrem Wohlstand oder in ihren Leistungen besonders vorwärts kamen. Unter solchen Verhältnissen gingen die Einnahmen des Staates aus dem Bernsteinregal immer mehr zurück; der unter dem Marktpreis an die Zunft¬ mitglieder gelieferte Bernstein wurde von diesen vielfach mit hohem Gewinn weiter verkauft. Diesem Unwesen dachte man am besten dadurch zu steuern, daß der Staat die bisher von ihm selbst betriebne Gewinnung aufgab und an geeignete Unternehmer verpachtete. Diese neue Periode der Verpachtung des Bernsteinrechts begann im Jahre 1811; zuerst wurde die Ausbeutung des Regals an einzelne Generalpächter, hinter denen meist Gesellschaften standen, abgegeben. Da jedoch auch bei diesem Betriebe die Unterschlagungen und Dieb¬ stähle des Bernsteins mit ihren entsittlichenden Wirkungen auf die Strand¬ bewohner nicht aufhörten, so entschloß sich die Negierung 1837, das Regal an diese selbst zu verpachten. Der Gedanke der Überlassung des Regals an die Strandbewohner war schon am Anfange unsers Jahrhunderts von dem Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen, von Auerswald, ausgesprochen und empfohlen worden; er fand in den dreißiger Jahren einen eifrigen Fürsprecher in dem mit den Bernsteinverhältnissen vertrauten Königsberger Regierungsrat Hagen. Die von der Regierung beabsichtigten Wirkungen der neuen Vergebungsart blieben nicht aus; die Verhältnisse in den Stranddörfern wurden besser, und deren Wohlstand hob sich. Nicht in demselben Maße günstig war das Er¬ gebnis für die Regierung. Die viel schwerfälligere, umständlichere und kost-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/191>, abgerufen am 28.09.2024.