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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

der Untersuchung in gewöhnlichen Zeiten von zehn Bewerbern meistens sieben
oder acht zurückgewiesen. Mit ihren einundsiebzig Millionen Einwohnern darf
sich die Union das erlauben! Bei den eingestellten Rekruten ist dann wohl
auch die Durchschnittsintelligenz verhältnismäßig hoch, vielleicht höher als
anderswo bei Soldtruppen. Wir Deutschen verbinden mit dem Wort "Söldner"
meistens einen etwas geringschätzigen Begriff, weil wir ein Volksheer haben,
dem alle Stände angehören. Wir sind daher leicht geneigt, den Wert von
Soldtruppen im Kriegsfall gering anzuschlagen, vielleicht zu gering, wenn wir
bedenken, daß die alten hessischen und braunschweigischen Soldaten mit ihrer
zähen Tapferkeit den Engländern so manche Schlacht schlagen halfen und
wegen ihrer Disziplin "hoch im Preise standen"! So ist jetzt auch die mili¬
tärische Verwendbarkeit der amerikanischen Milizen unterschätzt worden, weil
man vergaß, daß sie zumeist reguläre stehende Regimenter sind, die durch die
ununterbrochnem Ausrottungskämpfe gegen die Indianer an Strapazen gewöhnt
werden und besonders für die Verhältnisse auf Kuba ganz geeignet erscheinen
müssen. Unter diese Regularen verteilt waren die Freiwilligen, ein bunt zu¬
sammengewürfeltes Korps, allerlei dunkle Ehrenmänner, Jäger, Abenteurer,
Mörder (in einem mir bekannt gewordnen Falle wurde ein Verbrecher zufallig
vor der Front von seinem Offizier, der aus demselben Orte kam, erkannt!), aber
neben diesen auch bessere Elemente, darunter Sportsmen und Mitglieder der
verwöhnten Plutokratie von Newyork, in der Mehrzahl junge Männer, die
durch tmimiig' des Körpers und Unternehmungslust kein schlechtes Material
liefern. Diese voluntösrs haben denn auch ihre Feuerprobe recht gut bestanden.
Das ist natürlich wohl wieder ein schlagender Beweis für die Entbehrlichkeit
der stehenden Heere? Keineswegs ist er das, sondern nur für die durch¬
schnittliche Brauchbarkeit und Zähigkeit der Amerikaner. Ein freiwilliges Auf¬
gebot in England und Deutschland") würde ganz ähnliche gute Nasseneigen-
schaften zu Tage fördern, nur mit dem "kleinen" Unterschiede, daß wir uns
nicht in Europa so gemütlich Zeit lassen könnten, um mobil zu werden, und
einem ganz andern Feinde schnell gegenübertreten müßten.

Man darf doch nicht vergessen, daß der stolze Todesmut der spanischen
Soldaten kein hinreichendes Gegengewicht zu bieten vermag gegen ihre mangelnde
Intelligenz. Schwerfälligkeit und das Fehlen jeglicher Initiative hat die spa¬
nische Armee von jeher ausgezeichnet, die nur zu sterben, aber selten zu siegen
verstand. Das hat auch Wellington zu seinem Leidwesen mehr als einmal er¬
fahren. Die spanischen Alliierten waren, vom General bis zum Gemeinen,
mutig, aber -- faul. Ebenso zeigten sie sich gegen die Amerikaner auf Kuba.
Kleine Abteilungen wurden fast aufgerieben, das Ganze blieb unthätig. Wäre es
sonst möglich gewesen, eine gut befestigte Stellung, wie die von Santiago, ohne



*) Beweis: die Befreiungskriege von !>!U!-->,',,
Rassen und Kriege

der Untersuchung in gewöhnlichen Zeiten von zehn Bewerbern meistens sieben
oder acht zurückgewiesen. Mit ihren einundsiebzig Millionen Einwohnern darf
sich die Union das erlauben! Bei den eingestellten Rekruten ist dann wohl
auch die Durchschnittsintelligenz verhältnismäßig hoch, vielleicht höher als
anderswo bei Soldtruppen. Wir Deutschen verbinden mit dem Wort „Söldner"
meistens einen etwas geringschätzigen Begriff, weil wir ein Volksheer haben,
dem alle Stände angehören. Wir sind daher leicht geneigt, den Wert von
Soldtruppen im Kriegsfall gering anzuschlagen, vielleicht zu gering, wenn wir
bedenken, daß die alten hessischen und braunschweigischen Soldaten mit ihrer
zähen Tapferkeit den Engländern so manche Schlacht schlagen halfen und
wegen ihrer Disziplin „hoch im Preise standen"! So ist jetzt auch die mili¬
tärische Verwendbarkeit der amerikanischen Milizen unterschätzt worden, weil
man vergaß, daß sie zumeist reguläre stehende Regimenter sind, die durch die
ununterbrochnem Ausrottungskämpfe gegen die Indianer an Strapazen gewöhnt
werden und besonders für die Verhältnisse auf Kuba ganz geeignet erscheinen
müssen. Unter diese Regularen verteilt waren die Freiwilligen, ein bunt zu¬
sammengewürfeltes Korps, allerlei dunkle Ehrenmänner, Jäger, Abenteurer,
Mörder (in einem mir bekannt gewordnen Falle wurde ein Verbrecher zufallig
vor der Front von seinem Offizier, der aus demselben Orte kam, erkannt!), aber
neben diesen auch bessere Elemente, darunter Sportsmen und Mitglieder der
verwöhnten Plutokratie von Newyork, in der Mehrzahl junge Männer, die
durch tmimiig' des Körpers und Unternehmungslust kein schlechtes Material
liefern. Diese voluntösrs haben denn auch ihre Feuerprobe recht gut bestanden.
Das ist natürlich wohl wieder ein schlagender Beweis für die Entbehrlichkeit
der stehenden Heere? Keineswegs ist er das, sondern nur für die durch¬
schnittliche Brauchbarkeit und Zähigkeit der Amerikaner. Ein freiwilliges Auf¬
gebot in England und Deutschland") würde ganz ähnliche gute Nasseneigen-
schaften zu Tage fördern, nur mit dem „kleinen" Unterschiede, daß wir uns
nicht in Europa so gemütlich Zeit lassen könnten, um mobil zu werden, und
einem ganz andern Feinde schnell gegenübertreten müßten.

Man darf doch nicht vergessen, daß der stolze Todesmut der spanischen
Soldaten kein hinreichendes Gegengewicht zu bieten vermag gegen ihre mangelnde
Intelligenz. Schwerfälligkeit und das Fehlen jeglicher Initiative hat die spa¬
nische Armee von jeher ausgezeichnet, die nur zu sterben, aber selten zu siegen
verstand. Das hat auch Wellington zu seinem Leidwesen mehr als einmal er¬
fahren. Die spanischen Alliierten waren, vom General bis zum Gemeinen,
mutig, aber — faul. Ebenso zeigten sie sich gegen die Amerikaner auf Kuba.
Kleine Abteilungen wurden fast aufgerieben, das Ganze blieb unthätig. Wäre es
sonst möglich gewesen, eine gut befestigte Stellung, wie die von Santiago, ohne



*) Beweis: die Befreiungskriege von !>!U!—>,',,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/180>, abgerufen am 28.09.2024.