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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

kümmert. Nur weil die Verwandten Lärm schlugen über dies neue Glück des
Vetters, das sogar Trödel zu Geld machte, ist mir die Sache hängen geblieben.

Line gab die Schwägerin uns. Am Abend aber, als Karl längst wieder seinen
luftigen Einfällen nachjagte, und nett den Knaben in Schlaf saug, trug sie ihren
Flickkorb, und den zerrissenen Socken der Ackermannschen Buben, zu Mutter Flörke
hinunter.

Die spitzen Reden, die eine Plnuderstunde mit der Wäscheritt jetzt allzeit ein¬
leiteten, lies; sie ohne Unterbrechung hinlaufen. Als die mißvergnügte Schwieger¬
mutter erst einmal vom Herzen hatte, daß man sie vernachlässige, und daß Line
das nicht leiden dürfe, denn wenn die jungen Leute das einmal gewöhnt würden,
käm nach der Mutter auch die Schwester an die Reihe -- wurde sie gemütlich,
holte Kaffee und Kuchen, von denen sie zu allen Tagesstunden vorrätig hatte, und
vertiefte sich mit Genuß in einen kleinen schwatz.

Leicht konnte Line die Rede von den Pfanengebärden der jungen Frau Apo¬
theken" und der wohlgenährten Dummheit der Nachbarin Grunert zur Erbpate
und dem bevorzugten Vetter lenken. Mutter Flörke erging sich zum hundertsten
male in Klagen über das entwischte Geld, als aber Line wieder treppauf stieg,
wußte sie Namen und Wohnung des begünstigten Vetters und schrieb noch in
dieser selben Nacht um die Adresse des Mannes, der verständigen Leuten Trödel
in Geld verwandelte.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Toten von 1897.

Eine Totenliste, die ans nackten Namen besteht,
hat wohl etwas trübseliges, aber der Tod ist kein Übel, wenn er ein tüchtiges
Leben rechtzeitig abschließt, und eine Sammlung von Nekrologen, die, wo es der
Mühe wert war, zu Biographien erweitert worden sind, kann uns eine solche
Summe herrlichsten Lebens vor Augen stellen, daß wir freudig dabei verweile" und
den Tod, den Veranlasse^ darüber beinahe vergessen mögen. Der zweite Jahrgang
des von Anton Bettelheim glücklich eingeführte" Unternehmens: Biographisches
Jahrbuch "ut Deutscher Nekrolog (Berlin, Georg Reimer, 1398), ist ein schönes
Buch geworden, 468 Seiten groß Oktav mit rund 250 Artikeln, wozu noch Nach¬
träge über die 1896 Verstorbnen kommen. Die Organisation des Werkes war für
den Leiter ein großes Stück Arbeit, und nicht minder ist es die Fortführung: die
Artikel sind meistens von Provinzialreferenten verfaßt worden, bei hervorragenden
Verstorbnen sind besondre Verfasser eingetreten. Im ganzen und großen ist hier
nach so kurzer Zeit schon soviel geleistet, daß wir uns zu kritischen Ratschlägen,
wie sie die Vorrede erbittet, nicht berufe" fühlen und lieber zeigen wollen, wie
ein solches Buch mit Nutzen gelesen werden mag.

Zwei unsrer Verstorbnen sind in Heliographie abgebildet, Jakob Burckhardt
und Johannes Brnhins. Sie werde" unter alle" die berühmtesten sein. Als
Kork"rre"te" könnte" wohl "ur noch zwei andre in Frage kommen, mit sehr ver-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

kümmert. Nur weil die Verwandten Lärm schlugen über dies neue Glück des
Vetters, das sogar Trödel zu Geld machte, ist mir die Sache hängen geblieben.

Line gab die Schwägerin uns. Am Abend aber, als Karl längst wieder seinen
luftigen Einfällen nachjagte, und nett den Knaben in Schlaf saug, trug sie ihren
Flickkorb, und den zerrissenen Socken der Ackermannschen Buben, zu Mutter Flörke
hinunter.

Die spitzen Reden, die eine Plnuderstunde mit der Wäscheritt jetzt allzeit ein¬
leiteten, lies; sie ohne Unterbrechung hinlaufen. Als die mißvergnügte Schwieger¬
mutter erst einmal vom Herzen hatte, daß man sie vernachlässige, und daß Line
das nicht leiden dürfe, denn wenn die jungen Leute das einmal gewöhnt würden,
käm nach der Mutter auch die Schwester an die Reihe — wurde sie gemütlich,
holte Kaffee und Kuchen, von denen sie zu allen Tagesstunden vorrätig hatte, und
vertiefte sich mit Genuß in einen kleinen schwatz.

Leicht konnte Line die Rede von den Pfanengebärden der jungen Frau Apo¬
theken» und der wohlgenährten Dummheit der Nachbarin Grunert zur Erbpate
und dem bevorzugten Vetter lenken. Mutter Flörke erging sich zum hundertsten
male in Klagen über das entwischte Geld, als aber Line wieder treppauf stieg,
wußte sie Namen und Wohnung des begünstigten Vetters und schrieb noch in
dieser selben Nacht um die Adresse des Mannes, der verständigen Leuten Trödel
in Geld verwandelte.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Toten von 1897.

Eine Totenliste, die ans nackten Namen besteht,
hat wohl etwas trübseliges, aber der Tod ist kein Übel, wenn er ein tüchtiges
Leben rechtzeitig abschließt, und eine Sammlung von Nekrologen, die, wo es der
Mühe wert war, zu Biographien erweitert worden sind, kann uns eine solche
Summe herrlichsten Lebens vor Augen stellen, daß wir freudig dabei verweile» und
den Tod, den Veranlasse^ darüber beinahe vergessen mögen. Der zweite Jahrgang
des von Anton Bettelheim glücklich eingeführte» Unternehmens: Biographisches
Jahrbuch »ut Deutscher Nekrolog (Berlin, Georg Reimer, 1398), ist ein schönes
Buch geworden, 468 Seiten groß Oktav mit rund 250 Artikeln, wozu noch Nach¬
träge über die 1896 Verstorbnen kommen. Die Organisation des Werkes war für
den Leiter ein großes Stück Arbeit, und nicht minder ist es die Fortführung: die
Artikel sind meistens von Provinzialreferenten verfaßt worden, bei hervorragenden
Verstorbnen sind besondre Verfasser eingetreten. Im ganzen und großen ist hier
nach so kurzer Zeit schon soviel geleistet, daß wir uns zu kritischen Ratschlägen,
wie sie die Vorrede erbittet, nicht berufe» fühlen und lieber zeigen wollen, wie
ein solches Buch mit Nutzen gelesen werden mag.

Zwei unsrer Verstorbnen sind in Heliographie abgebildet, Jakob Burckhardt
und Johannes Brnhins. Sie werde» unter alle» die berühmtesten sein. Als
Kork»rre»te» könnte» wohl »ur noch zwei andre in Frage kommen, mit sehr ver-


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[0683] Maßgebliches und Unmaßgebliches kümmert. Nur weil die Verwandten Lärm schlugen über dies neue Glück des Vetters, das sogar Trödel zu Geld machte, ist mir die Sache hängen geblieben. Line gab die Schwägerin uns. Am Abend aber, als Karl längst wieder seinen luftigen Einfällen nachjagte, und nett den Knaben in Schlaf saug, trug sie ihren Flickkorb, und den zerrissenen Socken der Ackermannschen Buben, zu Mutter Flörke hinunter. Die spitzen Reden, die eine Plnuderstunde mit der Wäscheritt jetzt allzeit ein¬ leiteten, lies; sie ohne Unterbrechung hinlaufen. Als die mißvergnügte Schwieger¬ mutter erst einmal vom Herzen hatte, daß man sie vernachlässige, und daß Line das nicht leiden dürfe, denn wenn die jungen Leute das einmal gewöhnt würden, käm nach der Mutter auch die Schwester an die Reihe — wurde sie gemütlich, holte Kaffee und Kuchen, von denen sie zu allen Tagesstunden vorrätig hatte, und vertiefte sich mit Genuß in einen kleinen schwatz. Leicht konnte Line die Rede von den Pfanengebärden der jungen Frau Apo¬ theken» und der wohlgenährten Dummheit der Nachbarin Grunert zur Erbpate und dem bevorzugten Vetter lenken. Mutter Flörke erging sich zum hundertsten male in Klagen über das entwischte Geld, als aber Line wieder treppauf stieg, wußte sie Namen und Wohnung des begünstigten Vetters und schrieb noch in dieser selben Nacht um die Adresse des Mannes, der verständigen Leuten Trödel in Geld verwandelte. (Schluß folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Toten von 1897. Eine Totenliste, die ans nackten Namen besteht, hat wohl etwas trübseliges, aber der Tod ist kein Übel, wenn er ein tüchtiges Leben rechtzeitig abschließt, und eine Sammlung von Nekrologen, die, wo es der Mühe wert war, zu Biographien erweitert worden sind, kann uns eine solche Summe herrlichsten Lebens vor Augen stellen, daß wir freudig dabei verweile» und den Tod, den Veranlasse^ darüber beinahe vergessen mögen. Der zweite Jahrgang des von Anton Bettelheim glücklich eingeführte» Unternehmens: Biographisches Jahrbuch »ut Deutscher Nekrolog (Berlin, Georg Reimer, 1398), ist ein schönes Buch geworden, 468 Seiten groß Oktav mit rund 250 Artikeln, wozu noch Nach¬ träge über die 1896 Verstorbnen kommen. Die Organisation des Werkes war für den Leiter ein großes Stück Arbeit, und nicht minder ist es die Fortführung: die Artikel sind meistens von Provinzialreferenten verfaßt worden, bei hervorragenden Verstorbnen sind besondre Verfasser eingetreten. Im ganzen und großen ist hier nach so kurzer Zeit schon soviel geleistet, daß wir uns zu kritischen Ratschlägen, wie sie die Vorrede erbittet, nicht berufe» fühlen und lieber zeigen wollen, wie ein solches Buch mit Nutzen gelesen werden mag. Zwei unsrer Verstorbnen sind in Heliographie abgebildet, Jakob Burckhardt und Johannes Brnhins. Sie werde» unter alle» die berühmtesten sein. Als Kork»rre»te» könnte» wohl »ur noch zwei andre in Frage kommen, mit sehr ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/683>, abgerufen am 23.07.2024.