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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Der goldne Lngel

Und dann machte sie Umstände; die Bildung verlangte das, und sie mußte
auch daran erinnern, daß sie eine fleißige Iran sei.

Ja liebes Fräulein Karline, ob ich Zeit hab. ich weiß nicht.

Kommen Sie nnr, sagte Karline ans ihre Art, ohne alle Verbindlichkeit, ich
nehme mir auch den halben Tag frei, mündig wird einer nur einmal im Leben,
und für deu Karl soll der Tag einen großen Abschnitt bedeuten.

Was tausend, mündig wird er, der Herr Scharls? Nein so Was! Dn
kommen wir, el natürlich! -- Was sie weiter sprach, und sie sprach noch eine ganze
Weile, horte Knroline nicht; sowie sie die Znstimninng hatte, ging sie mit kurzem
Kopfnicken ihrer Wege, ins Haus und durch die Hausflur, bis an die Seitenthür
der Schmiede, in der noch der Blasebalg in Schwung war; dort sprach sie einen
Gruß hinein in das Hämmer".

Atom Ackermann, der Schmied, sah auf und nickte mit dein rußigen roten
Gesicht seiner Mieterin heiter zu. Auch nahm er die Einladung ohne weiteres nu;
er wußte schon, um was es sich handelte, und hatte mit Karolinen den Fall als Rat¬
geber hin und her besprochen.

Hier stand sie noch eine Minute still, als sie ihr Ja hatte, und fragte nach
ihrem Verlauf: Wo sind denu die Buben?

Der Schmied lachte.

Schulspaziergang heute; ich denk schon manchmal, ich bin taub geworden, weil
ich keinen Lärm höre.

Karoline lächelte; es war so gerade, als ob die Glut, die vom Schmiedefeuer
über ihr Gesicht flackerte, Zug um Zug Verdrossenheit, Härte und Alter weg¬
wische.

Alle füufe auf und davon?

Alle fünfe, und ich denke, das muß dein ganzen Haus einmal wohlthun.

Warum nicht gar!

Ehrlich, Fräulein Stadel, es sind böse Büheln die Mutter fehlt. Von fünfen
muß ja so wie so schon immer einer das fünfte Rad am Wagen sein, und, weiß
der liebe Gott, das Übcrleie ist einem allemal das nächste. Am Ende sinds wohl
gar lauter fünfte Räder.

Sie versündigen sich, Meister.

Gott behüte, mit vieren möchte ich deshalb noch lange nicht fahren -- es
war nnr so eine Bemerkung, wie der nachdenkliche Mensch sie macht, wenn ihm
gerade das Radreifenlegen geläufig ist.

Ihnen sind noch ganz andre Dinge geläufig, sagte Karoline, von deu Jungen
nblenkend und trat an den Werktisch, ans dem eine Blumenranke lag -- Schmiede-
cirbeit. uoch nicht fertig, aber weit genug, die gefällige Form zu verraten.

Ein Kunstwerk, Meister.

Er lachte vergnügt. Sonntagsarbeit, will sagen: mein Feierabendpläsier! ^ur
erlaubt, wenn ich Zeit hab -- aber Kunstwerk? Behüte, Fräulein Karoline, immer
bescheiden. , ^. ,,

Sie siud wohl ein Künstler, sagte sie eifrig, gerade so ant wie ein nacydenl-
licher Mensch. ^ .

Wollen Sie mir noch einen Spitznamen aufhängen? Das nachdem liebe Haus
heißt meine Schmiede schon, von wegen meiner Redensart und dein Profestor vom
und Ihrem Vater, vor dem die Leute einen höllische" Respekt haben -- in doch.
Fräulein Linchen.

Respekt wie vor einem Schwarzkünstler.


Grenzboten I 1399
Der goldne Lngel

Und dann machte sie Umstände; die Bildung verlangte das, und sie mußte
auch daran erinnern, daß sie eine fleißige Iran sei.

Ja liebes Fräulein Karline, ob ich Zeit hab. ich weiß nicht.

Kommen Sie nnr, sagte Karline ans ihre Art, ohne alle Verbindlichkeit, ich
nehme mir auch den halben Tag frei, mündig wird einer nur einmal im Leben,
und für deu Karl soll der Tag einen großen Abschnitt bedeuten.

Was tausend, mündig wird er, der Herr Scharls? Nein so Was! Dn
kommen wir, el natürlich! — Was sie weiter sprach, und sie sprach noch eine ganze
Weile, horte Knroline nicht; sowie sie die Znstimninng hatte, ging sie mit kurzem
Kopfnicken ihrer Wege, ins Haus und durch die Hausflur, bis an die Seitenthür
der Schmiede, in der noch der Blasebalg in Schwung war; dort sprach sie einen
Gruß hinein in das Hämmer».

Atom Ackermann, der Schmied, sah auf und nickte mit dein rußigen roten
Gesicht seiner Mieterin heiter zu. Auch nahm er die Einladung ohne weiteres nu;
er wußte schon, um was es sich handelte, und hatte mit Karolinen den Fall als Rat¬
geber hin und her besprochen.

Hier stand sie noch eine Minute still, als sie ihr Ja hatte, und fragte nach
ihrem Verlauf: Wo sind denu die Buben?

Der Schmied lachte.

Schulspaziergang heute; ich denk schon manchmal, ich bin taub geworden, weil
ich keinen Lärm höre.

Karoline lächelte; es war so gerade, als ob die Glut, die vom Schmiedefeuer
über ihr Gesicht flackerte, Zug um Zug Verdrossenheit, Härte und Alter weg¬
wische.

Alle füufe auf und davon?

Alle fünfe, und ich denke, das muß dein ganzen Haus einmal wohlthun.

Warum nicht gar!

Ehrlich, Fräulein Stadel, es sind böse Büheln die Mutter fehlt. Von fünfen
muß ja so wie so schon immer einer das fünfte Rad am Wagen sein, und, weiß
der liebe Gott, das Übcrleie ist einem allemal das nächste. Am Ende sinds wohl
gar lauter fünfte Räder.

Sie versündigen sich, Meister.

Gott behüte, mit vieren möchte ich deshalb noch lange nicht fahren — es
war nnr so eine Bemerkung, wie der nachdenkliche Mensch sie macht, wenn ihm
gerade das Radreifenlegen geläufig ist.

Ihnen sind noch ganz andre Dinge geläufig, sagte Karoline, von deu Jungen
nblenkend und trat an den Werktisch, ans dem eine Blumenranke lag — Schmiede-
cirbeit. uoch nicht fertig, aber weit genug, die gefällige Form zu verraten.

Ein Kunstwerk, Meister.

Er lachte vergnügt. Sonntagsarbeit, will sagen: mein Feierabendpläsier! ^ur
erlaubt, wenn ich Zeit hab — aber Kunstwerk? Behüte, Fräulein Karoline, immer
bescheiden. , ^. ,,

Sie siud wohl ein Künstler, sagte sie eifrig, gerade so ant wie ein nacydenl-
licher Mensch. ^ .

Wollen Sie mir noch einen Spitznamen aufhängen? Das nachdem liebe Haus
heißt meine Schmiede schon, von wegen meiner Redensart und dein Profestor vom
und Ihrem Vater, vor dem die Leute einen höllische» Respekt haben — in doch.
Fräulein Linchen.

Respekt wie vor einem Schwarzkünstler.


Grenzboten I 1399
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[0065] Der goldne Lngel Und dann machte sie Umstände; die Bildung verlangte das, und sie mußte auch daran erinnern, daß sie eine fleißige Iran sei. Ja liebes Fräulein Karline, ob ich Zeit hab. ich weiß nicht. Kommen Sie nnr, sagte Karline ans ihre Art, ohne alle Verbindlichkeit, ich nehme mir auch den halben Tag frei, mündig wird einer nur einmal im Leben, und für deu Karl soll der Tag einen großen Abschnitt bedeuten. Was tausend, mündig wird er, der Herr Scharls? Nein so Was! Dn kommen wir, el natürlich! — Was sie weiter sprach, und sie sprach noch eine ganze Weile, horte Knroline nicht; sowie sie die Znstimninng hatte, ging sie mit kurzem Kopfnicken ihrer Wege, ins Haus und durch die Hausflur, bis an die Seitenthür der Schmiede, in der noch der Blasebalg in Schwung war; dort sprach sie einen Gruß hinein in das Hämmer». Atom Ackermann, der Schmied, sah auf und nickte mit dein rußigen roten Gesicht seiner Mieterin heiter zu. Auch nahm er die Einladung ohne weiteres nu; er wußte schon, um was es sich handelte, und hatte mit Karolinen den Fall als Rat¬ geber hin und her besprochen. Hier stand sie noch eine Minute still, als sie ihr Ja hatte, und fragte nach ihrem Verlauf: Wo sind denu die Buben? Der Schmied lachte. Schulspaziergang heute; ich denk schon manchmal, ich bin taub geworden, weil ich keinen Lärm höre. Karoline lächelte; es war so gerade, als ob die Glut, die vom Schmiedefeuer über ihr Gesicht flackerte, Zug um Zug Verdrossenheit, Härte und Alter weg¬ wische. Alle füufe auf und davon? Alle fünfe, und ich denke, das muß dein ganzen Haus einmal wohlthun. Warum nicht gar! Ehrlich, Fräulein Stadel, es sind böse Büheln die Mutter fehlt. Von fünfen muß ja so wie so schon immer einer das fünfte Rad am Wagen sein, und, weiß der liebe Gott, das Übcrleie ist einem allemal das nächste. Am Ende sinds wohl gar lauter fünfte Räder. Sie versündigen sich, Meister. Gott behüte, mit vieren möchte ich deshalb noch lange nicht fahren — es war nnr so eine Bemerkung, wie der nachdenkliche Mensch sie macht, wenn ihm gerade das Radreifenlegen geläufig ist. Ihnen sind noch ganz andre Dinge geläufig, sagte Karoline, von deu Jungen nblenkend und trat an den Werktisch, ans dem eine Blumenranke lag — Schmiede- cirbeit. uoch nicht fertig, aber weit genug, die gefällige Form zu verraten. Ein Kunstwerk, Meister. Er lachte vergnügt. Sonntagsarbeit, will sagen: mein Feierabendpläsier! ^ur erlaubt, wenn ich Zeit hab — aber Kunstwerk? Behüte, Fräulein Karoline, immer bescheiden. , ^. ,, Sie siud wohl ein Künstler, sagte sie eifrig, gerade so ant wie ein nacydenl- licher Mensch. ^ . Wollen Sie mir noch einen Spitznamen aufhängen? Das nachdem liebe Haus heißt meine Schmiede schon, von wegen meiner Redensart und dein Profestor vom und Ihrem Vater, vor dem die Leute einen höllische» Respekt haben — in doch. Fräulein Linchen. Respekt wie vor einem Schwarzkünstler. Grenzboten I 1399

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/65>, abgerufen am 23.07.2024.