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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Khartum

das Kamelkorps lacht Kompagnien) nebst zwei reitenden Batterien ans die
Höhen von Kerreri, drei Kilometer südlich von diesem, anch auf den meisten
Übersichtskarten verzeichneten Orte gelegen. Wie vom Sturm wurden diese
2000 Mann weggefegt, als kurz uach sechs Uhr früh der allgemeine Angriff der
Derwische einsetzte. Die Seitenabteilung wäre vielleicht bis auf den letzten Mann
aufgerieben worden, wenn nicht der auf das englische Lager zurückgehende Teil
durch das Feuer von drei Nilkanvnenbooten gedeckt worden wäre und ein andrer
Teil in schleunigster Flucht -- bis acht Kilometer nördlich Kerreri! -- sein
Heil gesucht hätte. Drei Geschütze fielen in die Hände der Derwische, wurden
aber später wiedergefunden, nicht wiedererobert. Über diese Episode gehn die
englischen Berichte meist glatt hinweg.

Während dessen thun die guten Derwische genau das, was die Engländer
von ihnen erwarten. Zwischen sechs und acht stürmen sie in breiter Front
und in diesen Hansen in der Lücke zwischen den beiden erwähnten Gelände¬
erhebungen (Kerrerihügel im Nordwesten und Dschebel Surgham im Süd¬
westen) vor -- ein sicheres Futter sür die Lydditegranaten, Maschinengewehr¬
lagen, nud die an Grausamkeit dein verrufnen Dum-Dum um nichts nach¬
stehenden Lee-Metfordgeschvsse neusten Musters (Hohlspitzengeschosse). Sie sind
eben übel beraten. Vom Dschebel Snrgham zieht sich eine Geländewelle bis
fast an den Nil heran und nähert sich dem englisch-ägyptischen Flügel bis auf
etwa 1000 Meter. So nahe hätten die Derwische dort gedeckt an den Gegner
herankommen können. Jetzt schickt die Artillerie -- wir versteh" darunter Ge¬
schütze und Maschinengewehre -- Schuß auf Schuß in die Reihen der von
Westen Angreifenden. Gleich die erste Granate -- auf 3000 Meter ^- sitzt
im Vollen, denn die Angloügypter haben am Nachmittag zuvor die Entfer-
nungen genau abgesteckt und durch Zeichen kenntlich gemacht. Bon 1650 Meter
an greift ihre Infanterie mit ein, und ihre tückischen Geschosse zischen in die
Reihen der todesmutig Vorrückenden. Von des Sirdars Truppen stehn die
Engländer links, die Ägypter rechts; die ersten haben nur die Zeriba, d. h.
eine Schutzwehr aus Feldsteinen und Dornengestrüpp, die andern außerdem
noch einen Schützengraben vor sich. Unnötige Mühe. Unter dem Gescho߬
hagel schrumpfen die Derwischschwärme zusammen wie dichte Schneeflocken vor
der Frühlingssonne.

Auf 1200 Meter kommt der Angriff des Vortreffens zum Stocken, das
Haupttreffen ist bis auf 1600 Meter herangekommen. Die Derwische ver¬
schwinden hinter Deckungen, aber nur, um sich zu ordnen und dann in der¬
selben unvernünftigen Weise den Stier von neuem bei den Hörnern zu fasse".
Mit unerhörter Bravour brechen sie vor; ein Reiterangriff läßt den letzten
Mann auf 300 Meter vor der englischen Front liegen, die Hauptkolounen ge¬
langen unter dem verheerenden Feuer der Gegner bis auf etwas näher als
1000 Meter heran: dann allgemeine Flucht. Nur einzelne Schützen waren


Die Schlacht bei Khartum

das Kamelkorps lacht Kompagnien) nebst zwei reitenden Batterien ans die
Höhen von Kerreri, drei Kilometer südlich von diesem, anch auf den meisten
Übersichtskarten verzeichneten Orte gelegen. Wie vom Sturm wurden diese
2000 Mann weggefegt, als kurz uach sechs Uhr früh der allgemeine Angriff der
Derwische einsetzte. Die Seitenabteilung wäre vielleicht bis auf den letzten Mann
aufgerieben worden, wenn nicht der auf das englische Lager zurückgehende Teil
durch das Feuer von drei Nilkanvnenbooten gedeckt worden wäre und ein andrer
Teil in schleunigster Flucht — bis acht Kilometer nördlich Kerreri! — sein
Heil gesucht hätte. Drei Geschütze fielen in die Hände der Derwische, wurden
aber später wiedergefunden, nicht wiedererobert. Über diese Episode gehn die
englischen Berichte meist glatt hinweg.

Während dessen thun die guten Derwische genau das, was die Engländer
von ihnen erwarten. Zwischen sechs und acht stürmen sie in breiter Front
und in diesen Hansen in der Lücke zwischen den beiden erwähnten Gelände¬
erhebungen (Kerrerihügel im Nordwesten und Dschebel Surgham im Süd¬
westen) vor — ein sicheres Futter sür die Lydditegranaten, Maschinengewehr¬
lagen, nud die an Grausamkeit dein verrufnen Dum-Dum um nichts nach¬
stehenden Lee-Metfordgeschvsse neusten Musters (Hohlspitzengeschosse). Sie sind
eben übel beraten. Vom Dschebel Snrgham zieht sich eine Geländewelle bis
fast an den Nil heran und nähert sich dem englisch-ägyptischen Flügel bis auf
etwa 1000 Meter. So nahe hätten die Derwische dort gedeckt an den Gegner
herankommen können. Jetzt schickt die Artillerie — wir versteh» darunter Ge¬
schütze und Maschinengewehre — Schuß auf Schuß in die Reihen der von
Westen Angreifenden. Gleich die erste Granate — auf 3000 Meter ^- sitzt
im Vollen, denn die Angloügypter haben am Nachmittag zuvor die Entfer-
nungen genau abgesteckt und durch Zeichen kenntlich gemacht. Bon 1650 Meter
an greift ihre Infanterie mit ein, und ihre tückischen Geschosse zischen in die
Reihen der todesmutig Vorrückenden. Von des Sirdars Truppen stehn die
Engländer links, die Ägypter rechts; die ersten haben nur die Zeriba, d. h.
eine Schutzwehr aus Feldsteinen und Dornengestrüpp, die andern außerdem
noch einen Schützengraben vor sich. Unnötige Mühe. Unter dem Gescho߬
hagel schrumpfen die Derwischschwärme zusammen wie dichte Schneeflocken vor
der Frühlingssonne.

Auf 1200 Meter kommt der Angriff des Vortreffens zum Stocken, das
Haupttreffen ist bis auf 1600 Meter herangekommen. Die Derwische ver¬
schwinden hinter Deckungen, aber nur, um sich zu ordnen und dann in der¬
selben unvernünftigen Weise den Stier von neuem bei den Hörnern zu fasse».
Mit unerhörter Bravour brechen sie vor; ein Reiterangriff läßt den letzten
Mann auf 300 Meter vor der englischen Front liegen, die Hauptkolounen ge¬
langen unter dem verheerenden Feuer der Gegner bis auf etwas näher als
1000 Meter heran: dann allgemeine Flucht. Nur einzelne Schützen waren


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[0582] Die Schlacht bei Khartum das Kamelkorps lacht Kompagnien) nebst zwei reitenden Batterien ans die Höhen von Kerreri, drei Kilometer südlich von diesem, anch auf den meisten Übersichtskarten verzeichneten Orte gelegen. Wie vom Sturm wurden diese 2000 Mann weggefegt, als kurz uach sechs Uhr früh der allgemeine Angriff der Derwische einsetzte. Die Seitenabteilung wäre vielleicht bis auf den letzten Mann aufgerieben worden, wenn nicht der auf das englische Lager zurückgehende Teil durch das Feuer von drei Nilkanvnenbooten gedeckt worden wäre und ein andrer Teil in schleunigster Flucht — bis acht Kilometer nördlich Kerreri! — sein Heil gesucht hätte. Drei Geschütze fielen in die Hände der Derwische, wurden aber später wiedergefunden, nicht wiedererobert. Über diese Episode gehn die englischen Berichte meist glatt hinweg. Während dessen thun die guten Derwische genau das, was die Engländer von ihnen erwarten. Zwischen sechs und acht stürmen sie in breiter Front und in diesen Hansen in der Lücke zwischen den beiden erwähnten Gelände¬ erhebungen (Kerrerihügel im Nordwesten und Dschebel Surgham im Süd¬ westen) vor — ein sicheres Futter sür die Lydditegranaten, Maschinengewehr¬ lagen, nud die an Grausamkeit dein verrufnen Dum-Dum um nichts nach¬ stehenden Lee-Metfordgeschvsse neusten Musters (Hohlspitzengeschosse). Sie sind eben übel beraten. Vom Dschebel Snrgham zieht sich eine Geländewelle bis fast an den Nil heran und nähert sich dem englisch-ägyptischen Flügel bis auf etwa 1000 Meter. So nahe hätten die Derwische dort gedeckt an den Gegner herankommen können. Jetzt schickt die Artillerie — wir versteh» darunter Ge¬ schütze und Maschinengewehre — Schuß auf Schuß in die Reihen der von Westen Angreifenden. Gleich die erste Granate — auf 3000 Meter ^- sitzt im Vollen, denn die Angloügypter haben am Nachmittag zuvor die Entfer- nungen genau abgesteckt und durch Zeichen kenntlich gemacht. Bon 1650 Meter an greift ihre Infanterie mit ein, und ihre tückischen Geschosse zischen in die Reihen der todesmutig Vorrückenden. Von des Sirdars Truppen stehn die Engländer links, die Ägypter rechts; die ersten haben nur die Zeriba, d. h. eine Schutzwehr aus Feldsteinen und Dornengestrüpp, die andern außerdem noch einen Schützengraben vor sich. Unnötige Mühe. Unter dem Gescho߬ hagel schrumpfen die Derwischschwärme zusammen wie dichte Schneeflocken vor der Frühlingssonne. Auf 1200 Meter kommt der Angriff des Vortreffens zum Stocken, das Haupttreffen ist bis auf 1600 Meter herangekommen. Die Derwische ver¬ schwinden hinter Deckungen, aber nur, um sich zu ordnen und dann in der¬ selben unvernünftigen Weise den Stier von neuem bei den Hörnern zu fasse». Mit unerhörter Bravour brechen sie vor; ein Reiterangriff läßt den letzten Mann auf 300 Meter vor der englischen Front liegen, die Hauptkolounen ge¬ langen unter dem verheerenden Feuer der Gegner bis auf etwas näher als 1000 Meter heran: dann allgemeine Flucht. Nur einzelne Schützen waren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/582>, abgerufen am 23.07.2024.