Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schlacht bei Uhartum

-- schon beim ersten Angriff -- etwas näher (bis auf 700 Meter) hereinge-
krochen, und diese brachten den Augloäghptern spärliche Verluste bei. Ein
paar auf den Dschebel Surghcnn gebrachte Geschütze blieben ganz ohne Wirkung.
Im übrigen war der Ansturm der Mahdisten abgeschlagen, und das Schicksal
des Tages anscheinend entschieden, ohne daß die Gegner gegenseitig das Weiße
im Auge Hütten erkennen können-

Was war nun zu thun? Jeder deutsche Unteroffizier würde auf diese
im Dienstuuterricht ihm etwa vorgelegte Frage antworten: "Es mußte durch
nachgesandte kleine Abteilungen, vornehmlich dnrch Kavalleriepatrouillen, fest¬
gestellt werden, wo der geschlagne Gegner blieb." Weitere Frage: Warum
war dies in dem vorliegenden Falle ganz besonders notwendig? "Weil so¬
wohl halb rechts wie halb links Hügelketten die Sicht auf ein paar Tausend
Meter beschränkten."

Was aber that der "Feldherr" Kitchener? Den Feind nun wirtlich unter¬
schätzend, ließ er, ohne vorherige Aufklärung nach halbrechts und halblinks, um
8 Uhr 30 Minnten morgens seine Brigaden staffelförmig, den rechten Flügel
vorgenommen, d. i. mit einer Front gegen Südwesten, vorrücken. Gleichzeitig
erhielt das auf dem linken Flügel stehende 21. Ulanenregünent den Auftrag,
in südwestlicher Richtung vorzustoßen, um dort etwaige Derwischabteilunge"
zu zersprengen und die flüchtigen Haufen von Omdnrman abzuschneiden. Diesem
Auftrag lag die -- irrige -- Annahme zu Grunde, daß Widerstand von feiten
der Derwische nicht mehr zu erwarten sei. Es wäre nun geboten gewesen,
wenigstens erst durch das Ulanenregiment Patrouillen vorzuseuden. Aber nein,
das ganze Regiment reitet an, obgleich es ans 1000 bis 1500 Meter eine die
Aussicht gänzlich sperrende Sandwelle, den schon erwähnten Ausläufer des
Dschebel Surghcnn zum Nil hin, vor sich hat. Es überschreitet diese Sand-
welle und sieht etwa 200 bis 300 Derwische vor sich, mit denen es leichte
Arbeit zu haben glaubt. Es reitet an, und zwar, wie man aus den Schlachten-
berichten schließen darf, ohne daß Eclaireurs vorgenommen worden wären, ohne
daß sich der Kommandeur, wie das deutsche Reglement vorschreibt, weit vor
sein Regiment begeben hätte. Der schlimme Erfolg einer so strafwürdiger
Sorglosigkeit -- als Mangel an Mut sind diese Unterlassungen keineswegs
auszulegen -- bleibt uicht aus. Als die vier Schwadronen (320 Säbel) schon
in rascher Gangart sind, sehen sie sich plötzlich am Rande einer weiten Boden¬
senkung mit drei bis sechs Fuß tiefen, steilen Rändern. In dieser Senkung
2000 bis 3000 Derwische; eine Art Reserve. An Halten ist nicht mehr zu
denken: also hinunter, durch und wieder den Rand hinauf. Ein kavalleristisches
Bravourstückchen, aber ein unnützes Opfer von 1 Offizier, 20 Mann und
119 Pferden, die getötet, von 4 Offizieren, 40 Mann und vielen Pferden, die
verwundet wurden. Zur Entscheidung des Tages trug diese That nicht bei;
trotzdem wurden die 21. Laneers in England geradezu vergöttert. Sie er-


Die Schlacht bei Uhartum

— schon beim ersten Angriff — etwas näher (bis auf 700 Meter) hereinge-
krochen, und diese brachten den Augloäghptern spärliche Verluste bei. Ein
paar auf den Dschebel Surghcnn gebrachte Geschütze blieben ganz ohne Wirkung.
Im übrigen war der Ansturm der Mahdisten abgeschlagen, und das Schicksal
des Tages anscheinend entschieden, ohne daß die Gegner gegenseitig das Weiße
im Auge Hütten erkennen können-

Was war nun zu thun? Jeder deutsche Unteroffizier würde auf diese
im Dienstuuterricht ihm etwa vorgelegte Frage antworten: „Es mußte durch
nachgesandte kleine Abteilungen, vornehmlich dnrch Kavalleriepatrouillen, fest¬
gestellt werden, wo der geschlagne Gegner blieb." Weitere Frage: Warum
war dies in dem vorliegenden Falle ganz besonders notwendig? „Weil so¬
wohl halb rechts wie halb links Hügelketten die Sicht auf ein paar Tausend
Meter beschränkten."

Was aber that der „Feldherr" Kitchener? Den Feind nun wirtlich unter¬
schätzend, ließ er, ohne vorherige Aufklärung nach halbrechts und halblinks, um
8 Uhr 30 Minnten morgens seine Brigaden staffelförmig, den rechten Flügel
vorgenommen, d. i. mit einer Front gegen Südwesten, vorrücken. Gleichzeitig
erhielt das auf dem linken Flügel stehende 21. Ulanenregünent den Auftrag,
in südwestlicher Richtung vorzustoßen, um dort etwaige Derwischabteilunge»
zu zersprengen und die flüchtigen Haufen von Omdnrman abzuschneiden. Diesem
Auftrag lag die — irrige — Annahme zu Grunde, daß Widerstand von feiten
der Derwische nicht mehr zu erwarten sei. Es wäre nun geboten gewesen,
wenigstens erst durch das Ulanenregiment Patrouillen vorzuseuden. Aber nein,
das ganze Regiment reitet an, obgleich es ans 1000 bis 1500 Meter eine die
Aussicht gänzlich sperrende Sandwelle, den schon erwähnten Ausläufer des
Dschebel Surghcnn zum Nil hin, vor sich hat. Es überschreitet diese Sand-
welle und sieht etwa 200 bis 300 Derwische vor sich, mit denen es leichte
Arbeit zu haben glaubt. Es reitet an, und zwar, wie man aus den Schlachten-
berichten schließen darf, ohne daß Eclaireurs vorgenommen worden wären, ohne
daß sich der Kommandeur, wie das deutsche Reglement vorschreibt, weit vor
sein Regiment begeben hätte. Der schlimme Erfolg einer so strafwürdiger
Sorglosigkeit — als Mangel an Mut sind diese Unterlassungen keineswegs
auszulegen — bleibt uicht aus. Als die vier Schwadronen (320 Säbel) schon
in rascher Gangart sind, sehen sie sich plötzlich am Rande einer weiten Boden¬
senkung mit drei bis sechs Fuß tiefen, steilen Rändern. In dieser Senkung
2000 bis 3000 Derwische; eine Art Reserve. An Halten ist nicht mehr zu
denken: also hinunter, durch und wieder den Rand hinauf. Ein kavalleristisches
Bravourstückchen, aber ein unnützes Opfer von 1 Offizier, 20 Mann und
119 Pferden, die getötet, von 4 Offizieren, 40 Mann und vielen Pferden, die
verwundet wurden. Zur Entscheidung des Tages trug diese That nicht bei;
trotzdem wurden die 21. Laneers in England geradezu vergöttert. Sie er-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0583" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230269"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Schlacht bei Uhartum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2405" prev="#ID_2404"> &#x2014; schon beim ersten Angriff &#x2014; etwas näher (bis auf 700 Meter) hereinge-<lb/>
krochen, und diese brachten den Augloäghptern spärliche Verluste bei. Ein<lb/>
paar auf den Dschebel Surghcnn gebrachte Geschütze blieben ganz ohne Wirkung.<lb/>
Im übrigen war der Ansturm der Mahdisten abgeschlagen, und das Schicksal<lb/>
des Tages anscheinend entschieden, ohne daß die Gegner gegenseitig das Weiße<lb/>
im Auge Hütten erkennen können-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2406"> Was war nun zu thun? Jeder deutsche Unteroffizier würde auf diese<lb/>
im Dienstuuterricht ihm etwa vorgelegte Frage antworten: &#x201E;Es mußte durch<lb/>
nachgesandte kleine Abteilungen, vornehmlich dnrch Kavalleriepatrouillen, fest¬<lb/>
gestellt werden, wo der geschlagne Gegner blieb." Weitere Frage: Warum<lb/>
war dies in dem vorliegenden Falle ganz besonders notwendig? &#x201E;Weil so¬<lb/>
wohl halb rechts wie halb links Hügelketten die Sicht auf ein paar Tausend<lb/>
Meter beschränkten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2407" next="#ID_2408"> Was aber that der &#x201E;Feldherr" Kitchener? Den Feind nun wirtlich unter¬<lb/>
schätzend, ließ er, ohne vorherige Aufklärung nach halbrechts und halblinks, um<lb/>
8 Uhr 30 Minnten morgens seine Brigaden staffelförmig, den rechten Flügel<lb/>
vorgenommen, d. i. mit einer Front gegen Südwesten, vorrücken. Gleichzeitig<lb/>
erhielt das auf dem linken Flügel stehende 21. Ulanenregünent den Auftrag,<lb/>
in südwestlicher Richtung vorzustoßen, um dort etwaige Derwischabteilunge»<lb/>
zu zersprengen und die flüchtigen Haufen von Omdnrman abzuschneiden. Diesem<lb/>
Auftrag lag die &#x2014; irrige &#x2014; Annahme zu Grunde, daß Widerstand von feiten<lb/>
der Derwische nicht mehr zu erwarten sei. Es wäre nun geboten gewesen,<lb/>
wenigstens erst durch das Ulanenregiment Patrouillen vorzuseuden. Aber nein,<lb/>
das ganze Regiment reitet an, obgleich es ans 1000 bis 1500 Meter eine die<lb/>
Aussicht gänzlich sperrende Sandwelle, den schon erwähnten Ausläufer des<lb/>
Dschebel Surghcnn zum Nil hin, vor sich hat. Es überschreitet diese Sand-<lb/>
welle und sieht etwa 200 bis 300 Derwische vor sich, mit denen es leichte<lb/>
Arbeit zu haben glaubt. Es reitet an, und zwar, wie man aus den Schlachten-<lb/>
berichten schließen darf, ohne daß Eclaireurs vorgenommen worden wären, ohne<lb/>
daß sich der Kommandeur, wie das deutsche Reglement vorschreibt, weit vor<lb/>
sein Regiment begeben hätte. Der schlimme Erfolg einer so strafwürdiger<lb/>
Sorglosigkeit &#x2014; als Mangel an Mut sind diese Unterlassungen keineswegs<lb/>
auszulegen &#x2014; bleibt uicht aus. Als die vier Schwadronen (320 Säbel) schon<lb/>
in rascher Gangart sind, sehen sie sich plötzlich am Rande einer weiten Boden¬<lb/>
senkung mit drei bis sechs Fuß tiefen, steilen Rändern. In dieser Senkung<lb/>
2000 bis 3000 Derwische; eine Art Reserve. An Halten ist nicht mehr zu<lb/>
denken: also hinunter, durch und wieder den Rand hinauf. Ein kavalleristisches<lb/>
Bravourstückchen, aber ein unnützes Opfer von 1 Offizier, 20 Mann und<lb/>
119 Pferden, die getötet, von 4 Offizieren, 40 Mann und vielen Pferden, die<lb/>
verwundet wurden. Zur Entscheidung des Tages trug diese That nicht bei;<lb/>
trotzdem wurden die 21. Laneers in England geradezu vergöttert.  Sie er-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0583] Die Schlacht bei Uhartum — schon beim ersten Angriff — etwas näher (bis auf 700 Meter) hereinge- krochen, und diese brachten den Augloäghptern spärliche Verluste bei. Ein paar auf den Dschebel Surghcnn gebrachte Geschütze blieben ganz ohne Wirkung. Im übrigen war der Ansturm der Mahdisten abgeschlagen, und das Schicksal des Tages anscheinend entschieden, ohne daß die Gegner gegenseitig das Weiße im Auge Hütten erkennen können- Was war nun zu thun? Jeder deutsche Unteroffizier würde auf diese im Dienstuuterricht ihm etwa vorgelegte Frage antworten: „Es mußte durch nachgesandte kleine Abteilungen, vornehmlich dnrch Kavalleriepatrouillen, fest¬ gestellt werden, wo der geschlagne Gegner blieb." Weitere Frage: Warum war dies in dem vorliegenden Falle ganz besonders notwendig? „Weil so¬ wohl halb rechts wie halb links Hügelketten die Sicht auf ein paar Tausend Meter beschränkten." Was aber that der „Feldherr" Kitchener? Den Feind nun wirtlich unter¬ schätzend, ließ er, ohne vorherige Aufklärung nach halbrechts und halblinks, um 8 Uhr 30 Minnten morgens seine Brigaden staffelförmig, den rechten Flügel vorgenommen, d. i. mit einer Front gegen Südwesten, vorrücken. Gleichzeitig erhielt das auf dem linken Flügel stehende 21. Ulanenregünent den Auftrag, in südwestlicher Richtung vorzustoßen, um dort etwaige Derwischabteilunge» zu zersprengen und die flüchtigen Haufen von Omdnrman abzuschneiden. Diesem Auftrag lag die — irrige — Annahme zu Grunde, daß Widerstand von feiten der Derwische nicht mehr zu erwarten sei. Es wäre nun geboten gewesen, wenigstens erst durch das Ulanenregiment Patrouillen vorzuseuden. Aber nein, das ganze Regiment reitet an, obgleich es ans 1000 bis 1500 Meter eine die Aussicht gänzlich sperrende Sandwelle, den schon erwähnten Ausläufer des Dschebel Surghcnn zum Nil hin, vor sich hat. Es überschreitet diese Sand- welle und sieht etwa 200 bis 300 Derwische vor sich, mit denen es leichte Arbeit zu haben glaubt. Es reitet an, und zwar, wie man aus den Schlachten- berichten schließen darf, ohne daß Eclaireurs vorgenommen worden wären, ohne daß sich der Kommandeur, wie das deutsche Reglement vorschreibt, weit vor sein Regiment begeben hätte. Der schlimme Erfolg einer so strafwürdiger Sorglosigkeit — als Mangel an Mut sind diese Unterlassungen keineswegs auszulegen — bleibt uicht aus. Als die vier Schwadronen (320 Säbel) schon in rascher Gangart sind, sehen sie sich plötzlich am Rande einer weiten Boden¬ senkung mit drei bis sechs Fuß tiefen, steilen Rändern. In dieser Senkung 2000 bis 3000 Derwische; eine Art Reserve. An Halten ist nicht mehr zu denken: also hinunter, durch und wieder den Rand hinauf. Ein kavalleristisches Bravourstückchen, aber ein unnützes Opfer von 1 Offizier, 20 Mann und 119 Pferden, die getötet, von 4 Offizieren, 40 Mann und vielen Pferden, die verwundet wurden. Zur Entscheidung des Tages trug diese That nicht bei; trotzdem wurden die 21. Laneers in England geradezu vergöttert. Sie er-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/583
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/583>, abgerufen am 23.07.2024.