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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Nochmals die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangnen

hineinzusehen, ein Blick auf seine äußere Erscheinung genügt vollkommen. Da kommt
ein junger Kaufmann daher. Im Zuchthaus ist er nicht gewesen, haist hätte er
sich vielleicht einen bessern Anzug verdienen können. Er war nur kurze Zeit im
Gefängnis. Schon eine Weile bummelt er stellenlos im Lande herum, Eltern hat
er nicht mehr, oder er wagt sich nicht mehr nach Hnnse. Und nun steht er da:
Schuh und Stiefel sind zerrissen, durch die Hosen pfeift der Wind. Freilich nicht
durch unverschuldete Not ist er in diesen Zustand geraten, sondern durch seineu
Leichtsinn, aber nur steckt er jedenfalls tief in der Not. Wer wird ihn aufnehmen,
wenn sich der Fürsorgeverein nicht seiner erbarmt? Die Polizei gewiß, aber damit
ist ihm nicht gedient, der Polizei im Grunde auch nicht. Ans diese Weise haben
die Vereine schon manches junge Leben, das eben ans die Landstraße hinaus wollte,
noch in der letzten Stunde zurückgehalten und wieder auf andre Bahnen gewiesen.
Zum Hciuserabreißcn und zu Erdarbeiten wäre der Mann zweifellos noch gut genug
gewesen, aber mau reißt nicht fortwährend Häuser nieder, den Maurer spielen kann
er nicht, und zum Steine schleppen ist er zu schwach. Erdarbeiten aber im großen
Stil kommen nicht überall vor, und wenn sie vorkommen, wenn zweihundert Erd¬
arbeiter verlangt werden, dann giebt der Schachtmeistcr nicht einfach, wie es im
Aufsatz heißt, jedem, der sich meldet, eine Schippe und laßt ihn in Gottes Namen
buddeln, sondern nach meiner Erfahrung sagt er: Eine Schippe mußt du mitbringen,
dann kennst du meinetwegen ansaugen. Und diese Schippe hat der Fürsorgeverein
schon manchmal kaufen müssen, wenn er wollte, daß der Entlassene von der Straße
wegkam. Ebenso verlangen auch einzelne Handwerker, daß das Werkzeug mit¬
gebracht werde.

Bei der Arbeitsfrage spricht aber auch ferner das Alter und das Vergehen mit.
Einem bejahrten Manne wird es oft blutsauer, ein Pvstchen zu bekommen, junge
Leute werden ihm meistens vorgezogen. Vor einigen Jahren wurde ein wegen
Mordes bestrafter Mann begnadigt, nachdem er, wenn ich mich recht erinnere, fünf¬
undzwanzig Jahre im Zuchthaus gearbeitet hatte, meistens Cigarren. Das Cigarren¬
machen verstand er aus dem Fundament, gut gekleidet war er auch, und sein Ge¬
sicht war freundlich und sympathisch. Aber wie ist der Mann hernmgepilgert! Die
Cigarrenfabrikanten fragten alle, woher und warum, und wenn sie es gehört hatten,
dann brachen sie die Verhandlungen schnell ab. Nur mit Hilfe eines der "Menschen¬
freunde," die ein warmes Herz für die Fürsorge entlassener Strafgefangnen haben,
hat er eine Stellung gefunden, in der er zeigt, was es heißt, sich von Herzen bessern.

Selbstverständlich konnte sich der Entlassene auch selbst Arbeit suchen, denn
irgendwo würde man ihn vielleicht mit tausend Freuden aufnehmen, nur muß er
erst wissen, wo dieses irgendwo liegt. Nun belehrt uns aber eine alte Erfahrung,
daß die ersten Freiheitstage für den Entlassener eine ganz besonders kritische Be¬
deutung haben, und daß er gerade in dieser Zeit ebenso dem Rückfcill ausgesetzt
ist wie ein Rekonvaleszent, der eben das Bett verlassen hat. Ans diesem Grunde,
nicht um es ihm bequem zu machen, laufen andre für ihn Wege und legen für ihn
Fürsprache ein. Namentlich sind die weiblichen Gefangnen offenbar den größten
Gefahren ausgesetzt, wenn sie nicht schon beim Verlassen des Strafhanses wissen,
wohin sie gehen sollen. Und das wissen sie sehr häufig nicht, selbst dann nicht,
wenn noch ein Elternhaus vorhanden ist. Ich habe mit dem Vater eines solchen
Mädchens lange verhandeln müssen, ehe er sich entschloß, die Hand zur Versöhnung
Zu reichen. Erst einen Tag vor der Entlassung, nachdem ich schon für alle Falle
Vorsorge getroffen hatte, kam die Erlaubnis zur Heimkehr. Wenn nun keine Für¬
sorge geübt würde, dann würde ein solches Mädchen im besten Falle zu einer Ver¬
mieterin gehn, durch deren Vermittlung es dann nach einiger Zeit, oder wenn das


Nochmals die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangnen

hineinzusehen, ein Blick auf seine äußere Erscheinung genügt vollkommen. Da kommt
ein junger Kaufmann daher. Im Zuchthaus ist er nicht gewesen, haist hätte er
sich vielleicht einen bessern Anzug verdienen können. Er war nur kurze Zeit im
Gefängnis. Schon eine Weile bummelt er stellenlos im Lande herum, Eltern hat
er nicht mehr, oder er wagt sich nicht mehr nach Hnnse. Und nun steht er da:
Schuh und Stiefel sind zerrissen, durch die Hosen pfeift der Wind. Freilich nicht
durch unverschuldete Not ist er in diesen Zustand geraten, sondern durch seineu
Leichtsinn, aber nur steckt er jedenfalls tief in der Not. Wer wird ihn aufnehmen,
wenn sich der Fürsorgeverein nicht seiner erbarmt? Die Polizei gewiß, aber damit
ist ihm nicht gedient, der Polizei im Grunde auch nicht. Ans diese Weise haben
die Vereine schon manches junge Leben, das eben ans die Landstraße hinaus wollte,
noch in der letzten Stunde zurückgehalten und wieder auf andre Bahnen gewiesen.
Zum Hciuserabreißcn und zu Erdarbeiten wäre der Mann zweifellos noch gut genug
gewesen, aber mau reißt nicht fortwährend Häuser nieder, den Maurer spielen kann
er nicht, und zum Steine schleppen ist er zu schwach. Erdarbeiten aber im großen
Stil kommen nicht überall vor, und wenn sie vorkommen, wenn zweihundert Erd¬
arbeiter verlangt werden, dann giebt der Schachtmeistcr nicht einfach, wie es im
Aufsatz heißt, jedem, der sich meldet, eine Schippe und laßt ihn in Gottes Namen
buddeln, sondern nach meiner Erfahrung sagt er: Eine Schippe mußt du mitbringen,
dann kennst du meinetwegen ansaugen. Und diese Schippe hat der Fürsorgeverein
schon manchmal kaufen müssen, wenn er wollte, daß der Entlassene von der Straße
wegkam. Ebenso verlangen auch einzelne Handwerker, daß das Werkzeug mit¬
gebracht werde.

Bei der Arbeitsfrage spricht aber auch ferner das Alter und das Vergehen mit.
Einem bejahrten Manne wird es oft blutsauer, ein Pvstchen zu bekommen, junge
Leute werden ihm meistens vorgezogen. Vor einigen Jahren wurde ein wegen
Mordes bestrafter Mann begnadigt, nachdem er, wenn ich mich recht erinnere, fünf¬
undzwanzig Jahre im Zuchthaus gearbeitet hatte, meistens Cigarren. Das Cigarren¬
machen verstand er aus dem Fundament, gut gekleidet war er auch, und sein Ge¬
sicht war freundlich und sympathisch. Aber wie ist der Mann hernmgepilgert! Die
Cigarrenfabrikanten fragten alle, woher und warum, und wenn sie es gehört hatten,
dann brachen sie die Verhandlungen schnell ab. Nur mit Hilfe eines der „Menschen¬
freunde," die ein warmes Herz für die Fürsorge entlassener Strafgefangnen haben,
hat er eine Stellung gefunden, in der er zeigt, was es heißt, sich von Herzen bessern.

Selbstverständlich konnte sich der Entlassene auch selbst Arbeit suchen, denn
irgendwo würde man ihn vielleicht mit tausend Freuden aufnehmen, nur muß er
erst wissen, wo dieses irgendwo liegt. Nun belehrt uns aber eine alte Erfahrung,
daß die ersten Freiheitstage für den Entlassener eine ganz besonders kritische Be¬
deutung haben, und daß er gerade in dieser Zeit ebenso dem Rückfcill ausgesetzt
ist wie ein Rekonvaleszent, der eben das Bett verlassen hat. Ans diesem Grunde,
nicht um es ihm bequem zu machen, laufen andre für ihn Wege und legen für ihn
Fürsprache ein. Namentlich sind die weiblichen Gefangnen offenbar den größten
Gefahren ausgesetzt, wenn sie nicht schon beim Verlassen des Strafhanses wissen,
wohin sie gehen sollen. Und das wissen sie sehr häufig nicht, selbst dann nicht,
wenn noch ein Elternhaus vorhanden ist. Ich habe mit dem Vater eines solchen
Mädchens lange verhandeln müssen, ehe er sich entschloß, die Hand zur Versöhnung
Zu reichen. Erst einen Tag vor der Entlassung, nachdem ich schon für alle Falle
Vorsorge getroffen hatte, kam die Erlaubnis zur Heimkehr. Wenn nun keine Für¬
sorge geübt würde, dann würde ein solches Mädchen im besten Falle zu einer Ver¬
mieterin gehn, durch deren Vermittlung es dann nach einiger Zeit, oder wenn das


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[0557] Nochmals die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangnen hineinzusehen, ein Blick auf seine äußere Erscheinung genügt vollkommen. Da kommt ein junger Kaufmann daher. Im Zuchthaus ist er nicht gewesen, haist hätte er sich vielleicht einen bessern Anzug verdienen können. Er war nur kurze Zeit im Gefängnis. Schon eine Weile bummelt er stellenlos im Lande herum, Eltern hat er nicht mehr, oder er wagt sich nicht mehr nach Hnnse. Und nun steht er da: Schuh und Stiefel sind zerrissen, durch die Hosen pfeift der Wind. Freilich nicht durch unverschuldete Not ist er in diesen Zustand geraten, sondern durch seineu Leichtsinn, aber nur steckt er jedenfalls tief in der Not. Wer wird ihn aufnehmen, wenn sich der Fürsorgeverein nicht seiner erbarmt? Die Polizei gewiß, aber damit ist ihm nicht gedient, der Polizei im Grunde auch nicht. Ans diese Weise haben die Vereine schon manches junge Leben, das eben ans die Landstraße hinaus wollte, noch in der letzten Stunde zurückgehalten und wieder auf andre Bahnen gewiesen. Zum Hciuserabreißcn und zu Erdarbeiten wäre der Mann zweifellos noch gut genug gewesen, aber mau reißt nicht fortwährend Häuser nieder, den Maurer spielen kann er nicht, und zum Steine schleppen ist er zu schwach. Erdarbeiten aber im großen Stil kommen nicht überall vor, und wenn sie vorkommen, wenn zweihundert Erd¬ arbeiter verlangt werden, dann giebt der Schachtmeistcr nicht einfach, wie es im Aufsatz heißt, jedem, der sich meldet, eine Schippe und laßt ihn in Gottes Namen buddeln, sondern nach meiner Erfahrung sagt er: Eine Schippe mußt du mitbringen, dann kennst du meinetwegen ansaugen. Und diese Schippe hat der Fürsorgeverein schon manchmal kaufen müssen, wenn er wollte, daß der Entlassene von der Straße wegkam. Ebenso verlangen auch einzelne Handwerker, daß das Werkzeug mit¬ gebracht werde. Bei der Arbeitsfrage spricht aber auch ferner das Alter und das Vergehen mit. Einem bejahrten Manne wird es oft blutsauer, ein Pvstchen zu bekommen, junge Leute werden ihm meistens vorgezogen. Vor einigen Jahren wurde ein wegen Mordes bestrafter Mann begnadigt, nachdem er, wenn ich mich recht erinnere, fünf¬ undzwanzig Jahre im Zuchthaus gearbeitet hatte, meistens Cigarren. Das Cigarren¬ machen verstand er aus dem Fundament, gut gekleidet war er auch, und sein Ge¬ sicht war freundlich und sympathisch. Aber wie ist der Mann hernmgepilgert! Die Cigarrenfabrikanten fragten alle, woher und warum, und wenn sie es gehört hatten, dann brachen sie die Verhandlungen schnell ab. Nur mit Hilfe eines der „Menschen¬ freunde," die ein warmes Herz für die Fürsorge entlassener Strafgefangnen haben, hat er eine Stellung gefunden, in der er zeigt, was es heißt, sich von Herzen bessern. Selbstverständlich konnte sich der Entlassene auch selbst Arbeit suchen, denn irgendwo würde man ihn vielleicht mit tausend Freuden aufnehmen, nur muß er erst wissen, wo dieses irgendwo liegt. Nun belehrt uns aber eine alte Erfahrung, daß die ersten Freiheitstage für den Entlassener eine ganz besonders kritische Be¬ deutung haben, und daß er gerade in dieser Zeit ebenso dem Rückfcill ausgesetzt ist wie ein Rekonvaleszent, der eben das Bett verlassen hat. Ans diesem Grunde, nicht um es ihm bequem zu machen, laufen andre für ihn Wege und legen für ihn Fürsprache ein. Namentlich sind die weiblichen Gefangnen offenbar den größten Gefahren ausgesetzt, wenn sie nicht schon beim Verlassen des Strafhanses wissen, wohin sie gehen sollen. Und das wissen sie sehr häufig nicht, selbst dann nicht, wenn noch ein Elternhaus vorhanden ist. Ich habe mit dem Vater eines solchen Mädchens lange verhandeln müssen, ehe er sich entschloß, die Hand zur Versöhnung Zu reichen. Erst einen Tag vor der Entlassung, nachdem ich schon für alle Falle Vorsorge getroffen hatte, kam die Erlaubnis zur Heimkehr. Wenn nun keine Für¬ sorge geübt würde, dann würde ein solches Mädchen im besten Falle zu einer Ver¬ mieterin gehn, durch deren Vermittlung es dann nach einiger Zeit, oder wenn das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/557>, abgerufen am 23.07.2024.