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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Ans dem Gberelsasz

zur Unterdrückung dieser lcindes- und volksverräterischen französischen Nei¬
gung, daß man es den sogenannten Notabeln nicht verargen kann, wenn sie
ihr nur äußerlich vvrgcbundnes Frcmzosentum immer unverschämter zur Schau
tragen. Das Wahlfürstentum des Statthalters, der gleich seinen Vorgängern
kein Berufsbeamter gewesen ist, fördert nur das gefährliche Treiben, da es den
Stellvertreter des Kaisers mit seinen landesherrlichen Ehren von der Volks¬
gunst abhängig macht. In den öffentlichen Reden der Statthalter Pflegen
darum absichtlich nationale Anklänge zu fehlen, obschon zur Wohlfahrt eines
dentschen Volksstamms zunächst die Erhaltung seines Volkstums gehört. Aller¬
dings redet jetzt der höchste Landesbcamte wenigstens nicht mehr grundsätzlich
jeden Elsässer französisch an, wie es der erste Statthalter that.

Die Folgen dieser amtlichen Begünstigung des französisch gesinnten Elsüsser-
tums sind auch nicht ausgeblieben. Das einheimische Beamtentum läßt es
aus erklärlichen Familien- und Gesellschaftsrücksichten an der erforderlichen
Strenge fehlen, und die altdeutschen Amtsgenossen müssen sich infolge dessen,
um unliebsame Vergleiche ihres Vorgehens mit dem Verhalten der Einheimischen
zu vermeiden, ebenfalls eine ungerechtfertigte Müßigung auferlegen. Übrigens
gedeiht das französische Kräutlein unter den Augen der höchsten Negiernngs-
stellcn selbst nicht weniger üppig. Während der Gebrauch der französischen
Sprache aus den öffentlichen Verhandlungen des Landesausschnsses, der Be¬
zirks- und Kreistage so ziemlich entfernt ist, wird in den geheimen Ansschuß-
sitznngen dieser Landesvertretuugen um so absichtlicher französisch gesprochen,
ohne daß die Vertreter der deutschen Staatsgewalt gegen diesen Unfug ein¬
schreiten, von den Gemeinderatssitzuiigcn in Kolmar und Mülhausen ganz zu
schweigen. Leider färbt diese bedauerliche Schwäche der Negierung anch auf
die militärischen Verhältnisse ab und bedroht dadurch die Sicherheit des
Landes.

Die Militärbehörden sind öfters gezwungen, sogenannte Waldwirtschaften,
wo die Protestlerischen Elsässer den Ton angeben, besonders zu übermachen
und wegen möglicher Zusammenstöße und Aufreizungen durch andre Gäste den
Soldaten den Besuch zu verbieten. In einer größern Stadt des Oberelsasses
war dies bei einer bessern Wirtschaft ans dem erschwerenden Grunde geschehen,
weil bei einem Raufhandel ein Soldat erstochen worden war, ohne daß der
Thäter festgestellt werden konnte. Die Walles und der Wirt hielten eben sogar
bei einem offenbaren Verbrechen zusammen und verhinderten, daß die Strnf-
rechtsvflege ihren Lauf nehmen konnte. Trotzdem wird diese Wirtschaft mit
Borliebe von frühern Einjährigen besucht, es erscheinen sogar gelegentlich im
Dienste stehende Einjährige, und die Unterhaltung wird demonstrativ französisch
geführt. In Altdeutschland Hütte die Polizei die zuständige Militärbehörde
sicher auf dieses Treiben aufmerksam gemacht, das der dortigen nicht entgangen
sein kann. Vielleicht fürchtet sie aber unerfreuliche Auseinandersetzungen im


Ans dem Gberelsasz

zur Unterdrückung dieser lcindes- und volksverräterischen französischen Nei¬
gung, daß man es den sogenannten Notabeln nicht verargen kann, wenn sie
ihr nur äußerlich vvrgcbundnes Frcmzosentum immer unverschämter zur Schau
tragen. Das Wahlfürstentum des Statthalters, der gleich seinen Vorgängern
kein Berufsbeamter gewesen ist, fördert nur das gefährliche Treiben, da es den
Stellvertreter des Kaisers mit seinen landesherrlichen Ehren von der Volks¬
gunst abhängig macht. In den öffentlichen Reden der Statthalter Pflegen
darum absichtlich nationale Anklänge zu fehlen, obschon zur Wohlfahrt eines
dentschen Volksstamms zunächst die Erhaltung seines Volkstums gehört. Aller¬
dings redet jetzt der höchste Landesbcamte wenigstens nicht mehr grundsätzlich
jeden Elsässer französisch an, wie es der erste Statthalter that.

Die Folgen dieser amtlichen Begünstigung des französisch gesinnten Elsüsser-
tums sind auch nicht ausgeblieben. Das einheimische Beamtentum läßt es
aus erklärlichen Familien- und Gesellschaftsrücksichten an der erforderlichen
Strenge fehlen, und die altdeutschen Amtsgenossen müssen sich infolge dessen,
um unliebsame Vergleiche ihres Vorgehens mit dem Verhalten der Einheimischen
zu vermeiden, ebenfalls eine ungerechtfertigte Müßigung auferlegen. Übrigens
gedeiht das französische Kräutlein unter den Augen der höchsten Negiernngs-
stellcn selbst nicht weniger üppig. Während der Gebrauch der französischen
Sprache aus den öffentlichen Verhandlungen des Landesausschnsses, der Be¬
zirks- und Kreistage so ziemlich entfernt ist, wird in den geheimen Ansschuß-
sitznngen dieser Landesvertretuugen um so absichtlicher französisch gesprochen,
ohne daß die Vertreter der deutschen Staatsgewalt gegen diesen Unfug ein¬
schreiten, von den Gemeinderatssitzuiigcn in Kolmar und Mülhausen ganz zu
schweigen. Leider färbt diese bedauerliche Schwäche der Negierung anch auf
die militärischen Verhältnisse ab und bedroht dadurch die Sicherheit des
Landes.

Die Militärbehörden sind öfters gezwungen, sogenannte Waldwirtschaften,
wo die Protestlerischen Elsässer den Ton angeben, besonders zu übermachen
und wegen möglicher Zusammenstöße und Aufreizungen durch andre Gäste den
Soldaten den Besuch zu verbieten. In einer größern Stadt des Oberelsasses
war dies bei einer bessern Wirtschaft ans dem erschwerenden Grunde geschehen,
weil bei einem Raufhandel ein Soldat erstochen worden war, ohne daß der
Thäter festgestellt werden konnte. Die Walles und der Wirt hielten eben sogar
bei einem offenbaren Verbrechen zusammen und verhinderten, daß die Strnf-
rechtsvflege ihren Lauf nehmen konnte. Trotzdem wird diese Wirtschaft mit
Borliebe von frühern Einjährigen besucht, es erscheinen sogar gelegentlich im
Dienste stehende Einjährige, und die Unterhaltung wird demonstrativ französisch
geführt. In Altdeutschland Hütte die Polizei die zuständige Militärbehörde
sicher auf dieses Treiben aufmerksam gemacht, das der dortigen nicht entgangen
sein kann. Vielleicht fürchtet sie aber unerfreuliche Auseinandersetzungen im


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[0490] Ans dem Gberelsasz zur Unterdrückung dieser lcindes- und volksverräterischen französischen Nei¬ gung, daß man es den sogenannten Notabeln nicht verargen kann, wenn sie ihr nur äußerlich vvrgcbundnes Frcmzosentum immer unverschämter zur Schau tragen. Das Wahlfürstentum des Statthalters, der gleich seinen Vorgängern kein Berufsbeamter gewesen ist, fördert nur das gefährliche Treiben, da es den Stellvertreter des Kaisers mit seinen landesherrlichen Ehren von der Volks¬ gunst abhängig macht. In den öffentlichen Reden der Statthalter Pflegen darum absichtlich nationale Anklänge zu fehlen, obschon zur Wohlfahrt eines dentschen Volksstamms zunächst die Erhaltung seines Volkstums gehört. Aller¬ dings redet jetzt der höchste Landesbcamte wenigstens nicht mehr grundsätzlich jeden Elsässer französisch an, wie es der erste Statthalter that. Die Folgen dieser amtlichen Begünstigung des französisch gesinnten Elsüsser- tums sind auch nicht ausgeblieben. Das einheimische Beamtentum läßt es aus erklärlichen Familien- und Gesellschaftsrücksichten an der erforderlichen Strenge fehlen, und die altdeutschen Amtsgenossen müssen sich infolge dessen, um unliebsame Vergleiche ihres Vorgehens mit dem Verhalten der Einheimischen zu vermeiden, ebenfalls eine ungerechtfertigte Müßigung auferlegen. Übrigens gedeiht das französische Kräutlein unter den Augen der höchsten Negiernngs- stellcn selbst nicht weniger üppig. Während der Gebrauch der französischen Sprache aus den öffentlichen Verhandlungen des Landesausschnsses, der Be¬ zirks- und Kreistage so ziemlich entfernt ist, wird in den geheimen Ansschuß- sitznngen dieser Landesvertretuugen um so absichtlicher französisch gesprochen, ohne daß die Vertreter der deutschen Staatsgewalt gegen diesen Unfug ein¬ schreiten, von den Gemeinderatssitzuiigcn in Kolmar und Mülhausen ganz zu schweigen. Leider färbt diese bedauerliche Schwäche der Negierung anch auf die militärischen Verhältnisse ab und bedroht dadurch die Sicherheit des Landes. Die Militärbehörden sind öfters gezwungen, sogenannte Waldwirtschaften, wo die Protestlerischen Elsässer den Ton angeben, besonders zu übermachen und wegen möglicher Zusammenstöße und Aufreizungen durch andre Gäste den Soldaten den Besuch zu verbieten. In einer größern Stadt des Oberelsasses war dies bei einer bessern Wirtschaft ans dem erschwerenden Grunde geschehen, weil bei einem Raufhandel ein Soldat erstochen worden war, ohne daß der Thäter festgestellt werden konnte. Die Walles und der Wirt hielten eben sogar bei einem offenbaren Verbrechen zusammen und verhinderten, daß die Strnf- rechtsvflege ihren Lauf nehmen konnte. Trotzdem wird diese Wirtschaft mit Borliebe von frühern Einjährigen besucht, es erscheinen sogar gelegentlich im Dienste stehende Einjährige, und die Unterhaltung wird demonstrativ französisch geführt. In Altdeutschland Hütte die Polizei die zuständige Militärbehörde sicher auf dieses Treiben aufmerksam gemacht, das der dortigen nicht entgangen sein kann. Vielleicht fürchtet sie aber unerfreuliche Auseinandersetzungen im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/490>, abgerufen am 23.07.2024.