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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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ver goldne Gngel

haben sich nicht selbst mit der Sache abgegeben, gegen Dilettanten verhalt sich
dergleichen spröde, und der da drüben scheint auch nicht viel davon zu ver¬
stehen --

Gar nichts, siel Karl mit schwerem Töne ein, er war dafür, daß Vater das
lenkbare Luftschiff erfände, und die Nothnagels Geld dran verdienten -- weiter ver¬
stand er nichts davon.

Nun also, fuhr der Fremde fort, während Line den Bruder verwundert ansah,
verkaufen Sie's mir.

Verkauf es, Karl, bat die Schwester leise, ihr siel gar nicht ein, das; die Hälfte
Recht an dem Luftschiff ihr Recht war.

Ackermann riiusperte sich- Sogleich? So Hals über Kopf? Er meinte, die
Geschwister würden mehr Geld für den goldnen Engel bekommen, wenn sie zu
zeigen vermöchten, durch welche" Handgriff er gelenkt worden war. Karl mußte
es ja finden, es war ja so einfach gewesen. Opfer hatte der Engel wahrlich genug
gekostet, mochte er nun auch etwas einbringen.

Karl dachte nicht an die Städelschen Schulden, nicht an die Verpflichtungen
gegen Ackermann, nicht an das Geld, das ihnen der Goldne nach einem jahrzehntealten
Versprechen bringen sollte; er dachte um seines Vaters Ruhm und wünschte etwas
Fertiges aus der Hand zu geben, damit es den Namen Städel in die Welt hinaus¬
trüge, als den, dem es endlich gelungen war. Gab er jetzt die Bruchstücke her,
und der Mann, der mit gierigen Augen vor ihm stand, fand den Zusammenhang
wieder, so trug der Ehre und Erfolg als leichte Beute davon, den Vater aber
nannte höchstens ein wenig gelesenes Buch über die Geschichte der Luftschiffahrt
als einen von den Hunderten, die versucht hatten, die Luft zu überwinden, und
dabei gescheitert waren.

Nein.

Karl sprach dies Nein so laut und deutlich, daß Line zusammenschrak. Dann
fügte er ruhiger hinzin Sie müßten die Katze im Sack kaufen, oder ich müßte die
Arbeit eines Menschenlebens verschenken -- das kann ich auch nicht. Lassen Sie
mich sehen, was ich aus dem Übriggebliebnen und meiner Erinnerung zusammen¬
bringe, und dann noch einmal darüber reden.

Line sah den Bruder entsetzt an. Karl! Du -- du nullst --!
'

Ackermnuu legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. S ist recht so,
's ist gut so, Fräulein Linchen. Was für einen Preis soll einer machen, der nicht
weiß, was er verkauft? Erst mal besinnen.

Line dachte an die Schulden und an alles, was Ackermann für den Lenk¬
baren gethan hatte, und schwieg. Aber die Angst, die alte Angst vor dem Gespenst,
die sie heute unter stillen Thränen und heißen Gebeten mit in die Erde gebettet
zu haben meinte, war wieder da und packte sie noch rauher als vorher.

Wars jetzt nicht besser, wenn das Modell schadlos unter seinem Glaskasten
stünde?

Barmherziger Gott, und ich bat dich zu thun, was gut sei!

Es gab noch ein kurzes Hinundherreden, dann beschieden sich die Fremden.
Der Offizier sagte: Wenn Sie irgend Rat und Förderung brauchen, Herr Städel,
wenden Sie sich an uns. Ich werde den günstigsten Bericht erstatten und jederzeit
für Ihren goldnen Engel zu haben sein.

Der andre sagte noch weniger, dachte aber: ich komme wieder.

(Fortsetzung folgt)




ver goldne Gngel

haben sich nicht selbst mit der Sache abgegeben, gegen Dilettanten verhalt sich
dergleichen spröde, und der da drüben scheint auch nicht viel davon zu ver¬
stehen —

Gar nichts, siel Karl mit schwerem Töne ein, er war dafür, daß Vater das
lenkbare Luftschiff erfände, und die Nothnagels Geld dran verdienten — weiter ver¬
stand er nichts davon.

Nun also, fuhr der Fremde fort, während Line den Bruder verwundert ansah,
verkaufen Sie's mir.

Verkauf es, Karl, bat die Schwester leise, ihr siel gar nicht ein, das; die Hälfte
Recht an dem Luftschiff ihr Recht war.

Ackermann riiusperte sich- Sogleich? So Hals über Kopf? Er meinte, die
Geschwister würden mehr Geld für den goldnen Engel bekommen, wenn sie zu
zeigen vermöchten, durch welche» Handgriff er gelenkt worden war. Karl mußte
es ja finden, es war ja so einfach gewesen. Opfer hatte der Engel wahrlich genug
gekostet, mochte er nun auch etwas einbringen.

Karl dachte nicht an die Städelschen Schulden, nicht an die Verpflichtungen
gegen Ackermann, nicht an das Geld, das ihnen der Goldne nach einem jahrzehntealten
Versprechen bringen sollte; er dachte um seines Vaters Ruhm und wünschte etwas
Fertiges aus der Hand zu geben, damit es den Namen Städel in die Welt hinaus¬
trüge, als den, dem es endlich gelungen war. Gab er jetzt die Bruchstücke her,
und der Mann, der mit gierigen Augen vor ihm stand, fand den Zusammenhang
wieder, so trug der Ehre und Erfolg als leichte Beute davon, den Vater aber
nannte höchstens ein wenig gelesenes Buch über die Geschichte der Luftschiffahrt
als einen von den Hunderten, die versucht hatten, die Luft zu überwinden, und
dabei gescheitert waren.

Nein.

Karl sprach dies Nein so laut und deutlich, daß Line zusammenschrak. Dann
fügte er ruhiger hinzin Sie müßten die Katze im Sack kaufen, oder ich müßte die
Arbeit eines Menschenlebens verschenken — das kann ich auch nicht. Lassen Sie
mich sehen, was ich aus dem Übriggebliebnen und meiner Erinnerung zusammen¬
bringe, und dann noch einmal darüber reden.

Line sah den Bruder entsetzt an. Karl! Du — du nullst —!
'

Ackermnuu legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. S ist recht so,
's ist gut so, Fräulein Linchen. Was für einen Preis soll einer machen, der nicht
weiß, was er verkauft? Erst mal besinnen.

Line dachte an die Schulden und an alles, was Ackermann für den Lenk¬
baren gethan hatte, und schwieg. Aber die Angst, die alte Angst vor dem Gespenst,
die sie heute unter stillen Thränen und heißen Gebeten mit in die Erde gebettet
zu haben meinte, war wieder da und packte sie noch rauher als vorher.

Wars jetzt nicht besser, wenn das Modell schadlos unter seinem Glaskasten
stünde?

Barmherziger Gott, und ich bat dich zu thun, was gut sei!

Es gab noch ein kurzes Hinundherreden, dann beschieden sich die Fremden.
Der Offizier sagte: Wenn Sie irgend Rat und Förderung brauchen, Herr Städel,
wenden Sie sich an uns. Ich werde den günstigsten Bericht erstatten und jederzeit
für Ihren goldnen Engel zu haben sein.

Der andre sagte noch weniger, dachte aber: ich komme wieder.

(Fortsetzung folgt)




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[0452] ver goldne Gngel haben sich nicht selbst mit der Sache abgegeben, gegen Dilettanten verhalt sich dergleichen spröde, und der da drüben scheint auch nicht viel davon zu ver¬ stehen — Gar nichts, siel Karl mit schwerem Töne ein, er war dafür, daß Vater das lenkbare Luftschiff erfände, und die Nothnagels Geld dran verdienten — weiter ver¬ stand er nichts davon. Nun also, fuhr der Fremde fort, während Line den Bruder verwundert ansah, verkaufen Sie's mir. Verkauf es, Karl, bat die Schwester leise, ihr siel gar nicht ein, das; die Hälfte Recht an dem Luftschiff ihr Recht war. Ackermann riiusperte sich- Sogleich? So Hals über Kopf? Er meinte, die Geschwister würden mehr Geld für den goldnen Engel bekommen, wenn sie zu zeigen vermöchten, durch welche» Handgriff er gelenkt worden war. Karl mußte es ja finden, es war ja so einfach gewesen. Opfer hatte der Engel wahrlich genug gekostet, mochte er nun auch etwas einbringen. Karl dachte nicht an die Städelschen Schulden, nicht an die Verpflichtungen gegen Ackermann, nicht an das Geld, das ihnen der Goldne nach einem jahrzehntealten Versprechen bringen sollte; er dachte um seines Vaters Ruhm und wünschte etwas Fertiges aus der Hand zu geben, damit es den Namen Städel in die Welt hinaus¬ trüge, als den, dem es endlich gelungen war. Gab er jetzt die Bruchstücke her, und der Mann, der mit gierigen Augen vor ihm stand, fand den Zusammenhang wieder, so trug der Ehre und Erfolg als leichte Beute davon, den Vater aber nannte höchstens ein wenig gelesenes Buch über die Geschichte der Luftschiffahrt als einen von den Hunderten, die versucht hatten, die Luft zu überwinden, und dabei gescheitert waren. Nein. Karl sprach dies Nein so laut und deutlich, daß Line zusammenschrak. Dann fügte er ruhiger hinzin Sie müßten die Katze im Sack kaufen, oder ich müßte die Arbeit eines Menschenlebens verschenken — das kann ich auch nicht. Lassen Sie mich sehen, was ich aus dem Übriggebliebnen und meiner Erinnerung zusammen¬ bringe, und dann noch einmal darüber reden. Line sah den Bruder entsetzt an. Karl! Du — du nullst —! ' Ackermnuu legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. S ist recht so, 's ist gut so, Fräulein Linchen. Was für einen Preis soll einer machen, der nicht weiß, was er verkauft? Erst mal besinnen. Line dachte an die Schulden und an alles, was Ackermann für den Lenk¬ baren gethan hatte, und schwieg. Aber die Angst, die alte Angst vor dem Gespenst, die sie heute unter stillen Thränen und heißen Gebeten mit in die Erde gebettet zu haben meinte, war wieder da und packte sie noch rauher als vorher. Wars jetzt nicht besser, wenn das Modell schadlos unter seinem Glaskasten stünde? Barmherziger Gott, und ich bat dich zu thun, was gut sei! Es gab noch ein kurzes Hinundherreden, dann beschieden sich die Fremden. Der Offizier sagte: Wenn Sie irgend Rat und Förderung brauchen, Herr Städel, wenden Sie sich an uns. Ich werde den günstigsten Bericht erstatten und jederzeit für Ihren goldnen Engel zu haben sein. Der andre sagte noch weniger, dachte aber: ich komme wieder. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/452>, abgerufen am 23.07.2024.