Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Reinhold Festigkeit, die auch den letzten Rest von Gewissensbedenken verschwinden läßt. Von der zuletzt augefllhrten Stelle ab bis zu Ende führen Wille und Reinhold Festigkeit, die auch den letzten Rest von Gewissensbedenken verschwinden läßt. Von der zuletzt augefllhrten Stelle ab bis zu Ende führen Wille und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230124"/> <fw type="header" place="top"> Reinhold</fw><lb/> <p xml:id="ID_1765" prev="#ID_1764"> Festigkeit, die auch den letzten Rest von Gewissensbedenken verschwinden läßt.<lb/> Nicht nur äußerlich wird die thatsächliche Macht zum Recht, sondern auch<lb/> innerlich begründet nud gerechtfertigt durch die Selbstbehauptung des Willens<lb/> auf dem Fleck, den die strenge Kausalität der Dinge ihm einmal angewiesen<lb/> hat" (S. 614 bis 615). Weist ihm aber „die strenge Kausalität der Dinge"<lb/> durch eine Revolution einen andern Fleck an, so hat er sich auch darein zu<lb/> fügen; und dann: was ist denn die Idee? In manchen Büchern ist sie eine<lb/> philosophische Redensart, hinter der sich Unwissenheit und Ratlosigkeit ver¬<lb/> bergen. In diesem Falle ist sie ein Nichts, und über ein Nichts verliert mau<lb/> keine Worte. In Wirklichkeit giebt es nicht eine Idee, sondern viele Ideen,<lb/> die den Inhalt des höhern Menschendaseins ausmachen, und unter diesen Ideen<lb/> sind die der Liebe und Gerechtigkeit die vornehmsten, und wo die herrschen,<lb/> da erklärt man die oben beschriebne Art Dank gegen Gott für gotteslästerlich.<lb/> Bei Hegel bedeutet die Idee den Weltgrund. Uns Christen gilt Gott als<lb/> Weltgrund, derselbe Gott, der beim Weltgericht sprechen wird: Weichet von mir,<lb/> ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt<lb/> mich nicht gespeist usw. Derselbe Gott, der den reichen Mann (Lukas 16) nur<lb/> aus dem Grunde in die Hölle stürzt, wirklich aus gar keinem andern Grnnde,<lb/> als weil er die von Reinhold empfohlne Gesinnung hegt. Man kann auch<lb/> einen andern Gott haben als den christlichen, aber wenn man diesen christlichen<lb/> Gott für eine leere und sogar schädliche Einbildung hält, dann muß man gegen<lb/> das Gerede vom christlichen Staat protestieren und darf nicht zugeben, daß<lb/> ein so verkehrtes und gefährliches Buch, wie das Neue Testament, in den<lb/> Schulen gebraucht wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1766" next="#ID_1767"> Von der zuletzt augefllhrten Stelle ab bis zu Ende führen Wille und<lb/> Idee einen tollen Hexentanz auf. El» paar Proben! „Wer über den Stand¬<lb/> punkt seines jugendfroheu und jugeudzoruigen Idealismus sich emporgetampft<lb/> hat, wird die Untersuchung der deutscheu Philosophie über deu Willen als eine<lb/> Enthüllung über die uns sonst verschlossenen Tiefen des Lebens hinnehmen.<lb/> Die Grundlosigkeit des Willens, seine Souveränität und Subjektivität, sein im<lb/> philosophischen Sinne genommner „Idealismus" erklären jede irrationale, harte<lb/> und schreckliche Thatsächlichkeit, seine aus einander fahrende Besonderheit und<lb/> verständnislose Kälte für fremdes Leben, die unsre »ach Gründen fragende<lb/> Vernunft zu nie ablasfendem Widerspruch aufbringt" (S. 616). „Die Summe<lb/> des Willens läßt eine Welt erkennen, in der es nie einen Frieden und nie<lb/> eine Gerechtigkeit geben wird. Diese Erkenntnis ist zugleich ein Opfer und ein<lb/> Triumph des Intellekts. Sie ist eine sittliche That, weil sie die starke An¬<lb/> eignung der Wahrheit gegen deu Wunsch und Zug des Herzens ster, nebenbei<lb/> bemerkt, die Lehre vom bösen Willen Lügen straftj enthält, das mit Aufopfe¬<lb/> rung seiner edelsten Illusionen fast sei» Leben preisgiebt" (S. 617). „Die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
Reinhold
Festigkeit, die auch den letzten Rest von Gewissensbedenken verschwinden läßt.
Nicht nur äußerlich wird die thatsächliche Macht zum Recht, sondern auch
innerlich begründet nud gerechtfertigt durch die Selbstbehauptung des Willens
auf dem Fleck, den die strenge Kausalität der Dinge ihm einmal angewiesen
hat" (S. 614 bis 615). Weist ihm aber „die strenge Kausalität der Dinge"
durch eine Revolution einen andern Fleck an, so hat er sich auch darein zu
fügen; und dann: was ist denn die Idee? In manchen Büchern ist sie eine
philosophische Redensart, hinter der sich Unwissenheit und Ratlosigkeit ver¬
bergen. In diesem Falle ist sie ein Nichts, und über ein Nichts verliert mau
keine Worte. In Wirklichkeit giebt es nicht eine Idee, sondern viele Ideen,
die den Inhalt des höhern Menschendaseins ausmachen, und unter diesen Ideen
sind die der Liebe und Gerechtigkeit die vornehmsten, und wo die herrschen,
da erklärt man die oben beschriebne Art Dank gegen Gott für gotteslästerlich.
Bei Hegel bedeutet die Idee den Weltgrund. Uns Christen gilt Gott als
Weltgrund, derselbe Gott, der beim Weltgericht sprechen wird: Weichet von mir,
ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt
mich nicht gespeist usw. Derselbe Gott, der den reichen Mann (Lukas 16) nur
aus dem Grunde in die Hölle stürzt, wirklich aus gar keinem andern Grnnde,
als weil er die von Reinhold empfohlne Gesinnung hegt. Man kann auch
einen andern Gott haben als den christlichen, aber wenn man diesen christlichen
Gott für eine leere und sogar schädliche Einbildung hält, dann muß man gegen
das Gerede vom christlichen Staat protestieren und darf nicht zugeben, daß
ein so verkehrtes und gefährliches Buch, wie das Neue Testament, in den
Schulen gebraucht wird.
Von der zuletzt augefllhrten Stelle ab bis zu Ende führen Wille und
Idee einen tollen Hexentanz auf. El» paar Proben! „Wer über den Stand¬
punkt seines jugendfroheu und jugeudzoruigen Idealismus sich emporgetampft
hat, wird die Untersuchung der deutscheu Philosophie über deu Willen als eine
Enthüllung über die uns sonst verschlossenen Tiefen des Lebens hinnehmen.
Die Grundlosigkeit des Willens, seine Souveränität und Subjektivität, sein im
philosophischen Sinne genommner „Idealismus" erklären jede irrationale, harte
und schreckliche Thatsächlichkeit, seine aus einander fahrende Besonderheit und
verständnislose Kälte für fremdes Leben, die unsre »ach Gründen fragende
Vernunft zu nie ablasfendem Widerspruch aufbringt" (S. 616). „Die Summe
des Willens läßt eine Welt erkennen, in der es nie einen Frieden und nie
eine Gerechtigkeit geben wird. Diese Erkenntnis ist zugleich ein Opfer und ein
Triumph des Intellekts. Sie ist eine sittliche That, weil sie die starke An¬
eignung der Wahrheit gegen deu Wunsch und Zug des Herzens ster, nebenbei
bemerkt, die Lehre vom bösen Willen Lügen straftj enthält, das mit Aufopfe¬
rung seiner edelsten Illusionen fast sei» Leben preisgiebt" (S. 617). „Die
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