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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Ein deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien

aus alle Gassen in gleicher Entfernung von einander schnurgerade ausliefen.*)
Und als mit dem Bau begonnen wurde, da kam von überall her erwünschter
Sukkurs: die eine Reduktion schickte fünfzig Indianer mit hundert Ochsen, eine
andre dreißig mit ebenso viel Zugtieren. Andre sandten Maultiere und seine
getreue frühere Dorfschaft Japeyu hundert starke Pferde.

So wurden den" gewaltige Cedern aus den Wäldern herbeigeführt, Ziegel
gebrannt, schwere Steinquadern zurechtgehauen, alles unter lustigem Trommel¬
nno Pfeifenklang. Im Laufe eines Jahres gelang es, die Kirche nebst Pfarr¬
hof zu errichten, und auch der Bau der Indianerhütten ging rüstig vorwärts.
Da trifft abermals ein Erlaß des Provinzials ein, der Sepp außer seinem
neuen Dorf die Seelsorge auch für seinen frühern Sitz Se. Michael überträgt,
das einen Tagmarsch vom erstem entfernt liegt. Aber der geduldige Mann
nimmt gehorsam auch die neue Bürde auf sich. Mit unermüdlichem Eifer
waltet er des doppelten Amtes, bis es ihm schließlich vergönnt wird, sich
ganz seiner neuen Kolonie zu widmen. Besonders die Ausschmückung der neu
erbauten Kirche ist es, der er nun seine Sorgfalt zuwendet. Nach einem in
Madrid befindlichen Vorbild wird das Tabernakel des Hochaltars aus Cedern-
holz angefertigt und mit Perlmutter, Halbedelsteinen, an denen das Uruguay¬
gebiet besonders reich ist, und kleinen Spiegelgläsern kunstvoll verziert. Den¬
selben Schmuck weist die reich vergoldete Kanzel auf. Die Nebenaltäre sind,
wie die ganze Kirche, mit Gemälden geschmückt, einer davon, der von einer
andern Reduktion stammt, wo die Indianer sich besonders in der Bildhauer¬
kunst auszeichnen, kam auf tausend Reichsthaler zu stehen. Dieselbe Summe
kosteten fünf Statuen aus Cedernholz. Vor dem Hochaltar hängt ein über-
silberter Leuchter von der Decke herab, der dreißig Kerzenstöcke trügt. In
dem an die Kirche sich anschließenden Gottesacker erhebt sich eine gleichfalls
nach europäischem Muster angelegte steinerne Kapelle mit Kuppelbau.

Aber neben dieser künstlerischen Thätigkeit verabsäumt unser Pater seine
Pflichten als Landwirt nicht. Drei Tage braucht er, wenn er um alle seine
Weiden und Felder reiten will, fast so viel, als wenn er von Trient nach
Innsbruck reisen sollte. Allein das Gebiet, das der Schafweide dient, ist nach
seiner Angabe länger und breiter und dabei fruchtbarer, als das berühmte
Lechfeld bei Augsburg. Als er einst, mehrere Jahre nach der Gründung der
neuen Kolonie, seinen Prokurator zur Zählung des Rindviehs ausschickte,
zählte dieser über 60000 Kühe und 20000 junge Kälber, die allein in einem
Sommer von ihren Müttern gefallen waren. Auch der Ertrag seiner Baum-



") Ob hier bei Pater Sepp nicht eine kleine Selbsttäuschung mit unterlief? Sieben seinen
eignen schöpferischen Ideen mochte für ihn bei Anlage der Ortschaft in oben geschilderter Weise
vor allem die Erinnerung an die früher in Pnraqunria gesehenen Neduttionsanlagcn vorbildlich
wirken.
Ein deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien

aus alle Gassen in gleicher Entfernung von einander schnurgerade ausliefen.*)
Und als mit dem Bau begonnen wurde, da kam von überall her erwünschter
Sukkurs: die eine Reduktion schickte fünfzig Indianer mit hundert Ochsen, eine
andre dreißig mit ebenso viel Zugtieren. Andre sandten Maultiere und seine
getreue frühere Dorfschaft Japeyu hundert starke Pferde.

So wurden den» gewaltige Cedern aus den Wäldern herbeigeführt, Ziegel
gebrannt, schwere Steinquadern zurechtgehauen, alles unter lustigem Trommel¬
nno Pfeifenklang. Im Laufe eines Jahres gelang es, die Kirche nebst Pfarr¬
hof zu errichten, und auch der Bau der Indianerhütten ging rüstig vorwärts.
Da trifft abermals ein Erlaß des Provinzials ein, der Sepp außer seinem
neuen Dorf die Seelsorge auch für seinen frühern Sitz Se. Michael überträgt,
das einen Tagmarsch vom erstem entfernt liegt. Aber der geduldige Mann
nimmt gehorsam auch die neue Bürde auf sich. Mit unermüdlichem Eifer
waltet er des doppelten Amtes, bis es ihm schließlich vergönnt wird, sich
ganz seiner neuen Kolonie zu widmen. Besonders die Ausschmückung der neu
erbauten Kirche ist es, der er nun seine Sorgfalt zuwendet. Nach einem in
Madrid befindlichen Vorbild wird das Tabernakel des Hochaltars aus Cedern-
holz angefertigt und mit Perlmutter, Halbedelsteinen, an denen das Uruguay¬
gebiet besonders reich ist, und kleinen Spiegelgläsern kunstvoll verziert. Den¬
selben Schmuck weist die reich vergoldete Kanzel auf. Die Nebenaltäre sind,
wie die ganze Kirche, mit Gemälden geschmückt, einer davon, der von einer
andern Reduktion stammt, wo die Indianer sich besonders in der Bildhauer¬
kunst auszeichnen, kam auf tausend Reichsthaler zu stehen. Dieselbe Summe
kosteten fünf Statuen aus Cedernholz. Vor dem Hochaltar hängt ein über-
silberter Leuchter von der Decke herab, der dreißig Kerzenstöcke trügt. In
dem an die Kirche sich anschließenden Gottesacker erhebt sich eine gleichfalls
nach europäischem Muster angelegte steinerne Kapelle mit Kuppelbau.

Aber neben dieser künstlerischen Thätigkeit verabsäumt unser Pater seine
Pflichten als Landwirt nicht. Drei Tage braucht er, wenn er um alle seine
Weiden und Felder reiten will, fast so viel, als wenn er von Trient nach
Innsbruck reisen sollte. Allein das Gebiet, das der Schafweide dient, ist nach
seiner Angabe länger und breiter und dabei fruchtbarer, als das berühmte
Lechfeld bei Augsburg. Als er einst, mehrere Jahre nach der Gründung der
neuen Kolonie, seinen Prokurator zur Zählung des Rindviehs ausschickte,
zählte dieser über 60000 Kühe und 20000 junge Kälber, die allein in einem
Sommer von ihren Müttern gefallen waren. Auch der Ertrag seiner Baum-



») Ob hier bei Pater Sepp nicht eine kleine Selbsttäuschung mit unterlief? Sieben seinen
eignen schöpferischen Ideen mochte für ihn bei Anlage der Ortschaft in oben geschilderter Weise
vor allem die Erinnerung an die früher in Pnraqunria gesehenen Neduttionsanlagcn vorbildlich
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[0272] Ein deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien aus alle Gassen in gleicher Entfernung von einander schnurgerade ausliefen.*) Und als mit dem Bau begonnen wurde, da kam von überall her erwünschter Sukkurs: die eine Reduktion schickte fünfzig Indianer mit hundert Ochsen, eine andre dreißig mit ebenso viel Zugtieren. Andre sandten Maultiere und seine getreue frühere Dorfschaft Japeyu hundert starke Pferde. So wurden den» gewaltige Cedern aus den Wäldern herbeigeführt, Ziegel gebrannt, schwere Steinquadern zurechtgehauen, alles unter lustigem Trommel¬ nno Pfeifenklang. Im Laufe eines Jahres gelang es, die Kirche nebst Pfarr¬ hof zu errichten, und auch der Bau der Indianerhütten ging rüstig vorwärts. Da trifft abermals ein Erlaß des Provinzials ein, der Sepp außer seinem neuen Dorf die Seelsorge auch für seinen frühern Sitz Se. Michael überträgt, das einen Tagmarsch vom erstem entfernt liegt. Aber der geduldige Mann nimmt gehorsam auch die neue Bürde auf sich. Mit unermüdlichem Eifer waltet er des doppelten Amtes, bis es ihm schließlich vergönnt wird, sich ganz seiner neuen Kolonie zu widmen. Besonders die Ausschmückung der neu erbauten Kirche ist es, der er nun seine Sorgfalt zuwendet. Nach einem in Madrid befindlichen Vorbild wird das Tabernakel des Hochaltars aus Cedern- holz angefertigt und mit Perlmutter, Halbedelsteinen, an denen das Uruguay¬ gebiet besonders reich ist, und kleinen Spiegelgläsern kunstvoll verziert. Den¬ selben Schmuck weist die reich vergoldete Kanzel auf. Die Nebenaltäre sind, wie die ganze Kirche, mit Gemälden geschmückt, einer davon, der von einer andern Reduktion stammt, wo die Indianer sich besonders in der Bildhauer¬ kunst auszeichnen, kam auf tausend Reichsthaler zu stehen. Dieselbe Summe kosteten fünf Statuen aus Cedernholz. Vor dem Hochaltar hängt ein über- silberter Leuchter von der Decke herab, der dreißig Kerzenstöcke trügt. In dem an die Kirche sich anschließenden Gottesacker erhebt sich eine gleichfalls nach europäischem Muster angelegte steinerne Kapelle mit Kuppelbau. Aber neben dieser künstlerischen Thätigkeit verabsäumt unser Pater seine Pflichten als Landwirt nicht. Drei Tage braucht er, wenn er um alle seine Weiden und Felder reiten will, fast so viel, als wenn er von Trient nach Innsbruck reisen sollte. Allein das Gebiet, das der Schafweide dient, ist nach seiner Angabe länger und breiter und dabei fruchtbarer, als das berühmte Lechfeld bei Augsburg. Als er einst, mehrere Jahre nach der Gründung der neuen Kolonie, seinen Prokurator zur Zählung des Rindviehs ausschickte, zählte dieser über 60000 Kühe und 20000 junge Kälber, die allein in einem Sommer von ihren Müttern gefallen waren. Auch der Ertrag seiner Baum- ») Ob hier bei Pater Sepp nicht eine kleine Selbsttäuschung mit unterlief? Sieben seinen eignen schöpferischen Ideen mochte für ihn bei Anlage der Ortschaft in oben geschilderter Weise vor allem die Erinnerung an die früher in Pnraqunria gesehenen Neduttionsanlagcn vorbildlich wirken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/272>, abgerufen am 23.07.2024.