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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Lin deutscher Jesuitenpater eilf Aoloiäsator in Südbrasilie"

Wollfelder ist recht erfreulich. Im dritten Jahre nach der Erbauung der Dorf¬
schaft weisen die Pflanzungen über 300000 Baumwollstöcke auf, die in einem
fruchtbaren Jahre mehr als 4000 Zentner der geschätzten Faser einbringen.
Die Arbeit des "Klaubens" der Baumwolle besorgen die Mädchen, die hernach
zur Belohnung jede ein "schneeweißes langes Hemmetlein" erhalten. In der¬
selben Zeit haben ihm seine "obwohlen träge" Indianerinnen mehr als 20000
Ellen baumwollne Leinwand gesponnen, wovon 14000 an die nahenden Pfarr¬
kinder ausgeteilt werden. Die übrige Masse wird nach Buenos Aires geschickt,
wo die Elle einen Preis nahezu von einem halben Reichsthaler erzielt. Den
größten Triumph aber feiert Pater Sepp, als es ihm gelingt, ganz nahe bei
seiner Reduktion ein Metall zu entdecken, dessen Mangel sich immer in der
empfindlichsten Weise fühlbar gemacht hatte.

Über sieben Jahre waren verflossen, seit das letzte Schiff aus Spanien
in Buenos Aires eingelaufen war, und Eisen und Stahl, die man nur aus
dem Mutterlande beziehen konnte, waren höchst selten geworden. Da in der
größten Not, nachdem er vielfach zu Gott und den Heiligen gebetet, entdeckte
Pater Sepp ein ergiebiges Lager von Eisenerzen, wie es scheint, Raseneisen¬
stein. Ob dieses an ein Wunder grenzende Ereignis der Fürbitte der allezeit
wunderthätigen Mutter Gottes von Alten-Öttingen und seines Patrons, des
heiligen Antonius von Padua, zu verdanke" sei, oder aber der Beihilfe der
armen Seelen im Fegefeuer, denen er zu diesem Behuf etliche heilige Messer
gelesen hatte, wagt Sepp nicht zu entscheiden. Zur Ausnutzung dieser Gottes-
gabe werden sogleich Schmelzöfen erbaut und durch ein sinnreiches Verfahren
lange eiserne Stangen hergestellt, aus denen dann die verschiedensten Werkzeuge
geformt werden können. Aber anch Waffen muß die neue Entdeckung liefern,
denn die Reduktion ist die der brasilischen, also portugiesischen Grenze am
nächsten gelegne Ortschaft. Darum ist auch die Bevölkerung immer bereit,
mit gewaffneter Hand jedem Friedensstörer entgegenzutreten. Die Infanterie,
unter dem Befehl von Kriegsobersten und Kapitänen, bestand aus Pikeuierern,
sowie Pfeilschützen und Schlingenwerfern, auch Musketiere gab es, nur waren
sie so feuerscheu, daß man sie kaum zum Losbrennen der Musketen zu bringen
vermochte. Die Reiter werden Wohl neben Pfeil und Bogen vor allem die
Wurfschlinge, das Lasso, als Waffe geführt haben. Aber auch mit den bürger¬
lichen Einrichtungen war es Wohl bestellt: Bürgermeister und Ratsherren,
Richter, Zunft- und Rentmeister gab es genau so, wie in einer wohlbestellten
Bürgerschaft des damaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation, und
alle waren sie rein indianischer Abstammung, da ja außer den Patres kein
Europäer in dem "Gottesstaat" geduldet wurde.

Dies mag genügen, uns ungefähr einen Begriff von der Art und Weife zu
geben, wie die Jesuiten kolonisierten, und welche Erfolge sie erzielten. An der
Wahrhaftigkeit Sepps zu zweifeln haben wir umso weniger Grund, als er


Grenzbow, 1 1899 34
Lin deutscher Jesuitenpater eilf Aoloiäsator in Südbrasilie»

Wollfelder ist recht erfreulich. Im dritten Jahre nach der Erbauung der Dorf¬
schaft weisen die Pflanzungen über 300000 Baumwollstöcke auf, die in einem
fruchtbaren Jahre mehr als 4000 Zentner der geschätzten Faser einbringen.
Die Arbeit des „Klaubens" der Baumwolle besorgen die Mädchen, die hernach
zur Belohnung jede ein „schneeweißes langes Hemmetlein" erhalten. In der¬
selben Zeit haben ihm seine „obwohlen träge" Indianerinnen mehr als 20000
Ellen baumwollne Leinwand gesponnen, wovon 14000 an die nahenden Pfarr¬
kinder ausgeteilt werden. Die übrige Masse wird nach Buenos Aires geschickt,
wo die Elle einen Preis nahezu von einem halben Reichsthaler erzielt. Den
größten Triumph aber feiert Pater Sepp, als es ihm gelingt, ganz nahe bei
seiner Reduktion ein Metall zu entdecken, dessen Mangel sich immer in der
empfindlichsten Weise fühlbar gemacht hatte.

Über sieben Jahre waren verflossen, seit das letzte Schiff aus Spanien
in Buenos Aires eingelaufen war, und Eisen und Stahl, die man nur aus
dem Mutterlande beziehen konnte, waren höchst selten geworden. Da in der
größten Not, nachdem er vielfach zu Gott und den Heiligen gebetet, entdeckte
Pater Sepp ein ergiebiges Lager von Eisenerzen, wie es scheint, Raseneisen¬
stein. Ob dieses an ein Wunder grenzende Ereignis der Fürbitte der allezeit
wunderthätigen Mutter Gottes von Alten-Öttingen und seines Patrons, des
heiligen Antonius von Padua, zu verdanke» sei, oder aber der Beihilfe der
armen Seelen im Fegefeuer, denen er zu diesem Behuf etliche heilige Messer
gelesen hatte, wagt Sepp nicht zu entscheiden. Zur Ausnutzung dieser Gottes-
gabe werden sogleich Schmelzöfen erbaut und durch ein sinnreiches Verfahren
lange eiserne Stangen hergestellt, aus denen dann die verschiedensten Werkzeuge
geformt werden können. Aber anch Waffen muß die neue Entdeckung liefern,
denn die Reduktion ist die der brasilischen, also portugiesischen Grenze am
nächsten gelegne Ortschaft. Darum ist auch die Bevölkerung immer bereit,
mit gewaffneter Hand jedem Friedensstörer entgegenzutreten. Die Infanterie,
unter dem Befehl von Kriegsobersten und Kapitänen, bestand aus Pikeuierern,
sowie Pfeilschützen und Schlingenwerfern, auch Musketiere gab es, nur waren
sie so feuerscheu, daß man sie kaum zum Losbrennen der Musketen zu bringen
vermochte. Die Reiter werden Wohl neben Pfeil und Bogen vor allem die
Wurfschlinge, das Lasso, als Waffe geführt haben. Aber auch mit den bürger¬
lichen Einrichtungen war es Wohl bestellt: Bürgermeister und Ratsherren,
Richter, Zunft- und Rentmeister gab es genau so, wie in einer wohlbestellten
Bürgerschaft des damaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation, und
alle waren sie rein indianischer Abstammung, da ja außer den Patres kein
Europäer in dem „Gottesstaat" geduldet wurde.

Dies mag genügen, uns ungefähr einen Begriff von der Art und Weife zu
geben, wie die Jesuiten kolonisierten, und welche Erfolge sie erzielten. An der
Wahrhaftigkeit Sepps zu zweifeln haben wir umso weniger Grund, als er


Grenzbow, 1 1899 34
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[0273] Lin deutscher Jesuitenpater eilf Aoloiäsator in Südbrasilie» Wollfelder ist recht erfreulich. Im dritten Jahre nach der Erbauung der Dorf¬ schaft weisen die Pflanzungen über 300000 Baumwollstöcke auf, die in einem fruchtbaren Jahre mehr als 4000 Zentner der geschätzten Faser einbringen. Die Arbeit des „Klaubens" der Baumwolle besorgen die Mädchen, die hernach zur Belohnung jede ein „schneeweißes langes Hemmetlein" erhalten. In der¬ selben Zeit haben ihm seine „obwohlen träge" Indianerinnen mehr als 20000 Ellen baumwollne Leinwand gesponnen, wovon 14000 an die nahenden Pfarr¬ kinder ausgeteilt werden. Die übrige Masse wird nach Buenos Aires geschickt, wo die Elle einen Preis nahezu von einem halben Reichsthaler erzielt. Den größten Triumph aber feiert Pater Sepp, als es ihm gelingt, ganz nahe bei seiner Reduktion ein Metall zu entdecken, dessen Mangel sich immer in der empfindlichsten Weise fühlbar gemacht hatte. Über sieben Jahre waren verflossen, seit das letzte Schiff aus Spanien in Buenos Aires eingelaufen war, und Eisen und Stahl, die man nur aus dem Mutterlande beziehen konnte, waren höchst selten geworden. Da in der größten Not, nachdem er vielfach zu Gott und den Heiligen gebetet, entdeckte Pater Sepp ein ergiebiges Lager von Eisenerzen, wie es scheint, Raseneisen¬ stein. Ob dieses an ein Wunder grenzende Ereignis der Fürbitte der allezeit wunderthätigen Mutter Gottes von Alten-Öttingen und seines Patrons, des heiligen Antonius von Padua, zu verdanke» sei, oder aber der Beihilfe der armen Seelen im Fegefeuer, denen er zu diesem Behuf etliche heilige Messer gelesen hatte, wagt Sepp nicht zu entscheiden. Zur Ausnutzung dieser Gottes- gabe werden sogleich Schmelzöfen erbaut und durch ein sinnreiches Verfahren lange eiserne Stangen hergestellt, aus denen dann die verschiedensten Werkzeuge geformt werden können. Aber anch Waffen muß die neue Entdeckung liefern, denn die Reduktion ist die der brasilischen, also portugiesischen Grenze am nächsten gelegne Ortschaft. Darum ist auch die Bevölkerung immer bereit, mit gewaffneter Hand jedem Friedensstörer entgegenzutreten. Die Infanterie, unter dem Befehl von Kriegsobersten und Kapitänen, bestand aus Pikeuierern, sowie Pfeilschützen und Schlingenwerfern, auch Musketiere gab es, nur waren sie so feuerscheu, daß man sie kaum zum Losbrennen der Musketen zu bringen vermochte. Die Reiter werden Wohl neben Pfeil und Bogen vor allem die Wurfschlinge, das Lasso, als Waffe geführt haben. Aber auch mit den bürger¬ lichen Einrichtungen war es Wohl bestellt: Bürgermeister und Ratsherren, Richter, Zunft- und Rentmeister gab es genau so, wie in einer wohlbestellten Bürgerschaft des damaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation, und alle waren sie rein indianischer Abstammung, da ja außer den Patres kein Europäer in dem „Gottesstaat" geduldet wurde. Dies mag genügen, uns ungefähr einen Begriff von der Art und Weife zu geben, wie die Jesuiten kolonisierten, und welche Erfolge sie erzielten. An der Wahrhaftigkeit Sepps zu zweifeln haben wir umso weniger Grund, als er Grenzbow, 1 1899 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/273>, abgerufen am 23.07.2024.