Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litt deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien

750 Familien, zusammen mehr als 3000 Seelen, erklärten ihre Bereitwilligkeit,
sich seiner Führung anzuvertrauen. Am 13. September 1697 erfolgte der
Auszug in das unbekannte Land, das der Schar eine neue Heimat bieten
sollte. Voran ritt Sepp mit zwei andern Vätern von der nächstgelegnen Re¬
duktion auf schön gezierten Pferden. Ihnen folgten die vornehmsten und
ältesten Kaziken zu Fuß, mit Stäben als Zeichen ihrer Würde in der Hand.
Ebenso trug der Corregidor oder Schultheiß einen Handstock. Die Schalmeien,
Fagotte und Pfeifen der Musikanten weckten mit ihrem hellen Schall, in den
sich das tiefe Brummen der Trommeln mischte, das Echo der Urwälder ringsum,
die noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Zuerst gelangten
sie gegen Sonnenaufgang auf eine große Grasebne, bis diese von sanften
Höhenzügen, heutzutage Cochillas genannt, unterbrochen wurde, in die freund¬
liche, mit Vaumwuchs bedeckte Thäler eingebettet waren. Gegen Abend näherte
sich der Zug einem allmählich in die Höhe steigenden Hügel, den rings kleine
Wäldchen mit stattlichen Baumgruppen umgaben. Vier krystallklare Brünn-
lein entsprangen unter dem dichten Schatten dieser Bäume. Nachdem sich die
Führer der Schar überzeugt hatten, daß hier alle natürlichen Bedingungen
für eine neue Siedlung erfüllt waren, denn auch von allen vier Hauptwindcn
konnte die Anhöhe bestrichen werden, da entschlossen sie sich kurzer Hand mit
Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und verkündeten alsbald der harrenden
Menge: dies sei der Ort, den der allmächtige gütige Gott schon von Ewigkeit
her für sie vorausbestimmt, und von dem er beschlossen habe, er solle nach so
vielen tausend Jahren seiner Erschaffung aus einer Wildnis und Einöde der
Barbaren zu einer christlichen Wohnung und Dorfschaft der katholischen Para-
quarier werden. Dann schlug man am Fuß des Hügels die Zelte auf und
legte sich zur Nachtruhe nieder. Am andern Morgen wurde in aller Frühe
die Anhöhe bestiegen und das heilige Kreuz aufgepflanzt. Pater Antonius
warf sich vor ihm auf die Kniee nieder, betete es an und umfing es mit
beiden Armen. Darauf warfen sich alle Indianer gleichfalls zu Boden und
beteten, während die Musikanten den Ambrosianischen Lobgesang 1s on-uiv.
IkmäÄinus anstimmten. Und die Vorsehung selbst schien ein Zeichen geben zu
wollen, daß sie dieser Stätte hold sei. In dem Zelte eines der Väter hatte
unter dem Lager, auf dem dieser schlummerte, die ganze Nacht hindurch eine
abscheuliche Giftschlange gelegen, ohne daß sie dem Manne Gottes einen Schaden
zugefügt hätte. Am andern Morgen wurde sie von Indianern entdeckt und
getötet.

Nun ging es an die Gründung der neuen Ortschaft, die nach Johannes
dem Täufer Sancti Joannis Baptistae heißen sollte (das heutige Sav Joao).
Die Kciziken samt ihren Unterthanen wurden angewiesen, ihre Jvchochsen für
den Feldbau in Bereitschaft zu setzen, was allerdings in vielen Fällen leichter
gesagt als gethan war. Denn es kam oft genug vor, daß die gefräßigen


Litt deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien

750 Familien, zusammen mehr als 3000 Seelen, erklärten ihre Bereitwilligkeit,
sich seiner Führung anzuvertrauen. Am 13. September 1697 erfolgte der
Auszug in das unbekannte Land, das der Schar eine neue Heimat bieten
sollte. Voran ritt Sepp mit zwei andern Vätern von der nächstgelegnen Re¬
duktion auf schön gezierten Pferden. Ihnen folgten die vornehmsten und
ältesten Kaziken zu Fuß, mit Stäben als Zeichen ihrer Würde in der Hand.
Ebenso trug der Corregidor oder Schultheiß einen Handstock. Die Schalmeien,
Fagotte und Pfeifen der Musikanten weckten mit ihrem hellen Schall, in den
sich das tiefe Brummen der Trommeln mischte, das Echo der Urwälder ringsum,
die noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Zuerst gelangten
sie gegen Sonnenaufgang auf eine große Grasebne, bis diese von sanften
Höhenzügen, heutzutage Cochillas genannt, unterbrochen wurde, in die freund¬
liche, mit Vaumwuchs bedeckte Thäler eingebettet waren. Gegen Abend näherte
sich der Zug einem allmählich in die Höhe steigenden Hügel, den rings kleine
Wäldchen mit stattlichen Baumgruppen umgaben. Vier krystallklare Brünn-
lein entsprangen unter dem dichten Schatten dieser Bäume. Nachdem sich die
Führer der Schar überzeugt hatten, daß hier alle natürlichen Bedingungen
für eine neue Siedlung erfüllt waren, denn auch von allen vier Hauptwindcn
konnte die Anhöhe bestrichen werden, da entschlossen sie sich kurzer Hand mit
Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und verkündeten alsbald der harrenden
Menge: dies sei der Ort, den der allmächtige gütige Gott schon von Ewigkeit
her für sie vorausbestimmt, und von dem er beschlossen habe, er solle nach so
vielen tausend Jahren seiner Erschaffung aus einer Wildnis und Einöde der
Barbaren zu einer christlichen Wohnung und Dorfschaft der katholischen Para-
quarier werden. Dann schlug man am Fuß des Hügels die Zelte auf und
legte sich zur Nachtruhe nieder. Am andern Morgen wurde in aller Frühe
die Anhöhe bestiegen und das heilige Kreuz aufgepflanzt. Pater Antonius
warf sich vor ihm auf die Kniee nieder, betete es an und umfing es mit
beiden Armen. Darauf warfen sich alle Indianer gleichfalls zu Boden und
beteten, während die Musikanten den Ambrosianischen Lobgesang 1s on-uiv.
IkmäÄinus anstimmten. Und die Vorsehung selbst schien ein Zeichen geben zu
wollen, daß sie dieser Stätte hold sei. In dem Zelte eines der Väter hatte
unter dem Lager, auf dem dieser schlummerte, die ganze Nacht hindurch eine
abscheuliche Giftschlange gelegen, ohne daß sie dem Manne Gottes einen Schaden
zugefügt hätte. Am andern Morgen wurde sie von Indianern entdeckt und
getötet.

Nun ging es an die Gründung der neuen Ortschaft, die nach Johannes
dem Täufer Sancti Joannis Baptistae heißen sollte (das heutige Sav Joao).
Die Kciziken samt ihren Unterthanen wurden angewiesen, ihre Jvchochsen für
den Feldbau in Bereitschaft zu setzen, was allerdings in vielen Fällen leichter
gesagt als gethan war. Denn es kam oft genug vor, daß die gefräßigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229956"/>
          <fw type="header" place="top"> Litt deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1089" prev="#ID_1088"> 750 Familien, zusammen mehr als 3000 Seelen, erklärten ihre Bereitwilligkeit,<lb/>
sich seiner Führung anzuvertrauen. Am 13. September 1697 erfolgte der<lb/>
Auszug in das unbekannte Land, das der Schar eine neue Heimat bieten<lb/>
sollte. Voran ritt Sepp mit zwei andern Vätern von der nächstgelegnen Re¬<lb/>
duktion auf schön gezierten Pferden. Ihnen folgten die vornehmsten und<lb/>
ältesten Kaziken zu Fuß, mit Stäben als Zeichen ihrer Würde in der Hand.<lb/>
Ebenso trug der Corregidor oder Schultheiß einen Handstock. Die Schalmeien,<lb/>
Fagotte und Pfeifen der Musikanten weckten mit ihrem hellen Schall, in den<lb/>
sich das tiefe Brummen der Trommeln mischte, das Echo der Urwälder ringsum,<lb/>
die noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Zuerst gelangten<lb/>
sie gegen Sonnenaufgang auf eine große Grasebne, bis diese von sanften<lb/>
Höhenzügen, heutzutage Cochillas genannt, unterbrochen wurde, in die freund¬<lb/>
liche, mit Vaumwuchs bedeckte Thäler eingebettet waren. Gegen Abend näherte<lb/>
sich der Zug einem allmählich in die Höhe steigenden Hügel, den rings kleine<lb/>
Wäldchen mit stattlichen Baumgruppen umgaben. Vier krystallklare Brünn-<lb/>
lein entsprangen unter dem dichten Schatten dieser Bäume. Nachdem sich die<lb/>
Führer der Schar überzeugt hatten, daß hier alle natürlichen Bedingungen<lb/>
für eine neue Siedlung erfüllt waren, denn auch von allen vier Hauptwindcn<lb/>
konnte die Anhöhe bestrichen werden, da entschlossen sie sich kurzer Hand mit<lb/>
Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und verkündeten alsbald der harrenden<lb/>
Menge: dies sei der Ort, den der allmächtige gütige Gott schon von Ewigkeit<lb/>
her für sie vorausbestimmt, und von dem er beschlossen habe, er solle nach so<lb/>
vielen tausend Jahren seiner Erschaffung aus einer Wildnis und Einöde der<lb/>
Barbaren zu einer christlichen Wohnung und Dorfschaft der katholischen Para-<lb/>
quarier werden. Dann schlug man am Fuß des Hügels die Zelte auf und<lb/>
legte sich zur Nachtruhe nieder. Am andern Morgen wurde in aller Frühe<lb/>
die Anhöhe bestiegen und das heilige Kreuz aufgepflanzt. Pater Antonius<lb/>
warf sich vor ihm auf die Kniee nieder, betete es an und umfing es mit<lb/>
beiden Armen. Darauf warfen sich alle Indianer gleichfalls zu Boden und<lb/>
beteten, während die Musikanten den Ambrosianischen Lobgesang 1s on-uiv.<lb/>
IkmäÄinus anstimmten. Und die Vorsehung selbst schien ein Zeichen geben zu<lb/>
wollen, daß sie dieser Stätte hold sei. In dem Zelte eines der Väter hatte<lb/>
unter dem Lager, auf dem dieser schlummerte, die ganze Nacht hindurch eine<lb/>
abscheuliche Giftschlange gelegen, ohne daß sie dem Manne Gottes einen Schaden<lb/>
zugefügt hätte. Am andern Morgen wurde sie von Indianern entdeckt und<lb/>
getötet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1090" next="#ID_1091"> Nun ging es an die Gründung der neuen Ortschaft, die nach Johannes<lb/>
dem Täufer Sancti Joannis Baptistae heißen sollte (das heutige Sav Joao).<lb/>
Die Kciziken samt ihren Unterthanen wurden angewiesen, ihre Jvchochsen für<lb/>
den Feldbau in Bereitschaft zu setzen, was allerdings in vielen Fällen leichter<lb/>
gesagt als gethan war.  Denn es kam oft genug vor, daß die gefräßigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] Litt deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien 750 Familien, zusammen mehr als 3000 Seelen, erklärten ihre Bereitwilligkeit, sich seiner Führung anzuvertrauen. Am 13. September 1697 erfolgte der Auszug in das unbekannte Land, das der Schar eine neue Heimat bieten sollte. Voran ritt Sepp mit zwei andern Vätern von der nächstgelegnen Re¬ duktion auf schön gezierten Pferden. Ihnen folgten die vornehmsten und ältesten Kaziken zu Fuß, mit Stäben als Zeichen ihrer Würde in der Hand. Ebenso trug der Corregidor oder Schultheiß einen Handstock. Die Schalmeien, Fagotte und Pfeifen der Musikanten weckten mit ihrem hellen Schall, in den sich das tiefe Brummen der Trommeln mischte, das Echo der Urwälder ringsum, die noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Zuerst gelangten sie gegen Sonnenaufgang auf eine große Grasebne, bis diese von sanften Höhenzügen, heutzutage Cochillas genannt, unterbrochen wurde, in die freund¬ liche, mit Vaumwuchs bedeckte Thäler eingebettet waren. Gegen Abend näherte sich der Zug einem allmählich in die Höhe steigenden Hügel, den rings kleine Wäldchen mit stattlichen Baumgruppen umgaben. Vier krystallklare Brünn- lein entsprangen unter dem dichten Schatten dieser Bäume. Nachdem sich die Führer der Schar überzeugt hatten, daß hier alle natürlichen Bedingungen für eine neue Siedlung erfüllt waren, denn auch von allen vier Hauptwindcn konnte die Anhöhe bestrichen werden, da entschlossen sie sich kurzer Hand mit Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und verkündeten alsbald der harrenden Menge: dies sei der Ort, den der allmächtige gütige Gott schon von Ewigkeit her für sie vorausbestimmt, und von dem er beschlossen habe, er solle nach so vielen tausend Jahren seiner Erschaffung aus einer Wildnis und Einöde der Barbaren zu einer christlichen Wohnung und Dorfschaft der katholischen Para- quarier werden. Dann schlug man am Fuß des Hügels die Zelte auf und legte sich zur Nachtruhe nieder. Am andern Morgen wurde in aller Frühe die Anhöhe bestiegen und das heilige Kreuz aufgepflanzt. Pater Antonius warf sich vor ihm auf die Kniee nieder, betete es an und umfing es mit beiden Armen. Darauf warfen sich alle Indianer gleichfalls zu Boden und beteten, während die Musikanten den Ambrosianischen Lobgesang 1s on-uiv. IkmäÄinus anstimmten. Und die Vorsehung selbst schien ein Zeichen geben zu wollen, daß sie dieser Stätte hold sei. In dem Zelte eines der Väter hatte unter dem Lager, auf dem dieser schlummerte, die ganze Nacht hindurch eine abscheuliche Giftschlange gelegen, ohne daß sie dem Manne Gottes einen Schaden zugefügt hätte. Am andern Morgen wurde sie von Indianern entdeckt und getötet. Nun ging es an die Gründung der neuen Ortschaft, die nach Johannes dem Täufer Sancti Joannis Baptistae heißen sollte (das heutige Sav Joao). Die Kciziken samt ihren Unterthanen wurden angewiesen, ihre Jvchochsen für den Feldbau in Bereitschaft zu setzen, was allerdings in vielen Fällen leichter gesagt als gethan war. Denn es kam oft genug vor, daß die gefräßigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/270
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/270>, abgerufen am 23.07.2024.