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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Irangiexxedition

Peters wiederum hat eine ganz andre Art von Schuldigkeit, wie man
aus seinen eignen Reisewerken ersehen kann. Er läßt keine Gelegenheit vor¬
übergehen, dem "schwarzen Gesinde!" mittels blauer Bohnen morss beizubringen.
Er schildert dann diese Kämpfe mit der ganzen epischen Breite von Hinter¬
treppenromanen und unterläßt es nie, den Effekt zu stärken, indem er an
solche Schilderungen allerhand schwermütige und geistreiche Betrachtungen über
Schopenhauer anknüpft. Das macht die Peterssche Reiseberichterstattung
unerfreulich. Werther dagegen renommiert nicht, und darum wird er aus seinen
Reisewerken heraus auch dem sympathisch, der seinen Standpunkt nicht teilt.
Dazu kommt noch, daß er in wissenschaftlicher Beziehung sehr ernst zu nehmen
ist, was bei Peters keineswegs der Fall ist. Seinen Lesern tritt Werther sehr
bald nahe. Er hat einen frischen flotten Plauderton, dem man allerdings
hin und wieder die Kasinoschule anmerkt, seine Darstellung ist witzig und
fesselnd, und wo es sein muß auch manchmal recht scharf und beißend. Dabei
urteilt Werther über koloniale Fragen in so vorurteilsfreier vernünftiger Weise,
daß man ihn auch von dieser Seite schätzen lernt. Er warnt z. B. eindringlich
vor den Kolonialphcmtastcn, die mehr schadeten als die Pessimisten. Denn
infolge, der Vorspiegelungen jener würden viel Menschen und viel Kapital
unnütz geopfert. Er verdammt es aufs entschiedenste, daß so viele waghalsige
Behauptungen in die Welt geschleudert würden, ehe durch Untersuchungen
eine genaue Sachkenntnis erworben worden sei.

Zu diesen waghalsigen Behauptungen rechnet Werther z. B- die von der
absoluten Fieberfreiheit in Deutsch-Ostafrika. Er leugnet es entschieden, daß
irgend eine Gegend sieberfrei sei. Seiner Ansicht nach hängt das Bestehen
der Malaria nicht von der Meereshöhe des betreffenden Ortes, sondern von
seiner Feuchtigkeit ab. Er kommt damit also auf den Fischerschen Grundsatz
zurück, daß Ostafrika da gesund sei, wo es unfruchtbar, d. h. trocken, und
ungesund, wo es fruchtbar, d. h. feucht sei. Besonders der Pflanzer und der
Bauer, der fruchtbare, d. h. feuchte Gebiete aufsuchen müsse, könne sich dem
Fieber nie entziehen. Das klingt wenig tröstlich, Werther aber will dieses
abweisende Urteil nicht so verstanden wissen, als hieße "ungesund" tödlich.
Bei vernünftiger Lebensweise könne es ein Europäer wohl einige Jahre aus¬
halten.




Die Irangiexxedition

Peters wiederum hat eine ganz andre Art von Schuldigkeit, wie man
aus seinen eignen Reisewerken ersehen kann. Er läßt keine Gelegenheit vor¬
übergehen, dem „schwarzen Gesinde!" mittels blauer Bohnen morss beizubringen.
Er schildert dann diese Kämpfe mit der ganzen epischen Breite von Hinter¬
treppenromanen und unterläßt es nie, den Effekt zu stärken, indem er an
solche Schilderungen allerhand schwermütige und geistreiche Betrachtungen über
Schopenhauer anknüpft. Das macht die Peterssche Reiseberichterstattung
unerfreulich. Werther dagegen renommiert nicht, und darum wird er aus seinen
Reisewerken heraus auch dem sympathisch, der seinen Standpunkt nicht teilt.
Dazu kommt noch, daß er in wissenschaftlicher Beziehung sehr ernst zu nehmen
ist, was bei Peters keineswegs der Fall ist. Seinen Lesern tritt Werther sehr
bald nahe. Er hat einen frischen flotten Plauderton, dem man allerdings
hin und wieder die Kasinoschule anmerkt, seine Darstellung ist witzig und
fesselnd, und wo es sein muß auch manchmal recht scharf und beißend. Dabei
urteilt Werther über koloniale Fragen in so vorurteilsfreier vernünftiger Weise,
daß man ihn auch von dieser Seite schätzen lernt. Er warnt z. B. eindringlich
vor den Kolonialphcmtastcn, die mehr schadeten als die Pessimisten. Denn
infolge, der Vorspiegelungen jener würden viel Menschen und viel Kapital
unnütz geopfert. Er verdammt es aufs entschiedenste, daß so viele waghalsige
Behauptungen in die Welt geschleudert würden, ehe durch Untersuchungen
eine genaue Sachkenntnis erworben worden sei.

Zu diesen waghalsigen Behauptungen rechnet Werther z. B- die von der
absoluten Fieberfreiheit in Deutsch-Ostafrika. Er leugnet es entschieden, daß
irgend eine Gegend sieberfrei sei. Seiner Ansicht nach hängt das Bestehen
der Malaria nicht von der Meereshöhe des betreffenden Ortes, sondern von
seiner Feuchtigkeit ab. Er kommt damit also auf den Fischerschen Grundsatz
zurück, daß Ostafrika da gesund sei, wo es unfruchtbar, d. h. trocken, und
ungesund, wo es fruchtbar, d. h. feucht sei. Besonders der Pflanzer und der
Bauer, der fruchtbare, d. h. feuchte Gebiete aufsuchen müsse, könne sich dem
Fieber nie entziehen. Das klingt wenig tröstlich, Werther aber will dieses
abweisende Urteil nicht so verstanden wissen, als hieße „ungesund" tödlich.
Bei vernünftiger Lebensweise könne es ein Europäer wohl einige Jahre aus¬
halten.




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[0212] Die Irangiexxedition Peters wiederum hat eine ganz andre Art von Schuldigkeit, wie man aus seinen eignen Reisewerken ersehen kann. Er läßt keine Gelegenheit vor¬ übergehen, dem „schwarzen Gesinde!" mittels blauer Bohnen morss beizubringen. Er schildert dann diese Kämpfe mit der ganzen epischen Breite von Hinter¬ treppenromanen und unterläßt es nie, den Effekt zu stärken, indem er an solche Schilderungen allerhand schwermütige und geistreiche Betrachtungen über Schopenhauer anknüpft. Das macht die Peterssche Reiseberichterstattung unerfreulich. Werther dagegen renommiert nicht, und darum wird er aus seinen Reisewerken heraus auch dem sympathisch, der seinen Standpunkt nicht teilt. Dazu kommt noch, daß er in wissenschaftlicher Beziehung sehr ernst zu nehmen ist, was bei Peters keineswegs der Fall ist. Seinen Lesern tritt Werther sehr bald nahe. Er hat einen frischen flotten Plauderton, dem man allerdings hin und wieder die Kasinoschule anmerkt, seine Darstellung ist witzig und fesselnd, und wo es sein muß auch manchmal recht scharf und beißend. Dabei urteilt Werther über koloniale Fragen in so vorurteilsfreier vernünftiger Weise, daß man ihn auch von dieser Seite schätzen lernt. Er warnt z. B. eindringlich vor den Kolonialphcmtastcn, die mehr schadeten als die Pessimisten. Denn infolge, der Vorspiegelungen jener würden viel Menschen und viel Kapital unnütz geopfert. Er verdammt es aufs entschiedenste, daß so viele waghalsige Behauptungen in die Welt geschleudert würden, ehe durch Untersuchungen eine genaue Sachkenntnis erworben worden sei. Zu diesen waghalsigen Behauptungen rechnet Werther z. B- die von der absoluten Fieberfreiheit in Deutsch-Ostafrika. Er leugnet es entschieden, daß irgend eine Gegend sieberfrei sei. Seiner Ansicht nach hängt das Bestehen der Malaria nicht von der Meereshöhe des betreffenden Ortes, sondern von seiner Feuchtigkeit ab. Er kommt damit also auf den Fischerschen Grundsatz zurück, daß Ostafrika da gesund sei, wo es unfruchtbar, d. h. trocken, und ungesund, wo es fruchtbar, d. h. feucht sei. Besonders der Pflanzer und der Bauer, der fruchtbare, d. h. feuchte Gebiete aufsuchen müsse, könne sich dem Fieber nie entziehen. Das klingt wenig tröstlich, Werther aber will dieses abweisende Urteil nicht so verstanden wissen, als hieße „ungesund" tödlich. Bei vernünftiger Lebensweise könne es ein Europäer wohl einige Jahre aus¬ halten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/212>, abgerufen am 03.07.2024.