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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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vie jrangiexpedition

und übergroßen Schneidigkeit. Der Weltreisende des Berliner Tageblatts,
E. Wolf, hat ihn sogar unerhörter Grausamkeit geziehen. Werther sollte einen
kranken Askari unterwegs haben liegen lassen. Diesen Askari, der nach E. Wolfs
Bericht angefault und von Hyänen angefressen worden war, traf Werther nun
aber auf dieser zweiten Reise wohlgemut wieder. Wie der Askari erzählte,
hätte er sich in einem Palmenwald ausgeruht. Da wäre Wolf des Wegs
gekommen und hätte ihm angeboten, ihn mittragen zu lassen. Das hätte der
Askari abgelehnt, weil er sich als Soldat nicht tragen lassen wollte. Darauf
hätte ihn Wolf ins nächste Dorf schaffen lassen. Wie die Sache sich nun auch
verhalten haben mag, jedenfalls herrschte in der Kolonie selbst gegen Werther
eine ablehnende Stimmung. Denn als er auf seiner Jrcmgiexpedition beim
Gouvernement darum einkam, eine militärische Bedeckung (sechzig Magazin¬
gewehre) mitnehmen zu dürfen, wurden ihm Schwierigkeiten gemacht. Diesmal
war der "grüne Tisch" nachsichtiger als die "Männer der Praxis." Denn das
Auswärtige Amt erteilte ihm "schlankweg," wie Werther sagt, die Genehmigung,
und nach einigem Zögern gab sie auch der Gouverneur.

An Unannehmlichkeiten wegen seiner Schneidigkeit fehlte es Werther denn
auch nicht auf seiner Jrangiexpedition. Die Expedition mußte bekanntlich ab¬
gebrochen werden, weil ein von Werther entlassener Feldwebel ihm beim Gou¬
vernement harte Dinge nachgesagt hatte. Die Sache hat damals viel Staub
aufgewirbelt. Es scheint aber Werther gelungen zu sein, sich zu rechtfertigen,
denn man hat nichts Belastendes mehr gegen ihn vernommen. Jedenfalls
gehört Werther zu den sogenannten "schneidigen Afrikanern." Er denkt nicht
daran, auf dem Zuge durch die Wildnis das sieggewohnte Monocle abzulegen,
dieses Rüstzeug des Ich-Menschen, dagegen verzichtet er drüben auf Europas
übertünchte Höflichkeit und zieht ein kurzes Schnellfeuer einem langen Schanri
vor. Blut hat denn auch auf der Jrangiexpedition wieder mehr als einmal
fließen müssen. Die Ansichten über Behandlung der Eingebornen sind ja, wie
man weiß, geteilt. Man stelle nur Werther, Peters und Wißmann neben¬
einander. Wißmann verurteilt die "Schießerei" aufs energischste und ist
augenscheinlich auch kein besondrer Freund Werthers gewesen. Er hat seinen
bemundernswerten Zug "durch Afrika von West nach Ost" ohne jedes Blut¬
vergießen gemacht, er ist der ruhige und bescheidne Offizier, zugleich aber
Diplomat. Werther ist der junge thatendurstige Offizier. Er hält stramme
Disziplin in seinem Lager, duldet keine Ausschreitungen der Expeditions¬
mitglieder, aber er ahndet auch die geringste Ungezogenheit der Eingebornen
sofort mit der Waffe. Er glaubt das seiner Offizierehre schuldig zu sein und
ist nebenbei auch noch überzeugt, daß das die einzig richtige Art der Be¬
handlung vou Eingebornen ist. Das ist wenigstens ein Standpunkt. Werther
nimmt übrigens mehrfach Gelegenheit, die Nichtigkeit dieses Standpunkts an
Praktischen Beispielen zu erhärten.


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und übergroßen Schneidigkeit. Der Weltreisende des Berliner Tageblatts,
E. Wolf, hat ihn sogar unerhörter Grausamkeit geziehen. Werther sollte einen
kranken Askari unterwegs haben liegen lassen. Diesen Askari, der nach E. Wolfs
Bericht angefault und von Hyänen angefressen worden war, traf Werther nun
aber auf dieser zweiten Reise wohlgemut wieder. Wie der Askari erzählte,
hätte er sich in einem Palmenwald ausgeruht. Da wäre Wolf des Wegs
gekommen und hätte ihm angeboten, ihn mittragen zu lassen. Das hätte der
Askari abgelehnt, weil er sich als Soldat nicht tragen lassen wollte. Darauf
hätte ihn Wolf ins nächste Dorf schaffen lassen. Wie die Sache sich nun auch
verhalten haben mag, jedenfalls herrschte in der Kolonie selbst gegen Werther
eine ablehnende Stimmung. Denn als er auf seiner Jrcmgiexpedition beim
Gouvernement darum einkam, eine militärische Bedeckung (sechzig Magazin¬
gewehre) mitnehmen zu dürfen, wurden ihm Schwierigkeiten gemacht. Diesmal
war der „grüne Tisch" nachsichtiger als die „Männer der Praxis." Denn das
Auswärtige Amt erteilte ihm „schlankweg," wie Werther sagt, die Genehmigung,
und nach einigem Zögern gab sie auch der Gouverneur.

An Unannehmlichkeiten wegen seiner Schneidigkeit fehlte es Werther denn
auch nicht auf seiner Jrangiexpedition. Die Expedition mußte bekanntlich ab¬
gebrochen werden, weil ein von Werther entlassener Feldwebel ihm beim Gou¬
vernement harte Dinge nachgesagt hatte. Die Sache hat damals viel Staub
aufgewirbelt. Es scheint aber Werther gelungen zu sein, sich zu rechtfertigen,
denn man hat nichts Belastendes mehr gegen ihn vernommen. Jedenfalls
gehört Werther zu den sogenannten „schneidigen Afrikanern." Er denkt nicht
daran, auf dem Zuge durch die Wildnis das sieggewohnte Monocle abzulegen,
dieses Rüstzeug des Ich-Menschen, dagegen verzichtet er drüben auf Europas
übertünchte Höflichkeit und zieht ein kurzes Schnellfeuer einem langen Schanri
vor. Blut hat denn auch auf der Jrangiexpedition wieder mehr als einmal
fließen müssen. Die Ansichten über Behandlung der Eingebornen sind ja, wie
man weiß, geteilt. Man stelle nur Werther, Peters und Wißmann neben¬
einander. Wißmann verurteilt die „Schießerei" aufs energischste und ist
augenscheinlich auch kein besondrer Freund Werthers gewesen. Er hat seinen
bemundernswerten Zug „durch Afrika von West nach Ost" ohne jedes Blut¬
vergießen gemacht, er ist der ruhige und bescheidne Offizier, zugleich aber
Diplomat. Werther ist der junge thatendurstige Offizier. Er hält stramme
Disziplin in seinem Lager, duldet keine Ausschreitungen der Expeditions¬
mitglieder, aber er ahndet auch die geringste Ungezogenheit der Eingebornen
sofort mit der Waffe. Er glaubt das seiner Offizierehre schuldig zu sein und
ist nebenbei auch noch überzeugt, daß das die einzig richtige Art der Be¬
handlung vou Eingebornen ist. Das ist wenigstens ein Standpunkt. Werther
nimmt übrigens mehrfach Gelegenheit, die Nichtigkeit dieses Standpunkts an
Praktischen Beispielen zu erhärten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/211>, abgerufen am 03.07.2024.