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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform

Verhältnisse der beiden Metalle noch die Nachfrage nach ihnen hätten bis zum
Jahre 1850 bedeutende Veränderungen erfahren. Da wurden die kalifornischen
Goldfelder entdeckt, aber weit entfernt davon, daß diese Entdeckung für die
Goldwährung Stimmung gemacht hätte, fürchtete man allgemein, der Wert
des Goldes werde nun so tief hinabgedrückt werden und so stark ins Schwanken
geraten, daß das Gold die Fähigkeit, als Wertmaßstab zu dienen, verlieren
werde. Soetbeer war der einzige, der schon im Anfange der fünfziger Jahre
die Ansicht vertrat, die reiche Goldausbeute müsse zu einer stürkern Ver¬
wendung des Goldes im Verkehr benutzt werden. Das geschah denn auch,
uicht auf Betreiben irgend einer goldfreundlichen politischen Macht, sondern
weil es die Bedürfnisse des Verkehrs forderten, und diese stärkere Verwendung
verhütete die gefürchtete Entwertung. "Nicht wie ein Zufall, sondern wie
eine wohl erwogne That der Vorsehung erscheint das glückliche Zusammen¬
treffen, wodurch den europäischen Völkern diese großen Goldmassen gerade zu
der Zeit zur Verfügung gestellt wurden, wo das Silber infolge eines glän¬
zenden Aufschwungs der Volkswirtschaft anfing, zum allgemeinen Umlaufs¬
mittel zu schwer und zu unbequem zu werden. Fast gleichzeitig traten Ver¬
hältnisse ein, die, .nicht das Gold, sondern das Silber berührend, den Über¬
gang der europäischen Völker zum Gebrauch des Goldes noch ganz besonders
beförderten: eine überaus starke und anhaltende Nachfrage nach Silber zur
Versendung nach Ostasien. Hervorgerufen wurde diese Nachfrage anfangs
hauptsächlich durch indische Silberanleihen in England, die zu umfassenden
Eisenbahnbauten im indischen Reiche, zur Bekämpfung der häufig wiederkehrenden
Hungersnot und zur Bewältigung des großen Aufstandes von 1857 verwandt
wurden; später durch das Anwachsen der indischen Ausfuhr, namentlich während
der Jahre des amerikanischen Bürgerkrieges und der Baumwollennot." Die
europäischen Staaten erfreuten sich also des doppelten Vorteils, ihrem ge-
stiegnen Goldbedarf ohne Opfer abhelfen und ihr übrig gewordnes Silber
ohne Verlust abstoßen zu können, und ganz von selbst bloß als natürliche
Wirkung des Verkehrs trat in weitem Umfange Gold an die Stelle des
Silbers. "Die Erscheinung, daß trotz einer fast zwanzigfachen Goldproduktion*)
und trotz einer bei ungefähr gleichbleibender Silbergewinnung enorm gewachsenen
Silbernachfrage für Indien das Wertverhältnis beider Edelmetalle nur eine
Verschiebung um wenige Prozente erfuhr, war geeignet, das namentlich bei
den Theoretikern erschütterte Vertrauen auf das gelbe Metall aufs neue zu
befestigen. Die Wertbeständigkeit des Goldes schien die stärkste Feuerprobe
glänzend überstanden zu haben. Die Länder des französischen Systems lernten
in kurzer Zeit die Vorzüge einer überwiegenden Goldzirkulation schätzen, und



Die Goldproduttion betrug, um nur wenige Zahlen aus den Tabellen anzuführen, im
Jahresdurchschnitt des Zeitraums 1498--1520: 5800 Kg, 1681--1700: 10765, 1741--1760:
24610, 1811--1820: 11445, 1841-1850:54850, 1856 -1860:201750, 1881--1885:
15495", 1890-1895: 245740
Die deutsche Geldreform

Verhältnisse der beiden Metalle noch die Nachfrage nach ihnen hätten bis zum
Jahre 1850 bedeutende Veränderungen erfahren. Da wurden die kalifornischen
Goldfelder entdeckt, aber weit entfernt davon, daß diese Entdeckung für die
Goldwährung Stimmung gemacht hätte, fürchtete man allgemein, der Wert
des Goldes werde nun so tief hinabgedrückt werden und so stark ins Schwanken
geraten, daß das Gold die Fähigkeit, als Wertmaßstab zu dienen, verlieren
werde. Soetbeer war der einzige, der schon im Anfange der fünfziger Jahre
die Ansicht vertrat, die reiche Goldausbeute müsse zu einer stürkern Ver¬
wendung des Goldes im Verkehr benutzt werden. Das geschah denn auch,
uicht auf Betreiben irgend einer goldfreundlichen politischen Macht, sondern
weil es die Bedürfnisse des Verkehrs forderten, und diese stärkere Verwendung
verhütete die gefürchtete Entwertung. „Nicht wie ein Zufall, sondern wie
eine wohl erwogne That der Vorsehung erscheint das glückliche Zusammen¬
treffen, wodurch den europäischen Völkern diese großen Goldmassen gerade zu
der Zeit zur Verfügung gestellt wurden, wo das Silber infolge eines glän¬
zenden Aufschwungs der Volkswirtschaft anfing, zum allgemeinen Umlaufs¬
mittel zu schwer und zu unbequem zu werden. Fast gleichzeitig traten Ver¬
hältnisse ein, die, .nicht das Gold, sondern das Silber berührend, den Über¬
gang der europäischen Völker zum Gebrauch des Goldes noch ganz besonders
beförderten: eine überaus starke und anhaltende Nachfrage nach Silber zur
Versendung nach Ostasien. Hervorgerufen wurde diese Nachfrage anfangs
hauptsächlich durch indische Silberanleihen in England, die zu umfassenden
Eisenbahnbauten im indischen Reiche, zur Bekämpfung der häufig wiederkehrenden
Hungersnot und zur Bewältigung des großen Aufstandes von 1857 verwandt
wurden; später durch das Anwachsen der indischen Ausfuhr, namentlich während
der Jahre des amerikanischen Bürgerkrieges und der Baumwollennot." Die
europäischen Staaten erfreuten sich also des doppelten Vorteils, ihrem ge-
stiegnen Goldbedarf ohne Opfer abhelfen und ihr übrig gewordnes Silber
ohne Verlust abstoßen zu können, und ganz von selbst bloß als natürliche
Wirkung des Verkehrs trat in weitem Umfange Gold an die Stelle des
Silbers. „Die Erscheinung, daß trotz einer fast zwanzigfachen Goldproduktion*)
und trotz einer bei ungefähr gleichbleibender Silbergewinnung enorm gewachsenen
Silbernachfrage für Indien das Wertverhältnis beider Edelmetalle nur eine
Verschiebung um wenige Prozente erfuhr, war geeignet, das namentlich bei
den Theoretikern erschütterte Vertrauen auf das gelbe Metall aufs neue zu
befestigen. Die Wertbeständigkeit des Goldes schien die stärkste Feuerprobe
glänzend überstanden zu haben. Die Länder des französischen Systems lernten
in kurzer Zeit die Vorzüge einer überwiegenden Goldzirkulation schätzen, und



Die Goldproduttion betrug, um nur wenige Zahlen aus den Tabellen anzuführen, im
Jahresdurchschnitt des Zeitraums 1498—1520: 5800 Kg, 1681—1700: 10765, 1741—1760:
24610, 1811—1820: 11445, 1841-1850:54850, 1856 -1860:201750, 1881—1885:
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/19>, abgerufen am 23.07.2024.