Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Die deutsche Geldreform England viel Gold für seinen Handelsverkehr, der sich damals zum welt¬ England, das von der Zeit des großartigen Aufschwungs seines Handels Frankreich hat in währungspolitischer Beziehung dadurch eine gewisse Be¬ Die deutsche Geldreform England viel Gold für seinen Handelsverkehr, der sich damals zum welt¬ England, das von der Zeit des großartigen Aufschwungs seines Handels Frankreich hat in währungspolitischer Beziehung dadurch eine gewisse Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229704"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Geldreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22"> England viel Gold für seinen Handelsverkehr, der sich damals zum welt¬<lb/> beherrschenden aufschwang. Vom Jahre 1780 ab, wo keine solche außerordent¬<lb/> liche!, Umstände die natürliche Wertbildung störten, brachte abnehmende Gold¬<lb/> produktion eine Steigerung des Goldwerts hervor; im Jahre 1810 stand das<lb/> Gold zum Silber wie 15,61 : 1.</p><lb/> <p xml:id="ID_24"> England, das von der Zeit des großartigen Aufschwungs seines Handels<lb/> an energisch nach einer festen Ordnung seines Geldwesens strebte, machte zuerst<lb/> die heute allgemein bekannte Erfahrung, daß bei Doppel- oder Parallelwährung<lb/> das zu niedrig bewertete Metall nach dem Auslande abfließt. Es hatte am<lb/> Ende des siebzehnten Jahrhunderts Goldumlauf und vermochte sein Silber,<lb/> dessen es doch für kleinere Zahlungen noch bedürfte, nicht festzuhalten, weil<lb/> in einer Zeit, wo die Silbermünzen durch Abnutzung schlecht geworden waren,<lb/> der Wert der Guinea auf 30 Shillinge festgesetzt worden war, die später<lb/> geprägten guten Shillinge ihrem Silbergehalt nach aber mehr wert waren<lb/> als der dreißigste Teil einer Guinea. Bei dieser Minderbewertung lohnte es<lb/> sich, die Shillinge auszulaufen, einzuschmelzen und das Silber im Auslande<lb/> abzusetzen. Als dann aber am Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Silber¬<lb/> preis plötzlich zu sinken begann, wurde bei der vou der englischen Münze an-<lb/> genommnen Relation die Ausmünzung des Silbers in England lohnend; die<lb/> Edelmetallhändler lieferten bei der Münze Silber zur Ausprägung ein. Nun<lb/> drohte das entgegengesetzte, weit schlimmere Übel: die Verdrängung des Goldes<lb/> durch das Silber, und da wurde denn 1798 die Prägung von Silber für<lb/> Private verboten. Damit war die thatsächlich bestehende Goldwährung ge¬<lb/> setzlich anerkannt; ausdrücklich ausgesprochen wurde diese Anerkennung jedoch<lb/> erst im Jahre 1816 durch ein Gesetz, das die Goldprägung freigab, die Aus-<lb/> prügung unterwertiger Silbermünzen ausschließlich für Rechnung des Staates<lb/> vorschrieb und die Zahluugslraft dieser Silbermünzen beschränkte. In der<lb/> Prägung von Scheidemünzen war zugleich das Mittel gefunden, das für den<lb/> Kleinverkehr notwendige Silbergeld im Lande zu behalten, denn Münzen, deren<lb/> Metallwert geringer ist als ihr Nennwert, sind selbstverständlich vor der Gefahr,<lb/> eingeschmolzen zu werden, gesichert; andrerseits bedeuten sie keine Gefahr für<lb/> den Jnlandsverkehr, da für jeden Betrag solcher Münzen die Staatskassen<lb/> Gold zum Nennwert geben müssen. Ähnlich wie England gelangten die Ver¬<lb/> einigten Staaten zu einer thatsächlichen Goldwährung, die erst in den letzten<lb/> Jahrzehnten durch die bekannten verhängnisvollen Experimente gestört worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_25" next="#ID_26"> Frankreich hat in währungspolitischer Beziehung dadurch eine gewisse Be¬<lb/> rühmtheit erlangt, daß es nach der Behauptung der Bimetallisten durch seine<lb/> Doppelwährung in der ersten Hülste unsers Jahrhunderts die Nelativuskonstanz<lb/> zwischen Gold und Silber aufrecht erhalten haben soll. Helfferich bestreitet<lb/> ihm dieses Verdienst; das Wertverhältnis zwischen den beiden Metallen habe<lb/> damals aus dem einfachen Grunde nur wenig geschwankt, weil für eine be¬<lb/> deutende Verschiebung keine Ursache dagewesen sei; weder die Produktions-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Die deutsche Geldreform
England viel Gold für seinen Handelsverkehr, der sich damals zum welt¬
beherrschenden aufschwang. Vom Jahre 1780 ab, wo keine solche außerordent¬
liche!, Umstände die natürliche Wertbildung störten, brachte abnehmende Gold¬
produktion eine Steigerung des Goldwerts hervor; im Jahre 1810 stand das
Gold zum Silber wie 15,61 : 1.
England, das von der Zeit des großartigen Aufschwungs seines Handels
an energisch nach einer festen Ordnung seines Geldwesens strebte, machte zuerst
die heute allgemein bekannte Erfahrung, daß bei Doppel- oder Parallelwährung
das zu niedrig bewertete Metall nach dem Auslande abfließt. Es hatte am
Ende des siebzehnten Jahrhunderts Goldumlauf und vermochte sein Silber,
dessen es doch für kleinere Zahlungen noch bedürfte, nicht festzuhalten, weil
in einer Zeit, wo die Silbermünzen durch Abnutzung schlecht geworden waren,
der Wert der Guinea auf 30 Shillinge festgesetzt worden war, die später
geprägten guten Shillinge ihrem Silbergehalt nach aber mehr wert waren
als der dreißigste Teil einer Guinea. Bei dieser Minderbewertung lohnte es
sich, die Shillinge auszulaufen, einzuschmelzen und das Silber im Auslande
abzusetzen. Als dann aber am Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Silber¬
preis plötzlich zu sinken begann, wurde bei der vou der englischen Münze an-
genommnen Relation die Ausmünzung des Silbers in England lohnend; die
Edelmetallhändler lieferten bei der Münze Silber zur Ausprägung ein. Nun
drohte das entgegengesetzte, weit schlimmere Übel: die Verdrängung des Goldes
durch das Silber, und da wurde denn 1798 die Prägung von Silber für
Private verboten. Damit war die thatsächlich bestehende Goldwährung ge¬
setzlich anerkannt; ausdrücklich ausgesprochen wurde diese Anerkennung jedoch
erst im Jahre 1816 durch ein Gesetz, das die Goldprägung freigab, die Aus-
prügung unterwertiger Silbermünzen ausschließlich für Rechnung des Staates
vorschrieb und die Zahluugslraft dieser Silbermünzen beschränkte. In der
Prägung von Scheidemünzen war zugleich das Mittel gefunden, das für den
Kleinverkehr notwendige Silbergeld im Lande zu behalten, denn Münzen, deren
Metallwert geringer ist als ihr Nennwert, sind selbstverständlich vor der Gefahr,
eingeschmolzen zu werden, gesichert; andrerseits bedeuten sie keine Gefahr für
den Jnlandsverkehr, da für jeden Betrag solcher Münzen die Staatskassen
Gold zum Nennwert geben müssen. Ähnlich wie England gelangten die Ver¬
einigten Staaten zu einer thatsächlichen Goldwährung, die erst in den letzten
Jahrzehnten durch die bekannten verhängnisvollen Experimente gestört worden ist.
Frankreich hat in währungspolitischer Beziehung dadurch eine gewisse Be¬
rühmtheit erlangt, daß es nach der Behauptung der Bimetallisten durch seine
Doppelwährung in der ersten Hülste unsers Jahrhunderts die Nelativuskonstanz
zwischen Gold und Silber aufrecht erhalten haben soll. Helfferich bestreitet
ihm dieses Verdienst; das Wertverhältnis zwischen den beiden Metallen habe
damals aus dem einfachen Grunde nur wenig geschwankt, weil für eine be¬
deutende Verschiebung keine Ursache dagewesen sei; weder die Produktions-
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