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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform

immer allgemeiner verbreitete sich die Ansicht, weit über die Länder mit Gold¬
umlauf hinaus, daß die Goldwährung das Währungssystem der Zukunft für
alle zivilisierten Nationen sei." Das Verdienst, diesen Ausgleich vermittelt zu
haben, gebührt nun allerdings den Staaten des lateinischen Münzbnndes,
namentlich Frankreich selbst mit seinem Doppelwährungssystem (das, genau
gesprochen, ein alternierendes System ist, da je nach Umständen bald das eine,
bald das andre der beiden Edelmetalle als Wertmaßstab dient; beide zugleich
können sie diesen Dienst unmöglich verrichten, da es kein Mittel giebt, ihr
gegenseitiges Wertverhältnis unveränderlich zu machen). Daraus aber, daß
die Doppelwährung eines reichen Landes einmal unter ganz bestimmten Um¬
ständen den glatten Verlauf einer großen Umwälzung des Geldwesens ermöglicht
hat, folgt keineswegs, daß der Doppelwährung an sich eine ausgleichende
Wirkung innewohnte oder gar die Fähigkeit, eine gegebne Wertrelation aufrecht
zu erhalten. Die damalige Wirkung der Doppelwährung war an eine Be-
dingung geknüpft, die nicht sobald noch einmal wiederkehren wird, daß nämlich
zu einer Zeit, wo von der einen Seite Gold einzuströmen bereit war, und
auf der andern Seite Silber gefordert wurde, Frankreich mit Silber gesättigt
und Gold in Masse aufzunehmen gern bereit war. Als "in den siebziger
Jahren das bimetallistische System den Umlauf abermals mit Silber anzu¬
füllen begann," da wurde diese Wirkung als sehr unerwünscht empfunden, und
um nicht diesmal das Gold verdrängen zu lassen, wie zwanzig Jahre vorher
das Silber verdrängt worden war, schränkte man die Silberausprägung ein
und hob so das bimetallistische System auf. Trotz der gegebnen günstigen
Bedingungen war übrigens die Wirkung dieses Systems in der Zeit des großen
Goldzuflusfes "so beschränkt und so unvollkommen, daß man im Hinblick auf
das Grundprinzip des Vimetallismus nicht von einem Bewähren, sondern
nur von einem Versagen sprechen kann." Die Doppelwährung hat zunächst
nicht die ihr zugeschriebne Wirkung geübt, in den Ländern, wo sie anerkannt
war, die sogenannte Parität, womit man das Verhältnis 15^ : 1 meint,
aufrecht zu erhalten. Diese Parität hat niemals bestanden, weder vor noch
nach den Goldfunden. Vorher war das Silber, nachher das Gold weniger
wert, als die französische Relation annahm, und zwar nicht bloß auf dem
Londoner Edelmetallmarkte, sondern in Paris selbst. Dann aber -- und darin
tritt das Versagen ganz deutlich zu Tage -- hat die Doppelwährung ihr
Ziel: beiden Metallen den Umlauf nebeneinander zu sichern, niemals erreicht.
"Für Frankreich bedeutete vor 1850, für die Vereinigten Staaten vor 1834,
so lange das Silber im Münzgesctz günstiger bewertet war als auf dem freien
Markt, die Doppelwührnng einen Verzicht auf das Gold. Als die Vereinigten
Staaten im Jahre 1837 ihre Wertrelation zu Gunsten des Goldes veränderten,
mußten sie auf einen ausreichenden und geordneten Silberumlauf verzichten,
und als die Gvldfunde und die indische Silbernachfrage den Goldwert unter
die französische Relation hinabdrückte, wurden die Silbermünzen der Franken-


Die deutsche Geldreform

immer allgemeiner verbreitete sich die Ansicht, weit über die Länder mit Gold¬
umlauf hinaus, daß die Goldwährung das Währungssystem der Zukunft für
alle zivilisierten Nationen sei." Das Verdienst, diesen Ausgleich vermittelt zu
haben, gebührt nun allerdings den Staaten des lateinischen Münzbnndes,
namentlich Frankreich selbst mit seinem Doppelwährungssystem (das, genau
gesprochen, ein alternierendes System ist, da je nach Umständen bald das eine,
bald das andre der beiden Edelmetalle als Wertmaßstab dient; beide zugleich
können sie diesen Dienst unmöglich verrichten, da es kein Mittel giebt, ihr
gegenseitiges Wertverhältnis unveränderlich zu machen). Daraus aber, daß
die Doppelwährung eines reichen Landes einmal unter ganz bestimmten Um¬
ständen den glatten Verlauf einer großen Umwälzung des Geldwesens ermöglicht
hat, folgt keineswegs, daß der Doppelwährung an sich eine ausgleichende
Wirkung innewohnte oder gar die Fähigkeit, eine gegebne Wertrelation aufrecht
zu erhalten. Die damalige Wirkung der Doppelwährung war an eine Be-
dingung geknüpft, die nicht sobald noch einmal wiederkehren wird, daß nämlich
zu einer Zeit, wo von der einen Seite Gold einzuströmen bereit war, und
auf der andern Seite Silber gefordert wurde, Frankreich mit Silber gesättigt
und Gold in Masse aufzunehmen gern bereit war. Als „in den siebziger
Jahren das bimetallistische System den Umlauf abermals mit Silber anzu¬
füllen begann," da wurde diese Wirkung als sehr unerwünscht empfunden, und
um nicht diesmal das Gold verdrängen zu lassen, wie zwanzig Jahre vorher
das Silber verdrängt worden war, schränkte man die Silberausprägung ein
und hob so das bimetallistische System auf. Trotz der gegebnen günstigen
Bedingungen war übrigens die Wirkung dieses Systems in der Zeit des großen
Goldzuflusfes „so beschränkt und so unvollkommen, daß man im Hinblick auf
das Grundprinzip des Vimetallismus nicht von einem Bewähren, sondern
nur von einem Versagen sprechen kann." Die Doppelwährung hat zunächst
nicht die ihr zugeschriebne Wirkung geübt, in den Ländern, wo sie anerkannt
war, die sogenannte Parität, womit man das Verhältnis 15^ : 1 meint,
aufrecht zu erhalten. Diese Parität hat niemals bestanden, weder vor noch
nach den Goldfunden. Vorher war das Silber, nachher das Gold weniger
wert, als die französische Relation annahm, und zwar nicht bloß auf dem
Londoner Edelmetallmarkte, sondern in Paris selbst. Dann aber — und darin
tritt das Versagen ganz deutlich zu Tage — hat die Doppelwährung ihr
Ziel: beiden Metallen den Umlauf nebeneinander zu sichern, niemals erreicht.
„Für Frankreich bedeutete vor 1850, für die Vereinigten Staaten vor 1834,
so lange das Silber im Münzgesctz günstiger bewertet war als auf dem freien
Markt, die Doppelwührnng einen Verzicht auf das Gold. Als die Vereinigten
Staaten im Jahre 1837 ihre Wertrelation zu Gunsten des Goldes veränderten,
mußten sie auf einen ausreichenden und geordneten Silberumlauf verzichten,
und als die Gvldfunde und die indische Silbernachfrage den Goldwert unter
die französische Relation hinabdrückte, wurden die Silbermünzen der Franken-


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[0020] Die deutsche Geldreform immer allgemeiner verbreitete sich die Ansicht, weit über die Länder mit Gold¬ umlauf hinaus, daß die Goldwährung das Währungssystem der Zukunft für alle zivilisierten Nationen sei." Das Verdienst, diesen Ausgleich vermittelt zu haben, gebührt nun allerdings den Staaten des lateinischen Münzbnndes, namentlich Frankreich selbst mit seinem Doppelwährungssystem (das, genau gesprochen, ein alternierendes System ist, da je nach Umständen bald das eine, bald das andre der beiden Edelmetalle als Wertmaßstab dient; beide zugleich können sie diesen Dienst unmöglich verrichten, da es kein Mittel giebt, ihr gegenseitiges Wertverhältnis unveränderlich zu machen). Daraus aber, daß die Doppelwährung eines reichen Landes einmal unter ganz bestimmten Um¬ ständen den glatten Verlauf einer großen Umwälzung des Geldwesens ermöglicht hat, folgt keineswegs, daß der Doppelwährung an sich eine ausgleichende Wirkung innewohnte oder gar die Fähigkeit, eine gegebne Wertrelation aufrecht zu erhalten. Die damalige Wirkung der Doppelwährung war an eine Be- dingung geknüpft, die nicht sobald noch einmal wiederkehren wird, daß nämlich zu einer Zeit, wo von der einen Seite Gold einzuströmen bereit war, und auf der andern Seite Silber gefordert wurde, Frankreich mit Silber gesättigt und Gold in Masse aufzunehmen gern bereit war. Als „in den siebziger Jahren das bimetallistische System den Umlauf abermals mit Silber anzu¬ füllen begann," da wurde diese Wirkung als sehr unerwünscht empfunden, und um nicht diesmal das Gold verdrängen zu lassen, wie zwanzig Jahre vorher das Silber verdrängt worden war, schränkte man die Silberausprägung ein und hob so das bimetallistische System auf. Trotz der gegebnen günstigen Bedingungen war übrigens die Wirkung dieses Systems in der Zeit des großen Goldzuflusfes „so beschränkt und so unvollkommen, daß man im Hinblick auf das Grundprinzip des Vimetallismus nicht von einem Bewähren, sondern nur von einem Versagen sprechen kann." Die Doppelwährung hat zunächst nicht die ihr zugeschriebne Wirkung geübt, in den Ländern, wo sie anerkannt war, die sogenannte Parität, womit man das Verhältnis 15^ : 1 meint, aufrecht zu erhalten. Diese Parität hat niemals bestanden, weder vor noch nach den Goldfunden. Vorher war das Silber, nachher das Gold weniger wert, als die französische Relation annahm, und zwar nicht bloß auf dem Londoner Edelmetallmarkte, sondern in Paris selbst. Dann aber — und darin tritt das Versagen ganz deutlich zu Tage — hat die Doppelwährung ihr Ziel: beiden Metallen den Umlauf nebeneinander zu sichern, niemals erreicht. „Für Frankreich bedeutete vor 1850, für die Vereinigten Staaten vor 1834, so lange das Silber im Münzgesctz günstiger bewertet war als auf dem freien Markt, die Doppelwührnng einen Verzicht auf das Gold. Als die Vereinigten Staaten im Jahre 1837 ihre Wertrelation zu Gunsten des Goldes veränderten, mußten sie auf einen ausreichenden und geordneten Silberumlauf verzichten, und als die Gvldfunde und die indische Silbernachfrage den Goldwert unter die französische Relation hinabdrückte, wurden die Silbermünzen der Franken-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/20>, abgerufen am 23.07.2024.