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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

der Fall wohl nur selten eintreten, daß der gewöhnliche Pauschsatz von
12 Mark überschritten wird. Dieser ist aber so gering, daß bei wertvolleren
Boden der in Rentengutssachen wegfallende Kausstempel von 1 Prozent sast
soviel betragt wie die Kosten des ganzen Rentengutverfahrens.

Dazu kommt, daß, wenn die Beteiligten der Beihilfe des Staates bedürfen
und durch besondre Nachgiebigkeit die Verhandlungen erleichtern, die Kosten
ganz oder zum Teil erlassen werden können- Diese Befugnis ist bis zum
Betrage von 150 Mark auf die Generalkommissionen übertragen und wird von
ihnen in wohlwollender Weise gehandhabt. Die Generalkommissionen sind
endlich befugt, die durch eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld
der Beteiligten entstandnen Kosten niederzuschlagen und für abweisende Bescheide,
wenn der Antrag auf nicht anzurechnender Unkenntnis der Verhältnisse oder
auf Unwissenheit beruht, Gebührenfreiheit zu gewähren. Auch von dieser Be¬
fugnis wird nicht selten Gebrauch gemacht. Was endlich die Kosten der infolge
der Ausführung von Auseinandersetzungen und Nentengutsgründungen not¬
wendig werdenden Anlagen an Wegen, Gräben und sonstigen Einrichtungen
einschließlich der Kosten für Arbeitslöhne, Steine, Stangen, Pfähle usw. betrifft,
so sind hierfür im letzten Staatshaushalt für Auseinandersetzungen 355000,
für Nentengutssachen 200000 Mark ausgesetzt. Diese Beitrüge reichen vor¬
läufig aus, bedürftigen Beteiligten angemessene Unterstützungen zu gewähren.

Nach alledem kann man füglich behaupten, daß die Klagen über die lange
Dauer und die Kosten der Geschäfte der Auseinandersetzungsbehörden, soweit
sie begründet sind, nicht den Generalkommissionen zur Last fallen, sondern in
der Natur der Geschäfte ihren Grund haben und keine Beachtung finden können,
wenn man die Sache selbst für gut und zweckmäßig hält. Im wesentlichen
sind diese Klagen -- man darf es ruhig aussprechen -- auch gar nicht die
wirklichen Gründe der Unbeliebtheit der Generalkommissionen. Die wirklichen
Gründe liegen auf ganz andern Gebieten. Ein Mitglied des Abgeordneten¬
hauses (also nach der Ansicht des Herrn Präsidenten von Kröcher einer der
klügsten Leute) hat einmal den Ausspruch gethan, es gehöre zum guten Ton,
auf die Generalkommissionen zu schimpfen. Der sogenannte "gute Ton" wird
aber in Preußen -- und wohl auch anderswo -- in nichtmilitürischen Kreisen
vorzugsweise durch zwei Bevölkerungsklassen angegeben, die sich großen An¬
sehens und reicher Machtfülle erfreuen. Und gerade deren Gunst haben sich
die Generalkommisstonen verscherzt. Diese Gegner sind die gesamte Vüreau-
kratie, besonders in der Verwaltung, und der Großgrundbesitz. Der Grund
der Feindschaft liegt bei dem ersten Gegner in der Machtvollkommenheit, die
den Generalkommissionen in den bei ihnen anhängigen Geschäften eingeräumt
ist; bei dem ander" Gegner liegt er in der Thätigkeit der Generalkommissionen
selbst. Das bleibt näher zu begründen. Solange eine Auseinandersetzung oder
eine Nentengutsbildung bei einer Generalkommisston anhängig ist, tritt diese
im wesentlichen an die Stelle aller übrigen Verwaltungs- und Justizbehörden.


Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

der Fall wohl nur selten eintreten, daß der gewöhnliche Pauschsatz von
12 Mark überschritten wird. Dieser ist aber so gering, daß bei wertvolleren
Boden der in Rentengutssachen wegfallende Kausstempel von 1 Prozent sast
soviel betragt wie die Kosten des ganzen Rentengutverfahrens.

Dazu kommt, daß, wenn die Beteiligten der Beihilfe des Staates bedürfen
und durch besondre Nachgiebigkeit die Verhandlungen erleichtern, die Kosten
ganz oder zum Teil erlassen werden können- Diese Befugnis ist bis zum
Betrage von 150 Mark auf die Generalkommissionen übertragen und wird von
ihnen in wohlwollender Weise gehandhabt. Die Generalkommissionen sind
endlich befugt, die durch eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld
der Beteiligten entstandnen Kosten niederzuschlagen und für abweisende Bescheide,
wenn der Antrag auf nicht anzurechnender Unkenntnis der Verhältnisse oder
auf Unwissenheit beruht, Gebührenfreiheit zu gewähren. Auch von dieser Be¬
fugnis wird nicht selten Gebrauch gemacht. Was endlich die Kosten der infolge
der Ausführung von Auseinandersetzungen und Nentengutsgründungen not¬
wendig werdenden Anlagen an Wegen, Gräben und sonstigen Einrichtungen
einschließlich der Kosten für Arbeitslöhne, Steine, Stangen, Pfähle usw. betrifft,
so sind hierfür im letzten Staatshaushalt für Auseinandersetzungen 355000,
für Nentengutssachen 200000 Mark ausgesetzt. Diese Beitrüge reichen vor¬
läufig aus, bedürftigen Beteiligten angemessene Unterstützungen zu gewähren.

Nach alledem kann man füglich behaupten, daß die Klagen über die lange
Dauer und die Kosten der Geschäfte der Auseinandersetzungsbehörden, soweit
sie begründet sind, nicht den Generalkommissionen zur Last fallen, sondern in
der Natur der Geschäfte ihren Grund haben und keine Beachtung finden können,
wenn man die Sache selbst für gut und zweckmäßig hält. Im wesentlichen
sind diese Klagen — man darf es ruhig aussprechen — auch gar nicht die
wirklichen Gründe der Unbeliebtheit der Generalkommissionen. Die wirklichen
Gründe liegen auf ganz andern Gebieten. Ein Mitglied des Abgeordneten¬
hauses (also nach der Ansicht des Herrn Präsidenten von Kröcher einer der
klügsten Leute) hat einmal den Ausspruch gethan, es gehöre zum guten Ton,
auf die Generalkommissionen zu schimpfen. Der sogenannte „gute Ton" wird
aber in Preußen — und wohl auch anderswo — in nichtmilitürischen Kreisen
vorzugsweise durch zwei Bevölkerungsklassen angegeben, die sich großen An¬
sehens und reicher Machtfülle erfreuen. Und gerade deren Gunst haben sich
die Generalkommisstonen verscherzt. Diese Gegner sind die gesamte Vüreau-
kratie, besonders in der Verwaltung, und der Großgrundbesitz. Der Grund
der Feindschaft liegt bei dem ersten Gegner in der Machtvollkommenheit, die
den Generalkommissionen in den bei ihnen anhängigen Geschäften eingeräumt
ist; bei dem ander» Gegner liegt er in der Thätigkeit der Generalkommissionen
selbst. Das bleibt näher zu begründen. Solange eine Auseinandersetzung oder
eine Nentengutsbildung bei einer Generalkommisston anhängig ist, tritt diese
im wesentlichen an die Stelle aller übrigen Verwaltungs- und Justizbehörden.


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[0142] Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen der Fall wohl nur selten eintreten, daß der gewöhnliche Pauschsatz von 12 Mark überschritten wird. Dieser ist aber so gering, daß bei wertvolleren Boden der in Rentengutssachen wegfallende Kausstempel von 1 Prozent sast soviel betragt wie die Kosten des ganzen Rentengutverfahrens. Dazu kommt, daß, wenn die Beteiligten der Beihilfe des Staates bedürfen und durch besondre Nachgiebigkeit die Verhandlungen erleichtern, die Kosten ganz oder zum Teil erlassen werden können- Diese Befugnis ist bis zum Betrage von 150 Mark auf die Generalkommissionen übertragen und wird von ihnen in wohlwollender Weise gehandhabt. Die Generalkommissionen sind endlich befugt, die durch eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld der Beteiligten entstandnen Kosten niederzuschlagen und für abweisende Bescheide, wenn der Antrag auf nicht anzurechnender Unkenntnis der Verhältnisse oder auf Unwissenheit beruht, Gebührenfreiheit zu gewähren. Auch von dieser Be¬ fugnis wird nicht selten Gebrauch gemacht. Was endlich die Kosten der infolge der Ausführung von Auseinandersetzungen und Nentengutsgründungen not¬ wendig werdenden Anlagen an Wegen, Gräben und sonstigen Einrichtungen einschließlich der Kosten für Arbeitslöhne, Steine, Stangen, Pfähle usw. betrifft, so sind hierfür im letzten Staatshaushalt für Auseinandersetzungen 355000, für Nentengutssachen 200000 Mark ausgesetzt. Diese Beitrüge reichen vor¬ läufig aus, bedürftigen Beteiligten angemessene Unterstützungen zu gewähren. Nach alledem kann man füglich behaupten, daß die Klagen über die lange Dauer und die Kosten der Geschäfte der Auseinandersetzungsbehörden, soweit sie begründet sind, nicht den Generalkommissionen zur Last fallen, sondern in der Natur der Geschäfte ihren Grund haben und keine Beachtung finden können, wenn man die Sache selbst für gut und zweckmäßig hält. Im wesentlichen sind diese Klagen — man darf es ruhig aussprechen — auch gar nicht die wirklichen Gründe der Unbeliebtheit der Generalkommissionen. Die wirklichen Gründe liegen auf ganz andern Gebieten. Ein Mitglied des Abgeordneten¬ hauses (also nach der Ansicht des Herrn Präsidenten von Kröcher einer der klügsten Leute) hat einmal den Ausspruch gethan, es gehöre zum guten Ton, auf die Generalkommissionen zu schimpfen. Der sogenannte „gute Ton" wird aber in Preußen — und wohl auch anderswo — in nichtmilitürischen Kreisen vorzugsweise durch zwei Bevölkerungsklassen angegeben, die sich großen An¬ sehens und reicher Machtfülle erfreuen. Und gerade deren Gunst haben sich die Generalkommisstonen verscherzt. Diese Gegner sind die gesamte Vüreau- kratie, besonders in der Verwaltung, und der Großgrundbesitz. Der Grund der Feindschaft liegt bei dem ersten Gegner in der Machtvollkommenheit, die den Generalkommissionen in den bei ihnen anhängigen Geschäften eingeräumt ist; bei dem ander» Gegner liegt er in der Thätigkeit der Generalkommissionen selbst. Das bleibt näher zu begründen. Solange eine Auseinandersetzung oder eine Nentengutsbildung bei einer Generalkommisston anhängig ist, tritt diese im wesentlichen an die Stelle aller übrigen Verwaltungs- und Justizbehörden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/142>, abgerufen am 02.07.2024.