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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

die Generalkommissionen erhoben werden, lassen darüber keinen Zweifel. Es
ist deshalb wohl am Platze, einmal auf die Gründe einzugehen, die zu dieser
Unbeliebtheit geführt haben.

Die Angriffe, die offen gegen die Generalkommissionen erhoben werden,
gipfeln in Beschwerden über die lange Dauer und die Kostspieligkeit des Ver¬
fahrens; in der neuern Zeit, namentlich seit Einführung der Rentengutsgesetze,
hat man in dem Ausdruck "büreaukratische Schwerfälligkeit" gern alles zu¬
sammengefaßt, was man gegen sie vorzubringen hat.

Der Vorwurf der büreaukratischen Sachbehandlung muß auffallen. Die
Generalkommissionen sind die einzigen Behörden, deren Mitglieder während
einer Reihe von Jahren (acht bis zehn) im unmittelbaren Verkehre mit der
landwirtschaftlichen Bevölkerung gestanden haben. Sie haben sich besonders
eine eingehende Kenntnis des Bodens und seiner Ertragsfähigkeit verschafft.
Dadurch, daß sie lediglich mündlich mit den Parteien -- und zwar in der
Regel ohne Zuziehung von Anwälten -- verhandelt haben, haben sie gelernt,
in das Wesen der Dinge einzudringen. Sie haben Anschauungen, Wünsche
und Bedürfnisse der Landbewohner kennen gelernt und sich von der Über¬
zeugung durchdringen lassen, daß mit langen, wohlgedrechselten Verfügungen
nicht zu helfen ist, sondern daß frisch und thatkräftig eingegriffen werden muß,
um eine praktische Erledigung der Geschäfte zu erzielen. Wenn auch Wohl
jetzt noch manche Angelegenheiten bei den Generalkommissionen nicht die den
Parteien erwünschte Schnelligkeit der Behandlung erfahren, so hat dies seinen
Grund vornehmlich in der Natur der Geschäfte, die den Generalkommissionen
übertragen sind.*) Häufig, ja in der Regel handelt es sich dabei um die Auf¬
hebung jahrhundertelang bestehender Verhältnisse und deren Ersatz durch neu
herzustellende Zustände. Gerade in diesem Umstände liegen Schwierigkeiten,
die bei der lediglich erhaltenden und vorzugsweise auf die Erledigung laufender
Arbeiten gerichteten Thätigkeit andrer Behörden ausgeschlossen sind. Meistens
sind es ferner Angelegenheiten, die an sich äußerst verwickelt und dabei um¬
fangreicher sind als die Arbeiten andrer Provinzialbehörden. Die Zahl der
Beteiligten und die Verschiedenheit ihrer Rechtsverhältnisse machen es not¬
wendig, daß die Kommissare der Generalkommission zur Aufklärung aller Streit¬
punkte häufig an Ort und Stelle verhandeln. Und da diese Verhandlungen
nicht immer in einem Zug und Zusammenhang vorgenommen werden können,
so beanspruchen sie einen großen Zeitaufwand. Bei den wichtigsten Aufgaben,
Separationen, Zusammenlegungen und Rentengutsbildungen, bedarf es umfang¬
reicher Neumessungen und Kartierungen, die zum Nutzen der allgemeinen Landes¬
vermessung und zur Beschaffung richtiger Kataster mit größter Sorgfalt eins-



*) Die Schwierigkeiten, die die Bearbeitung der Auseinandersetzungssachen bietet, sind in
dem Berichte des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten über die landwirtschaft¬
liche Verwaltung in den Jahren 1878 bis 188V, S. 208 ff. erschöpfend nachgewiesen. Diese
Darstellung ist auch bei der vorliegenden Arbeit benutzt worden.
Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

die Generalkommissionen erhoben werden, lassen darüber keinen Zweifel. Es
ist deshalb wohl am Platze, einmal auf die Gründe einzugehen, die zu dieser
Unbeliebtheit geführt haben.

Die Angriffe, die offen gegen die Generalkommissionen erhoben werden,
gipfeln in Beschwerden über die lange Dauer und die Kostspieligkeit des Ver¬
fahrens; in der neuern Zeit, namentlich seit Einführung der Rentengutsgesetze,
hat man in dem Ausdruck „büreaukratische Schwerfälligkeit" gern alles zu¬
sammengefaßt, was man gegen sie vorzubringen hat.

Der Vorwurf der büreaukratischen Sachbehandlung muß auffallen. Die
Generalkommissionen sind die einzigen Behörden, deren Mitglieder während
einer Reihe von Jahren (acht bis zehn) im unmittelbaren Verkehre mit der
landwirtschaftlichen Bevölkerung gestanden haben. Sie haben sich besonders
eine eingehende Kenntnis des Bodens und seiner Ertragsfähigkeit verschafft.
Dadurch, daß sie lediglich mündlich mit den Parteien — und zwar in der
Regel ohne Zuziehung von Anwälten — verhandelt haben, haben sie gelernt,
in das Wesen der Dinge einzudringen. Sie haben Anschauungen, Wünsche
und Bedürfnisse der Landbewohner kennen gelernt und sich von der Über¬
zeugung durchdringen lassen, daß mit langen, wohlgedrechselten Verfügungen
nicht zu helfen ist, sondern daß frisch und thatkräftig eingegriffen werden muß,
um eine praktische Erledigung der Geschäfte zu erzielen. Wenn auch Wohl
jetzt noch manche Angelegenheiten bei den Generalkommissionen nicht die den
Parteien erwünschte Schnelligkeit der Behandlung erfahren, so hat dies seinen
Grund vornehmlich in der Natur der Geschäfte, die den Generalkommissionen
übertragen sind.*) Häufig, ja in der Regel handelt es sich dabei um die Auf¬
hebung jahrhundertelang bestehender Verhältnisse und deren Ersatz durch neu
herzustellende Zustände. Gerade in diesem Umstände liegen Schwierigkeiten,
die bei der lediglich erhaltenden und vorzugsweise auf die Erledigung laufender
Arbeiten gerichteten Thätigkeit andrer Behörden ausgeschlossen sind. Meistens
sind es ferner Angelegenheiten, die an sich äußerst verwickelt und dabei um¬
fangreicher sind als die Arbeiten andrer Provinzialbehörden. Die Zahl der
Beteiligten und die Verschiedenheit ihrer Rechtsverhältnisse machen es not¬
wendig, daß die Kommissare der Generalkommission zur Aufklärung aller Streit¬
punkte häufig an Ort und Stelle verhandeln. Und da diese Verhandlungen
nicht immer in einem Zug und Zusammenhang vorgenommen werden können,
so beanspruchen sie einen großen Zeitaufwand. Bei den wichtigsten Aufgaben,
Separationen, Zusammenlegungen und Rentengutsbildungen, bedarf es umfang¬
reicher Neumessungen und Kartierungen, die zum Nutzen der allgemeinen Landes¬
vermessung und zur Beschaffung richtiger Kataster mit größter Sorgfalt eins-



*) Die Schwierigkeiten, die die Bearbeitung der Auseinandersetzungssachen bietet, sind in
dem Berichte des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten über die landwirtschaft¬
liche Verwaltung in den Jahren 1878 bis 188V, S. 208 ff. erschöpfend nachgewiesen. Diese
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/140>, abgerufen am 27.06.2024.