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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Unbeliebtheit der Generalkommisstonen

gesetzgebung ausgeliefert ist, auch wenn deren Gang zu unlösbaren Streit¬
fragen unter Bundesgliedern führt." Gewährleistet ist, wie Zorn es treffend
nannte: "die Festigkeit der Rechtsordnung. Denn Rechtsunordnung ist es
und bleibt es, wenn ein Thronfolgestreit, der zwischen Bundesgliedern schwebt,
nicht in der Form Rechtens erledigt werden kann."

Daß die Landesgesetzgebung einen solchen Streit nicht in der Form
Rechtens erledigen kann, ist doch ebenso wenig zu bezweifeln, wie daß ein
Thronprätendent, gleich dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe, wenn er beim
Bundesrate keine Rechtshilfe findet, wie Zorn sagt, keine Möglichkeit hat: "das
nach seiner Überzeugung ihm zustehende gute Recht zu erstreiten oder eine
Feststellung hierüber in der Form Rechtens herbeizuführen, denn die völker¬
rechtlichen Mittel sind ihm gleichfalls versagt." Entspricht diese Sicherheit
der Rechtsordnung nicht den Eingangsworten der Reichsverfassung, daß ein
ewiger Bund geschlossen ist "zum Schutze des Bundesgebiets und des inner¬
halb desselben giltigen Rechtes" ?

Gefestigt und gestärkt ist, dank der Besonnenheit und Einsicht der Ver¬
bündeten Regierungen, die Reichsgewalt aus dem Streite hervorgegangen,
der infolge einer geschickten Mache und unablässiger Verhetzung und Irre¬
führung der öffentlichen Meinung -- lippischerseits ist seinerzeit einem leitenden
Staatsmanne gegenüber gedroht worden: Wir machen die ganze Presse mobil,
wir veranlassen einen Neichstagsskandal! -- schon bedrohlich zu werden anfing.
"Daß alle Schritte in diesem Sinne ein Segen sind, läßt sich doch nicht ver¬
kennen" (Treitschke).

Mit Recht ist daher der vorliegende Bundesratsbeschluß als eine nationale
That gepriesen worden. Noch in der ersten Zeit des Deutschen Bundes waren
bei dem thüringischen Erbfolgestreite (1825 bis 1826) alle Staatsmänner, sowohl
die kleinstaatlichen wie die von Preußen und Österreich, entschlossen, jedes
Tribunal dem des Deutschen Bundes vorzuziehen (Röscher). Welche Wendung
seitdem! Huoä donum, tslix lÄusturaquö sit!




Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

urch die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse,
durch die Befreiung des Grund und Bodens von kulturhemmenden
Lasten, durch die Zusammenlegung der Grundstücke u. a. in. haben
sich die Generalkommissionen hoch anzuschlagende Verdienste um
das Wohl des preußischen Staates erworben. Und doch erfreuen
sie sich einer weitgehenden Unbeliebtheit! Die zahlreichen Angrisse, die seit
langen Jahren in der Presse wie in parlamentarischen.Körperschaften gegen


Die Unbeliebtheit der Generalkommisstonen

gesetzgebung ausgeliefert ist, auch wenn deren Gang zu unlösbaren Streit¬
fragen unter Bundesgliedern führt." Gewährleistet ist, wie Zorn es treffend
nannte: „die Festigkeit der Rechtsordnung. Denn Rechtsunordnung ist es
und bleibt es, wenn ein Thronfolgestreit, der zwischen Bundesgliedern schwebt,
nicht in der Form Rechtens erledigt werden kann."

Daß die Landesgesetzgebung einen solchen Streit nicht in der Form
Rechtens erledigen kann, ist doch ebenso wenig zu bezweifeln, wie daß ein
Thronprätendent, gleich dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe, wenn er beim
Bundesrate keine Rechtshilfe findet, wie Zorn sagt, keine Möglichkeit hat: „das
nach seiner Überzeugung ihm zustehende gute Recht zu erstreiten oder eine
Feststellung hierüber in der Form Rechtens herbeizuführen, denn die völker¬
rechtlichen Mittel sind ihm gleichfalls versagt." Entspricht diese Sicherheit
der Rechtsordnung nicht den Eingangsworten der Reichsverfassung, daß ein
ewiger Bund geschlossen ist „zum Schutze des Bundesgebiets und des inner¬
halb desselben giltigen Rechtes" ?

Gefestigt und gestärkt ist, dank der Besonnenheit und Einsicht der Ver¬
bündeten Regierungen, die Reichsgewalt aus dem Streite hervorgegangen,
der infolge einer geschickten Mache und unablässiger Verhetzung und Irre¬
führung der öffentlichen Meinung — lippischerseits ist seinerzeit einem leitenden
Staatsmanne gegenüber gedroht worden: Wir machen die ganze Presse mobil,
wir veranlassen einen Neichstagsskandal! — schon bedrohlich zu werden anfing.
„Daß alle Schritte in diesem Sinne ein Segen sind, läßt sich doch nicht ver¬
kennen" (Treitschke).

Mit Recht ist daher der vorliegende Bundesratsbeschluß als eine nationale
That gepriesen worden. Noch in der ersten Zeit des Deutschen Bundes waren
bei dem thüringischen Erbfolgestreite (1825 bis 1826) alle Staatsmänner, sowohl
die kleinstaatlichen wie die von Preußen und Österreich, entschlossen, jedes
Tribunal dem des Deutschen Bundes vorzuziehen (Röscher). Welche Wendung
seitdem! Huoä donum, tslix lÄusturaquö sit!




Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

urch die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse,
durch die Befreiung des Grund und Bodens von kulturhemmenden
Lasten, durch die Zusammenlegung der Grundstücke u. a. in. haben
sich die Generalkommissionen hoch anzuschlagende Verdienste um
das Wohl des preußischen Staates erworben. Und doch erfreuen
sie sich einer weitgehenden Unbeliebtheit! Die zahlreichen Angrisse, die seit
langen Jahren in der Presse wie in parlamentarischen.Körperschaften gegen


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[0139] Die Unbeliebtheit der Generalkommisstonen gesetzgebung ausgeliefert ist, auch wenn deren Gang zu unlösbaren Streit¬ fragen unter Bundesgliedern führt." Gewährleistet ist, wie Zorn es treffend nannte: „die Festigkeit der Rechtsordnung. Denn Rechtsunordnung ist es und bleibt es, wenn ein Thronfolgestreit, der zwischen Bundesgliedern schwebt, nicht in der Form Rechtens erledigt werden kann." Daß die Landesgesetzgebung einen solchen Streit nicht in der Form Rechtens erledigen kann, ist doch ebenso wenig zu bezweifeln, wie daß ein Thronprätendent, gleich dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe, wenn er beim Bundesrate keine Rechtshilfe findet, wie Zorn sagt, keine Möglichkeit hat: „das nach seiner Überzeugung ihm zustehende gute Recht zu erstreiten oder eine Feststellung hierüber in der Form Rechtens herbeizuführen, denn die völker¬ rechtlichen Mittel sind ihm gleichfalls versagt." Entspricht diese Sicherheit der Rechtsordnung nicht den Eingangsworten der Reichsverfassung, daß ein ewiger Bund geschlossen ist „zum Schutze des Bundesgebiets und des inner¬ halb desselben giltigen Rechtes" ? Gefestigt und gestärkt ist, dank der Besonnenheit und Einsicht der Ver¬ bündeten Regierungen, die Reichsgewalt aus dem Streite hervorgegangen, der infolge einer geschickten Mache und unablässiger Verhetzung und Irre¬ führung der öffentlichen Meinung — lippischerseits ist seinerzeit einem leitenden Staatsmanne gegenüber gedroht worden: Wir machen die ganze Presse mobil, wir veranlassen einen Neichstagsskandal! — schon bedrohlich zu werden anfing. „Daß alle Schritte in diesem Sinne ein Segen sind, läßt sich doch nicht ver¬ kennen" (Treitschke). Mit Recht ist daher der vorliegende Bundesratsbeschluß als eine nationale That gepriesen worden. Noch in der ersten Zeit des Deutschen Bundes waren bei dem thüringischen Erbfolgestreite (1825 bis 1826) alle Staatsmänner, sowohl die kleinstaatlichen wie die von Preußen und Österreich, entschlossen, jedes Tribunal dem des Deutschen Bundes vorzuziehen (Röscher). Welche Wendung seitdem! Huoä donum, tslix lÄusturaquö sit! Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen urch die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, durch die Befreiung des Grund und Bodens von kulturhemmenden Lasten, durch die Zusammenlegung der Grundstücke u. a. in. haben sich die Generalkommissionen hoch anzuschlagende Verdienste um das Wohl des preußischen Staates erworben. Und doch erfreuen sie sich einer weitgehenden Unbeliebtheit! Die zahlreichen Angrisse, die seit langen Jahren in der Presse wie in parlamentarischen.Körperschaften gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/139>, abgerufen am 30.06.2024.