Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches gard 1833." Es sind die Beschlüsse gegen die Preßfreiheit gemeint, mit denen In öffentlichen Blättern war kürzlich zu lesen, daß nach der Rückkehr des Dazu haben wir zu bemerken: Wir haben gar nicht behauptet, daß jeder, der Maßgebliches und Unmaßgebliches gard 1833." Es sind die Beschlüsse gegen die Preßfreiheit gemeint, mit denen In öffentlichen Blättern war kürzlich zu lesen, daß nach der Rückkehr des Dazu haben wir zu bemerken: Wir haben gar nicht behauptet, daß jeder, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0671" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229620"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2364" prev="#ID_2363"> gard 1833." Es sind die Beschlüsse gegen die Preßfreiheit gemeint, mit denen<lb/> der Bundestag unseligen Angedenkens damals in die Verfassungen der Einzelstantcn<lb/> eingegriffen hatte. Ich glaube im Geiste meines Oheims, des Propheten des neuen<lb/> Reichs, zu handeln, wenn ich meine schwache Stimme gegen das beabsichtigte Vor¬<lb/> gehen des Bundesrath erhebe, der damit in die Fußstnpfen des alten Bundestages<lb/> träte. Meine der Bundesrat, daß dem Reiche damit gedient sei, wenn dem Prinzip<lb/> der Ebenbürtigkeit reichsgesetzliche Geltung für alle regierenden Häuser Deutschlands<lb/> verschafft würde, so möge er eine dahinzielende Vorlage an den Reichstag bringen;<lb/> nimmt dieser sie an, dann gut: für fürstliche Mesalliancen begeistert man sich heut¬<lb/> zutage nicht mehr. Allein solange ein solches Reichsgesetz nicht ergangen, die Reichs-<lb/> verfassung nicht in diesem Sinne geändert ist, solange kann jeder Einzelstaat die<lb/> Thronfolgeordnung bei sich nach seiner Lcindesversassung ordnen und ändern, und<lb/> ein Beschluß, durch den der Bundesrat die Lippische Thronfolgefrage vor sein Forum<lb/> zöge, wäre nicht mehr und nicht weniger als eine dem Starken zuliebe verübte<lb/> Vergewaltigung des Schwachen. Dagegen empören sich in Süddeutschland nicht<lb/> bloß Demokraten und Ultramontnne, sondern alle rechtlich denkenden Männer, daß<lb/> dem so ist, das ist erfreulich, und es ist nur zu wünschen, daß der Norden in<lb/> diesem Punkte sich nicht weniger liberal, d. h. hier nicht weniger gerecht erweise<lb/> als der Süden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2365"> In öffentlichen Blättern war kürzlich zu lesen, daß nach der Rückkehr des<lb/> Kaisers die Lippische Angelegenheit eine alle Teile befriedigende Lösung gefunden<lb/> habe. Über die Art der Lösung ist nichts verlautet, und zu der Nachricht stimmte<lb/> es schlecht, als es bald darauf hieß, der Bundesrat werde „zunächst" seine Zu¬<lb/> ständigkeit anerkennen. Ein Beschluß in diesem Sinne wäre schon der vollendete<lb/> Rechtsbruch. Wie ist er abzuwenden? Ein abermaliger Meinungswechsel der preu¬<lb/> ßischen Regierung, mit dem die Sache im Sinne der Unzuständigkeit des Bundes¬<lb/> rath erledigt wäre, würde sich allerdings nicht gerade gut ausnehmen. Aber es<lb/> giebt ein viel einfacheres Mittel, um das Ärgernis aus der Welt zu schaffen: ein<lb/> Wort des Kaisers an seinen fürstlichen Schwager wird vermutlich genügen, um<lb/> diesen zur Zurücknahme seines Einspruchs gegen das neue Lippische Thronfvlgegesetz<lb/> zu veranlassen. Daß das geschehe, ist auch noch aus einem andern Grunde wünschens¬<lb/> wert, den kürzlich Professor Sehdel in der Deutschen Juristenzeitung mit Recht<lb/> betont hat. Der im Negentschaftsstreit ergangne Schiedsspruch, bilden wir oben<lb/> bemerkt, schafft allerdings nur insofern Recht, als er den Grafen Ernst von Lippe-<lb/> Biesterfeld für den rechtmäßigen Regenten erklärt; die Entscheidungsgründe sind<lb/> nicht rechtskräftig geworden, und vom juristische» Standpunkte aus ist die Möglich¬<lb/> keit unbedingt zuzugeben, daß die Gründe unrichtig sind, daß ein neues Schieds¬<lb/> gericht bor^ sele- zu einem andern Spruch gelangen könnte. Allgemeine Anerkennung<lb/> würde aber natürlich auch dieser nicht finden; vor allem aber: diese formell-juri¬<lb/> stische Betrachtungsweise paßt hier uicht. Sechs Mitglieder des höchsten deutschen<lb/> Gerichts haben nnter dem Vorsitz eines der ersten deutschen Fürsten den Spruch<lb/> gefällt; da ziemt es sich nicht, daß einer der kleinsten Fürsten, weil ihm der Spruch<lb/> nicht paßt, ihn einfach beiseite schiebt und, als hätte das erlauchte Gericht gar nicht<lb/> gesprochen, seinen durch den Spruch uach aller Wahrscheinlichkeit mit Recht ab¬<lb/> gewiesenen Anspruch in etwas andrer Form von neuem anmeldet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2366" next="#ID_2367"> Dazu haben wir zu bemerken: Wir haben gar nicht behauptet, daß jeder, der<lb/> in dieser Sache anders denke als die Grenzboten, nicht national gesinnt sei. Wir<lb/> zweifeln auch nicht an dem Patriotismus der nationalen und liberale» Zeitungen,<lb/> die einen andern Standpunkt vertreten, aber wir sind allerdings der Überzeugung,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0671]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
gard 1833." Es sind die Beschlüsse gegen die Preßfreiheit gemeint, mit denen
der Bundestag unseligen Angedenkens damals in die Verfassungen der Einzelstantcn
eingegriffen hatte. Ich glaube im Geiste meines Oheims, des Propheten des neuen
Reichs, zu handeln, wenn ich meine schwache Stimme gegen das beabsichtigte Vor¬
gehen des Bundesrath erhebe, der damit in die Fußstnpfen des alten Bundestages
träte. Meine der Bundesrat, daß dem Reiche damit gedient sei, wenn dem Prinzip
der Ebenbürtigkeit reichsgesetzliche Geltung für alle regierenden Häuser Deutschlands
verschafft würde, so möge er eine dahinzielende Vorlage an den Reichstag bringen;
nimmt dieser sie an, dann gut: für fürstliche Mesalliancen begeistert man sich heut¬
zutage nicht mehr. Allein solange ein solches Reichsgesetz nicht ergangen, die Reichs-
verfassung nicht in diesem Sinne geändert ist, solange kann jeder Einzelstaat die
Thronfolgeordnung bei sich nach seiner Lcindesversassung ordnen und ändern, und
ein Beschluß, durch den der Bundesrat die Lippische Thronfolgefrage vor sein Forum
zöge, wäre nicht mehr und nicht weniger als eine dem Starken zuliebe verübte
Vergewaltigung des Schwachen. Dagegen empören sich in Süddeutschland nicht
bloß Demokraten und Ultramontnne, sondern alle rechtlich denkenden Männer, daß
dem so ist, das ist erfreulich, und es ist nur zu wünschen, daß der Norden in
diesem Punkte sich nicht weniger liberal, d. h. hier nicht weniger gerecht erweise
als der Süden.
In öffentlichen Blättern war kürzlich zu lesen, daß nach der Rückkehr des
Kaisers die Lippische Angelegenheit eine alle Teile befriedigende Lösung gefunden
habe. Über die Art der Lösung ist nichts verlautet, und zu der Nachricht stimmte
es schlecht, als es bald darauf hieß, der Bundesrat werde „zunächst" seine Zu¬
ständigkeit anerkennen. Ein Beschluß in diesem Sinne wäre schon der vollendete
Rechtsbruch. Wie ist er abzuwenden? Ein abermaliger Meinungswechsel der preu¬
ßischen Regierung, mit dem die Sache im Sinne der Unzuständigkeit des Bundes¬
rath erledigt wäre, würde sich allerdings nicht gerade gut ausnehmen. Aber es
giebt ein viel einfacheres Mittel, um das Ärgernis aus der Welt zu schaffen: ein
Wort des Kaisers an seinen fürstlichen Schwager wird vermutlich genügen, um
diesen zur Zurücknahme seines Einspruchs gegen das neue Lippische Thronfvlgegesetz
zu veranlassen. Daß das geschehe, ist auch noch aus einem andern Grunde wünschens¬
wert, den kürzlich Professor Sehdel in der Deutschen Juristenzeitung mit Recht
betont hat. Der im Negentschaftsstreit ergangne Schiedsspruch, bilden wir oben
bemerkt, schafft allerdings nur insofern Recht, als er den Grafen Ernst von Lippe-
Biesterfeld für den rechtmäßigen Regenten erklärt; die Entscheidungsgründe sind
nicht rechtskräftig geworden, und vom juristische» Standpunkte aus ist die Möglich¬
keit unbedingt zuzugeben, daß die Gründe unrichtig sind, daß ein neues Schieds¬
gericht bor^ sele- zu einem andern Spruch gelangen könnte. Allgemeine Anerkennung
würde aber natürlich auch dieser nicht finden; vor allem aber: diese formell-juri¬
stische Betrachtungsweise paßt hier uicht. Sechs Mitglieder des höchsten deutschen
Gerichts haben nnter dem Vorsitz eines der ersten deutschen Fürsten den Spruch
gefällt; da ziemt es sich nicht, daß einer der kleinsten Fürsten, weil ihm der Spruch
nicht paßt, ihn einfach beiseite schiebt und, als hätte das erlauchte Gericht gar nicht
gesprochen, seinen durch den Spruch uach aller Wahrscheinlichkeit mit Recht ab¬
gewiesenen Anspruch in etwas andrer Form von neuem anmeldet.
Dazu haben wir zu bemerken: Wir haben gar nicht behauptet, daß jeder, der
in dieser Sache anders denke als die Grenzboten, nicht national gesinnt sei. Wir
zweifeln auch nicht an dem Patriotismus der nationalen und liberale» Zeitungen,
die einen andern Standpunkt vertreten, aber wir sind allerdings der Überzeugung,
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