Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Werden und sie am eignen Geldbeutel treffen, wo sie sicherlich cun schmerzlichsten Der Kern des Übels der Fremdlnndcrei in der Schweiz sind unzweifelhaft Waren schon die Schweizer Trabanten die treueste Leibwache des fran¬ Werden und sie am eignen Geldbeutel treffen, wo sie sicherlich cun schmerzlichsten Der Kern des Übels der Fremdlnndcrei in der Schweiz sind unzweifelhaft Waren schon die Schweizer Trabanten die treueste Leibwache des fran¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229539"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1876" prev="#ID_1875"> Werden und sie am eignen Geldbeutel treffen, wo sie sicherlich cun schmerzlichsten<lb/> berührt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1877"> Der Kern des Übels der Fremdlnndcrei in der Schweiz sind unzweifelhaft<lb/> die waadtländischen Bestrebungen, die vor hundert Jahren mit dem Verrat der<lb/> Unterthcmenlcmde der Wende einsetzten und unter dem Deckmantel des Kampfes<lb/> für die politische Freiheit einfach auf die Einverleibung in die französische Re¬<lb/> publik hinzielten. Beim Wiener Kongreß wiederholten diese Französlinge unter<lb/> der Führung Laharpes. des Günstlings des Zaren, das alte Spiel. Um die<lb/> Selbständigkeit der Wende zu erreichen, gaben sie leichten Herzens das Veltlin<lb/> an Österreich preis. Worms und Kleven (Bormio und Chiavennn) wurden<lb/> dadurch italienisch, während sie sich als Graubündische Vogteien leidlich deutsch<lb/> erhalten hatten. Bei der größern geistigen Regsamkeit der französischen Schweizer<lb/> gegenüber den plumpem und wenig förmlichen Deutschschweizern haben die<lb/> ersten besonders seit der Unterdrückung des katholisch-konservativen Sonder¬<lb/> bundes die politische Führung der Schweiz übernommen und herrschen in der<lb/> Regierung trotz ihrer absoluten Minderzahl unverhältnismäßig vor. Dieser<lb/> Thatsache entspricht auch die anmaßende Absicht, sogar gesetzlich die Mitwirkung<lb/> einer bestimmten Anzahl romanischer Stimmen über den zahlenmäßigen An¬<lb/> spruch hinaus in der Bundesvcrwaltuug festzusetzen, um sodann dauernd das<lb/> Heft in der Hand zu behalten. Der deutsche Michel wird sich schließlich mich<lb/> diesem Übermut, der als Forderung der Billigkeit heuchlerisch dargestellt wird,<lb/> gedankenlos fügen, und dann ist der französische Sieg entschieden. Ein neuer<lb/> Volksverrat kann widerstandslos das kleine Land hierauf Frankreich über¬<lb/> liefern, wenn nicht Deutschland solches wieder, wie vor fast einem Jahrhundert,<lb/> hindert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1878" next="#ID_1879"> Waren schon die Schweizer Trabanten die treueste Leibwache des fran¬<lb/> zösischen Königs, so betrachteten das Kaisertum und die Republik das einst<lb/> auf seine deutsche Freiheit so stolze Alpenland ebenfalls als einen halb ab¬<lb/> hängigen Staat gleich der belgischen Mißgeburt. Als der Wiener Kongreß<lb/> auch die diplomatischen Nangcibstufungen endgiltig festsetzte, erhielt der Chef<lb/> der französischen Mission in Bern Botschafterrang und ist somit der ständige<lb/> Doyen des diplomatischen Korps. Er erscheint demgemäß immer an der Spitze<lb/> der fremden Diplomaten und nimmt schon äußerlich die erste Stelle ein. Die<lb/> beweglichen Waadtländer spielten zumal als französische Plaudrcr gleich uach<lb/> der Uniformung der Eidgenossenschaft in den modernen Staat die erste Rolle,<lb/> ""d die Verner Patrizier äfften ihren schlimmsten Widersachern im Gebrauche<lb/> der welschen Mundart weiter nach. Die auswärtige Politik liegt thatsächlich<lb/> französischer Hand, und der französische Botschafter behandelt diese ver¬<lb/> mummten deutschen Schweizer geschickt als ebenbürtige republikanische Genossen.<lb/> Es ist wohl kein Zufall, daß der eben neu ernannte französische Botschafter<lb/> bisher Direktor der politischen Abteilung des auswärtigen Ministeriums war,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Werden und sie am eignen Geldbeutel treffen, wo sie sicherlich cun schmerzlichsten
berührt werden.
Der Kern des Übels der Fremdlnndcrei in der Schweiz sind unzweifelhaft
die waadtländischen Bestrebungen, die vor hundert Jahren mit dem Verrat der
Unterthcmenlcmde der Wende einsetzten und unter dem Deckmantel des Kampfes
für die politische Freiheit einfach auf die Einverleibung in die französische Re¬
publik hinzielten. Beim Wiener Kongreß wiederholten diese Französlinge unter
der Führung Laharpes. des Günstlings des Zaren, das alte Spiel. Um die
Selbständigkeit der Wende zu erreichen, gaben sie leichten Herzens das Veltlin
an Österreich preis. Worms und Kleven (Bormio und Chiavennn) wurden
dadurch italienisch, während sie sich als Graubündische Vogteien leidlich deutsch
erhalten hatten. Bei der größern geistigen Regsamkeit der französischen Schweizer
gegenüber den plumpem und wenig förmlichen Deutschschweizern haben die
ersten besonders seit der Unterdrückung des katholisch-konservativen Sonder¬
bundes die politische Führung der Schweiz übernommen und herrschen in der
Regierung trotz ihrer absoluten Minderzahl unverhältnismäßig vor. Dieser
Thatsache entspricht auch die anmaßende Absicht, sogar gesetzlich die Mitwirkung
einer bestimmten Anzahl romanischer Stimmen über den zahlenmäßigen An¬
spruch hinaus in der Bundesvcrwaltuug festzusetzen, um sodann dauernd das
Heft in der Hand zu behalten. Der deutsche Michel wird sich schließlich mich
diesem Übermut, der als Forderung der Billigkeit heuchlerisch dargestellt wird,
gedankenlos fügen, und dann ist der französische Sieg entschieden. Ein neuer
Volksverrat kann widerstandslos das kleine Land hierauf Frankreich über¬
liefern, wenn nicht Deutschland solches wieder, wie vor fast einem Jahrhundert,
hindert.
Waren schon die Schweizer Trabanten die treueste Leibwache des fran¬
zösischen Königs, so betrachteten das Kaisertum und die Republik das einst
auf seine deutsche Freiheit so stolze Alpenland ebenfalls als einen halb ab¬
hängigen Staat gleich der belgischen Mißgeburt. Als der Wiener Kongreß
auch die diplomatischen Nangcibstufungen endgiltig festsetzte, erhielt der Chef
der französischen Mission in Bern Botschafterrang und ist somit der ständige
Doyen des diplomatischen Korps. Er erscheint demgemäß immer an der Spitze
der fremden Diplomaten und nimmt schon äußerlich die erste Stelle ein. Die
beweglichen Waadtländer spielten zumal als französische Plaudrcr gleich uach
der Uniformung der Eidgenossenschaft in den modernen Staat die erste Rolle,
""d die Verner Patrizier äfften ihren schlimmsten Widersachern im Gebrauche
der welschen Mundart weiter nach. Die auswärtige Politik liegt thatsächlich
französischer Hand, und der französische Botschafter behandelt diese ver¬
mummten deutschen Schweizer geschickt als ebenbürtige republikanische Genossen.
Es ist wohl kein Zufall, daß der eben neu ernannte französische Botschafter
bisher Direktor der politischen Abteilung des auswärtigen Ministeriums war,
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