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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

seien 95 von 100, von den aus dem Gefängnis Entlassener 50 von 100, von
den Deportirten nur 5 von 100 rückfällig geworden."

Seitdem wir Deutschen einen großen Kolonialbesitz haben, der sich in
klimatischer Beziehung für unsre Volksgenossen eignet, ist die Deportations¬
frage auch für das Deutsche Reich von praktischer Bedeutung geworden. In
meiner im Jahre 1894 veröffentlichten Abhandlung: "Fort mit den Zucht¬
häusern!" habe ich die Deportation als Strafvollziehungsmittel empfohlen.
Die Strafvollziehung war hierbei in folgender Weise gedacht. Sobald der
Sträfling in der Strafkolonie angelangt ist, wird er hauptsächlich als Acker¬
bauer auf einer der Straffarmen*) des Reichs beschäftigt. Doch kann er auch
zu jeder andern Arbeit, deren er fähig ist, angehalten werden. Jede Unbot-
müßigkeit wird streng geahndet. In dieser harten Zucht bleibt der Sträfling
solange, als es die örtliche Kolonialverwaltung für zweckmäßig erachtet. Auf
Grund tadelloser Führung kann die Verwaltung die Arbeit mildern und die
Kost des Sträflings verbessern, insbesondre kann nach Ablauf von drei Jahren
^ aber nicht eher -- der Sträfling in einem eigens für Ansiedlungszwecke
bestimmten und von der Straffarm räumlich gehörig getrennten Territorium
seinen Wohnsitz angewiesen erhalten und sich dort eine selbständige Existenz
begründen.

Ist der aus der Straffarm Entlassene ein Landwirt, oder hat er sich
während seiner Strafzeit in der Farn: landwirtschaftliche Kenntnisse erworben,
so wird ihm Ackerland, eine Hütte, Saatgut und Ackergerät gegen billigen
Zins vom Zeitpunkte der möglichen Rentabilität zugewiesen. Der zu selb¬
ständigem Betriebe Angesiedelte kann seine Familie nachkommen lassen, oder er
kann sich für den Fall der Ledigkeit verheiraten. Das Eigentum der zugewiesenen
Parzellen verfällt aber zu Gunsten des Fiskus, wenn der Angewiesene durch
unordentlichen Lebenswandel den landwirtschaftlichen Betrieb trotz wiederholter
Verwarnung vernachlässigt. Er wird dann ebenso behandelt wie der Sträfling,
ben die Verwaltung nach der Verbüßung der Strafzeit zur selbständigen Be¬
wirtschaftung einer Ackerparzelle für ungeeignet erachtet. Dergleichen Entlassene
werden versuchsweise entweder freien Ansiedlern oder solchen entlassenen Straf-
^"gen, die sich als Ansiedler schon längere Zeit bewährt haben, auf deren
Antrag gegen Kost und Lohn zur Beschäftigung überwiesen. Selbstverständlich
können die Sträflinge zu allen öffentlichen Arbeiten herangezogen werden.
Hierher gehören besonders Hafenanlagen, Wegebauten (Eisenbahnen), Beriesc-



Solche Straffnrmen werden nach dem Ermessen des Gouverneurs an verschiednen
Punkten des sttdwestafrikcmischen Koloninlgebicts angelegt. Sie dienen in' erster Linie zur Er-
^ugung der für die Ernährung der Sträflinge erforderlichen Lebensmittel und ferner als Ver¬
suchsstationen für landwirtschaftliche Betriebszweige und als Vermittlungsstellen, die den freien
Ansiedlern den Ankauf von Zugtieren, von sunt- und Pflanzenmaterial erleichtern, Vergl. den
Abschnitt II, "Von den Straffarmen" Seite 12 fg. bei Brück: Die gesetzliche Einführung der
Deportation im Deutschen Reiche. Breslau, 1897.
Die Deportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

seien 95 von 100, von den aus dem Gefängnis Entlassener 50 von 100, von
den Deportirten nur 5 von 100 rückfällig geworden."

Seitdem wir Deutschen einen großen Kolonialbesitz haben, der sich in
klimatischer Beziehung für unsre Volksgenossen eignet, ist die Deportations¬
frage auch für das Deutsche Reich von praktischer Bedeutung geworden. In
meiner im Jahre 1894 veröffentlichten Abhandlung: „Fort mit den Zucht¬
häusern!" habe ich die Deportation als Strafvollziehungsmittel empfohlen.
Die Strafvollziehung war hierbei in folgender Weise gedacht. Sobald der
Sträfling in der Strafkolonie angelangt ist, wird er hauptsächlich als Acker¬
bauer auf einer der Straffarmen*) des Reichs beschäftigt. Doch kann er auch
zu jeder andern Arbeit, deren er fähig ist, angehalten werden. Jede Unbot-
müßigkeit wird streng geahndet. In dieser harten Zucht bleibt der Sträfling
solange, als es die örtliche Kolonialverwaltung für zweckmäßig erachtet. Auf
Grund tadelloser Führung kann die Verwaltung die Arbeit mildern und die
Kost des Sträflings verbessern, insbesondre kann nach Ablauf von drei Jahren
^ aber nicht eher — der Sträfling in einem eigens für Ansiedlungszwecke
bestimmten und von der Straffarm räumlich gehörig getrennten Territorium
seinen Wohnsitz angewiesen erhalten und sich dort eine selbständige Existenz
begründen.

Ist der aus der Straffarm Entlassene ein Landwirt, oder hat er sich
während seiner Strafzeit in der Farn: landwirtschaftliche Kenntnisse erworben,
so wird ihm Ackerland, eine Hütte, Saatgut und Ackergerät gegen billigen
Zins vom Zeitpunkte der möglichen Rentabilität zugewiesen. Der zu selb¬
ständigem Betriebe Angesiedelte kann seine Familie nachkommen lassen, oder er
kann sich für den Fall der Ledigkeit verheiraten. Das Eigentum der zugewiesenen
Parzellen verfällt aber zu Gunsten des Fiskus, wenn der Angewiesene durch
unordentlichen Lebenswandel den landwirtschaftlichen Betrieb trotz wiederholter
Verwarnung vernachlässigt. Er wird dann ebenso behandelt wie der Sträfling,
ben die Verwaltung nach der Verbüßung der Strafzeit zur selbständigen Be¬
wirtschaftung einer Ackerparzelle für ungeeignet erachtet. Dergleichen Entlassene
werden versuchsweise entweder freien Ansiedlern oder solchen entlassenen Straf-
^"gen, die sich als Ansiedler schon längere Zeit bewährt haben, auf deren
Antrag gegen Kost und Lohn zur Beschäftigung überwiesen. Selbstverständlich
können die Sträflinge zu allen öffentlichen Arbeiten herangezogen werden.
Hierher gehören besonders Hafenanlagen, Wegebauten (Eisenbahnen), Beriesc-



Solche Straffnrmen werden nach dem Ermessen des Gouverneurs an verschiednen
Punkten des sttdwestafrikcmischen Koloninlgebicts angelegt. Sie dienen in' erster Linie zur Er-
^ugung der für die Ernährung der Sträflinge erforderlichen Lebensmittel und ferner als Ver¬
suchsstationen für landwirtschaftliche Betriebszweige und als Vermittlungsstellen, die den freien
Ansiedlern den Ankauf von Zugtieren, von sunt- und Pflanzenmaterial erleichtern, Vergl. den
Abschnitt II, „Von den Straffarmen" Seite 12 fg. bei Brück: Die gesetzliche Einführung der
Deportation im Deutschen Reiche. Breslau, 1897.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/510>, abgerufen am 12.12.2024.