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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

bei der letzten Verpachtung 1900 Thaler erzielt worden seien. Die Erhöhung
des Pachtzinses über die Ertragsteigerung hinaus rechtfertige sich dadurch, daß
früher der VerPächter schlechte Gebäude bekommen habe und das lebende und
tote Inventar habe mitbringen müssen, während er jetzt gute, mit vollständigem
Inventar ausgestattete Gebäude vorfinde. Außer den erwähnten seien noch
zwei andre Hindernisse der Verbesserung weggefallen. Früher hätten die wenigsten
Gutsbesitzer ihre Güter selbst bewirtschaftet; sie hätten sie meistens auf drei
Jahre verpachtet gehabt, und bei so kurzfristigen Pachter hätten keine Ver¬
besserungen vorgenommen werden können; jetzt würden sie entweder vom Besitzer
bewirtschaftet oder auf mindestens sechs, zum Teil auf neun bis fünfzehn Jahre
verpachtet. Und früher seien die Rittergüter als Lehngüter gebunden gewesen;
jetzt sei die Hälfte davon in Allodialgüter verwandelt; der Eigentümer könne
damit frei schalten; habe er Kinder, so sei er sicher, daß diesen die vorgenommnen
Verbesserungen zu gute kämen; daß aber die Güter jetzt im freien Handel von
einem an den ander" übergehen dürften, sei deswegen ein Vorteil, weil die
neuen Besitzer oft neue Ideen mitbrächten und anwendeten. Schließlich trügen
natürlich auch die jetzigen guten Preise für Getreide, Vieh, Butter, Wolle und
Leder zur Steigerung des Güterprcises bei, doch nicht in dem Grade, wie die
vorher angeführten Ursachen. Nach alledem sei diese Preissteigerung weder
als vorübergehend noch als ein Unglück anzusehen. Die gute Lage der Land¬
wirtschaft werde schon durch die Verminderung der früher so häufigen Konkurse
und der landschaftlichen Sequestrationen bewiesen; im Jahre 1787 wären
25 pommersche Rittergüter, 1795 nnr noch 5 in Sequestration gewesen.

Nachdem die Katastrophe eingetreten war, überwog natürlich die pessi¬
mistische Auffassung. L. Avenarius schrieb 1827 "über den Verkauf zahlreicher
adlicher Güter in der Provinz Preußen" unter anderm folgendes. "Der blühende
Getreidehandel in den Ostseehäfen vom Jahre 1790 an bis 1806, der gleich¬
zeitig starke Absatz von Branntwein und Fleisch, vornehmlich nach England,
Holland und Schweden, mußte der Landwirtschaft jener Küstenländer einen
überaus mächtigen Impuls geben. Die damaligen ziemlich anhaltend guten
Getreidepreise mußten den Preis der Güter außerordentlich steigern und ihren
Besitz sehr einladend machen, um so mehr, als die Erzielung des Getreides
wegen der zu den Gütern gehörigen großen Scharwerke oder Frondienste ver¬
hältnismäßig sehr geringe Kulturkosteu erforderte." Dazu sei die Erleichterung
des Güterkaufs durch die Landschaften gekommen; die glückliche Konjunktur,
an deren Bestand jedermann glaubte, habe Landgüter als einen sehr begehrens¬
werter Besitz erscheinen lassen, die Konkurrenz darum habe anch bei den Ab-
schützungsbehördcn eine übertriebne Meinung von ihrem Wert erzeugt, die sich
ü' den Taxen ausgedrückt habe, und diese wiederum hätten zum Schulden-
Machen eingeladen; außer dem landschaftlichen sei auch der unter solchen Um¬
ständen natürlich hohe Personalkredit gehörig ausgenutzt worden. Von vielen


Grenzboten IV 1808 59
Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

bei der letzten Verpachtung 1900 Thaler erzielt worden seien. Die Erhöhung
des Pachtzinses über die Ertragsteigerung hinaus rechtfertige sich dadurch, daß
früher der VerPächter schlechte Gebäude bekommen habe und das lebende und
tote Inventar habe mitbringen müssen, während er jetzt gute, mit vollständigem
Inventar ausgestattete Gebäude vorfinde. Außer den erwähnten seien noch
zwei andre Hindernisse der Verbesserung weggefallen. Früher hätten die wenigsten
Gutsbesitzer ihre Güter selbst bewirtschaftet; sie hätten sie meistens auf drei
Jahre verpachtet gehabt, und bei so kurzfristigen Pachter hätten keine Ver¬
besserungen vorgenommen werden können; jetzt würden sie entweder vom Besitzer
bewirtschaftet oder auf mindestens sechs, zum Teil auf neun bis fünfzehn Jahre
verpachtet. Und früher seien die Rittergüter als Lehngüter gebunden gewesen;
jetzt sei die Hälfte davon in Allodialgüter verwandelt; der Eigentümer könne
damit frei schalten; habe er Kinder, so sei er sicher, daß diesen die vorgenommnen
Verbesserungen zu gute kämen; daß aber die Güter jetzt im freien Handel von
einem an den ander» übergehen dürften, sei deswegen ein Vorteil, weil die
neuen Besitzer oft neue Ideen mitbrächten und anwendeten. Schließlich trügen
natürlich auch die jetzigen guten Preise für Getreide, Vieh, Butter, Wolle und
Leder zur Steigerung des Güterprcises bei, doch nicht in dem Grade, wie die
vorher angeführten Ursachen. Nach alledem sei diese Preissteigerung weder
als vorübergehend noch als ein Unglück anzusehen. Die gute Lage der Land¬
wirtschaft werde schon durch die Verminderung der früher so häufigen Konkurse
und der landschaftlichen Sequestrationen bewiesen; im Jahre 1787 wären
25 pommersche Rittergüter, 1795 nnr noch 5 in Sequestration gewesen.

Nachdem die Katastrophe eingetreten war, überwog natürlich die pessi¬
mistische Auffassung. L. Avenarius schrieb 1827 „über den Verkauf zahlreicher
adlicher Güter in der Provinz Preußen" unter anderm folgendes. „Der blühende
Getreidehandel in den Ostseehäfen vom Jahre 1790 an bis 1806, der gleich¬
zeitig starke Absatz von Branntwein und Fleisch, vornehmlich nach England,
Holland und Schweden, mußte der Landwirtschaft jener Küstenländer einen
überaus mächtigen Impuls geben. Die damaligen ziemlich anhaltend guten
Getreidepreise mußten den Preis der Güter außerordentlich steigern und ihren
Besitz sehr einladend machen, um so mehr, als die Erzielung des Getreides
wegen der zu den Gütern gehörigen großen Scharwerke oder Frondienste ver¬
hältnismäßig sehr geringe Kulturkosteu erforderte." Dazu sei die Erleichterung
des Güterkaufs durch die Landschaften gekommen; die glückliche Konjunktur,
an deren Bestand jedermann glaubte, habe Landgüter als einen sehr begehrens¬
werter Besitz erscheinen lassen, die Konkurrenz darum habe anch bei den Ab-
schützungsbehördcn eine übertriebne Meinung von ihrem Wert erzeugt, die sich
ü' den Taxen ausgedrückt habe, und diese wiederum hätten zum Schulden-
Machen eingeladen; außer dem landschaftlichen sei auch der unter solchen Um¬
ständen natürlich hohe Personalkredit gehörig ausgenutzt worden. Von vielen


Grenzboten IV 1808 59
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[0476] Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland bei der letzten Verpachtung 1900 Thaler erzielt worden seien. Die Erhöhung des Pachtzinses über die Ertragsteigerung hinaus rechtfertige sich dadurch, daß früher der VerPächter schlechte Gebäude bekommen habe und das lebende und tote Inventar habe mitbringen müssen, während er jetzt gute, mit vollständigem Inventar ausgestattete Gebäude vorfinde. Außer den erwähnten seien noch zwei andre Hindernisse der Verbesserung weggefallen. Früher hätten die wenigsten Gutsbesitzer ihre Güter selbst bewirtschaftet; sie hätten sie meistens auf drei Jahre verpachtet gehabt, und bei so kurzfristigen Pachter hätten keine Ver¬ besserungen vorgenommen werden können; jetzt würden sie entweder vom Besitzer bewirtschaftet oder auf mindestens sechs, zum Teil auf neun bis fünfzehn Jahre verpachtet. Und früher seien die Rittergüter als Lehngüter gebunden gewesen; jetzt sei die Hälfte davon in Allodialgüter verwandelt; der Eigentümer könne damit frei schalten; habe er Kinder, so sei er sicher, daß diesen die vorgenommnen Verbesserungen zu gute kämen; daß aber die Güter jetzt im freien Handel von einem an den ander» übergehen dürften, sei deswegen ein Vorteil, weil die neuen Besitzer oft neue Ideen mitbrächten und anwendeten. Schließlich trügen natürlich auch die jetzigen guten Preise für Getreide, Vieh, Butter, Wolle und Leder zur Steigerung des Güterprcises bei, doch nicht in dem Grade, wie die vorher angeführten Ursachen. Nach alledem sei diese Preissteigerung weder als vorübergehend noch als ein Unglück anzusehen. Die gute Lage der Land¬ wirtschaft werde schon durch die Verminderung der früher so häufigen Konkurse und der landschaftlichen Sequestrationen bewiesen; im Jahre 1787 wären 25 pommersche Rittergüter, 1795 nnr noch 5 in Sequestration gewesen. Nachdem die Katastrophe eingetreten war, überwog natürlich die pessi¬ mistische Auffassung. L. Avenarius schrieb 1827 „über den Verkauf zahlreicher adlicher Güter in der Provinz Preußen" unter anderm folgendes. „Der blühende Getreidehandel in den Ostseehäfen vom Jahre 1790 an bis 1806, der gleich¬ zeitig starke Absatz von Branntwein und Fleisch, vornehmlich nach England, Holland und Schweden, mußte der Landwirtschaft jener Küstenländer einen überaus mächtigen Impuls geben. Die damaligen ziemlich anhaltend guten Getreidepreise mußten den Preis der Güter außerordentlich steigern und ihren Besitz sehr einladend machen, um so mehr, als die Erzielung des Getreides wegen der zu den Gütern gehörigen großen Scharwerke oder Frondienste ver¬ hältnismäßig sehr geringe Kulturkosteu erforderte." Dazu sei die Erleichterung des Güterkaufs durch die Landschaften gekommen; die glückliche Konjunktur, an deren Bestand jedermann glaubte, habe Landgüter als einen sehr begehrens¬ werter Besitz erscheinen lassen, die Konkurrenz darum habe anch bei den Ab- schützungsbehördcn eine übertriebne Meinung von ihrem Wert erzeugt, die sich ü' den Taxen ausgedrückt habe, und diese wiederum hätten zum Schulden- Machen eingeladen; außer dem landschaftlichen sei auch der unter solchen Um¬ ständen natürlich hohe Personalkredit gehörig ausgenutzt worden. Von vielen Grenzboten IV 1808 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/476>, abgerufen am 12.12.2024.