Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

im Hhpothekenwesen hätten den Kredit der Grundbesitzer geschmälert; der Zins¬
fuß habe 5 bis 6 Prozent betragen. Die Lage des Gutsbesitzers sei so kläglich
gewesen, daß ihn schon eine Kündigung, ein Brand über den Haufen werfen
konnte. Gutsbesitzersöhne seien froh gewesen, wenn sie mit Geld abgefunden
werden konnten und das väterliche Gut nicht zu übernehmen brauchten. Und
der Ruf Hinterpommerns sei sogar noch schlechter gewesen als seine wirkliche
Lage, sodaß kein Auswärtiger daran habe denken können, sich dort anzukaufen;
wo habe da der Wert der Grundstücke herkommen sollen? Von Verbesserungen
habe unter diesen Umständen nicht die Rede sein können. Dann aber habe
der König in der Zeit von 1763 bis 1789 den Gutsbesitzern bedeutende Unter¬
stützungen gezahlt; das landschaftliche Kreditsystem sei eingerichtet, das Hypo¬
theken- und Konkursweseu geordnet worden, sodaß die Gläubiger sicher gestellt
wurden; der Zwang zur Feuerversicherung, dem die bcpfandbrieften Güter
unterlagen, habe sowohl die Gutsbesitzer als die Hypothekeninhaber geschützt,
und so sei der Gutsbesitzer in Stand gesetzt worden, Verbesserungen vor¬
zunehmen. Die Sicherung der Hhpothekenkapitalien habe den Zinsfuß auf
4^ Prozent ermäßigt, und dieser Vorteil bedeute für sich allein schon eine
Steigerung des Gutswerts. Denn es wird allgemein angenommen, daß die
Verzinsung eines vom Käufer in Grundbesitz angelegten Kapitals dem Zins
für die Hypothekenkapitalien gleich sei. Wirft daher ein Gut 1200 Thaler
Reinertrag ab, so beträgt sein Kaufpreis beim fünfprozentigen Zinsfuß
20 x 1200 24000, beim vierprozentigen 25 x 1200 ^ 30000 Thaler. Wen"
nun ein Landgut beim sechsprozcutigen 20000 Thaler galt, so müsse es, meint
der Verfasser, jetzt, bei 4^ Prozent, 29160 Thaler") gelten, wenn auch mit
dem Gute selbst gar keine Veränderung vorgegangen wäre. In Wirklichkeit
seien aber mit den meisten Gütern sehr erfreuliche Veränderungen vorgegangen.
Tabak, "Erdtvffeln," Flachs würden in größerm Umfange als früher gebaut
und mit Gewinn abgesetzt, die Bienenzucht und der Obstbau würden mit Eifer
betrieben. Es seien unter anderen verkauft worden: im Jahre 1790 aus
Stettin für 62000, in Schlawe für 70000, in Stargard für 80000 Thaler
Leinwand; seewärts ausgeführt wordeu seien im Jahre 1793 für 30000 Thaler
Honig, im Jahre 1794 8153 Tonnen Obst und 9938 Zentner Tabak; lauter
Produkte, die früher für die Landwirtschaft gar nicht in Betracht gekommen
seien. Von den Haupterzeugnissen aber habe sich der Ertrag bedeutend ver¬
mehrt. Vor zehn Jahren sei ein Gut zu 507 Thalern verpachtet gewesen und
um 10500 Thaler verkauft wordeu. Damals habe der Einschnitt 900 Stiegen
Wintergetreide und 90 Fuder Heu ergeben; im Jahre 1797 aber habe man
2700 Stiegen Wintergetreide und 250 Fuder Heu geerntet; da sei es doch
ungefähr dreimal soviel wert, und man dürfe sich daher nicht wundern, daß



Ich bekomme nur WMO heraus.
Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

im Hhpothekenwesen hätten den Kredit der Grundbesitzer geschmälert; der Zins¬
fuß habe 5 bis 6 Prozent betragen. Die Lage des Gutsbesitzers sei so kläglich
gewesen, daß ihn schon eine Kündigung, ein Brand über den Haufen werfen
konnte. Gutsbesitzersöhne seien froh gewesen, wenn sie mit Geld abgefunden
werden konnten und das väterliche Gut nicht zu übernehmen brauchten. Und
der Ruf Hinterpommerns sei sogar noch schlechter gewesen als seine wirkliche
Lage, sodaß kein Auswärtiger daran habe denken können, sich dort anzukaufen;
wo habe da der Wert der Grundstücke herkommen sollen? Von Verbesserungen
habe unter diesen Umständen nicht die Rede sein können. Dann aber habe
der König in der Zeit von 1763 bis 1789 den Gutsbesitzern bedeutende Unter¬
stützungen gezahlt; das landschaftliche Kreditsystem sei eingerichtet, das Hypo¬
theken- und Konkursweseu geordnet worden, sodaß die Gläubiger sicher gestellt
wurden; der Zwang zur Feuerversicherung, dem die bcpfandbrieften Güter
unterlagen, habe sowohl die Gutsbesitzer als die Hypothekeninhaber geschützt,
und so sei der Gutsbesitzer in Stand gesetzt worden, Verbesserungen vor¬
zunehmen. Die Sicherung der Hhpothekenkapitalien habe den Zinsfuß auf
4^ Prozent ermäßigt, und dieser Vorteil bedeute für sich allein schon eine
Steigerung des Gutswerts. Denn es wird allgemein angenommen, daß die
Verzinsung eines vom Käufer in Grundbesitz angelegten Kapitals dem Zins
für die Hypothekenkapitalien gleich sei. Wirft daher ein Gut 1200 Thaler
Reinertrag ab, so beträgt sein Kaufpreis beim fünfprozentigen Zinsfuß
20 x 1200 24000, beim vierprozentigen 25 x 1200 ^ 30000 Thaler. Wen»
nun ein Landgut beim sechsprozcutigen 20000 Thaler galt, so müsse es, meint
der Verfasser, jetzt, bei 4^ Prozent, 29160 Thaler") gelten, wenn auch mit
dem Gute selbst gar keine Veränderung vorgegangen wäre. In Wirklichkeit
seien aber mit den meisten Gütern sehr erfreuliche Veränderungen vorgegangen.
Tabak, „Erdtvffeln," Flachs würden in größerm Umfange als früher gebaut
und mit Gewinn abgesetzt, die Bienenzucht und der Obstbau würden mit Eifer
betrieben. Es seien unter anderen verkauft worden: im Jahre 1790 aus
Stettin für 62000, in Schlawe für 70000, in Stargard für 80000 Thaler
Leinwand; seewärts ausgeführt wordeu seien im Jahre 1793 für 30000 Thaler
Honig, im Jahre 1794 8153 Tonnen Obst und 9938 Zentner Tabak; lauter
Produkte, die früher für die Landwirtschaft gar nicht in Betracht gekommen
seien. Von den Haupterzeugnissen aber habe sich der Ertrag bedeutend ver¬
mehrt. Vor zehn Jahren sei ein Gut zu 507 Thalern verpachtet gewesen und
um 10500 Thaler verkauft wordeu. Damals habe der Einschnitt 900 Stiegen
Wintergetreide und 90 Fuder Heu ergeben; im Jahre 1797 aber habe man
2700 Stiegen Wintergetreide und 250 Fuder Heu geerntet; da sei es doch
ungefähr dreimal soviel wert, und man dürfe sich daher nicht wundern, daß



Ich bekomme nur WMO heraus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229424"/>
          <fw type="header" place="top"> Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1359" prev="#ID_1358" next="#ID_1360"> im Hhpothekenwesen hätten den Kredit der Grundbesitzer geschmälert; der Zins¬<lb/>
fuß habe 5 bis 6 Prozent betragen. Die Lage des Gutsbesitzers sei so kläglich<lb/>
gewesen, daß ihn schon eine Kündigung, ein Brand über den Haufen werfen<lb/>
konnte. Gutsbesitzersöhne seien froh gewesen, wenn sie mit Geld abgefunden<lb/>
werden konnten und das väterliche Gut nicht zu übernehmen brauchten. Und<lb/>
der Ruf Hinterpommerns sei sogar noch schlechter gewesen als seine wirkliche<lb/>
Lage, sodaß kein Auswärtiger daran habe denken können, sich dort anzukaufen;<lb/>
wo habe da der Wert der Grundstücke herkommen sollen? Von Verbesserungen<lb/>
habe unter diesen Umständen nicht die Rede sein können. Dann aber habe<lb/>
der König in der Zeit von 1763 bis 1789 den Gutsbesitzern bedeutende Unter¬<lb/>
stützungen gezahlt; das landschaftliche Kreditsystem sei eingerichtet, das Hypo¬<lb/>
theken- und Konkursweseu geordnet worden, sodaß die Gläubiger sicher gestellt<lb/>
wurden; der Zwang zur Feuerversicherung, dem die bcpfandbrieften Güter<lb/>
unterlagen, habe sowohl die Gutsbesitzer als die Hypothekeninhaber geschützt,<lb/>
und so sei der Gutsbesitzer in Stand gesetzt worden, Verbesserungen vor¬<lb/>
zunehmen. Die Sicherung der Hhpothekenkapitalien habe den Zinsfuß auf<lb/>
4^ Prozent ermäßigt, und dieser Vorteil bedeute für sich allein schon eine<lb/>
Steigerung des Gutswerts. Denn es wird allgemein angenommen, daß die<lb/>
Verzinsung eines vom Käufer in Grundbesitz angelegten Kapitals dem Zins<lb/>
für die Hypothekenkapitalien gleich sei. Wirft daher ein Gut 1200 Thaler<lb/>
Reinertrag ab, so beträgt sein Kaufpreis beim fünfprozentigen Zinsfuß<lb/>
20 x 1200 24000, beim vierprozentigen 25 x 1200 ^ 30000 Thaler. Wen»<lb/>
nun ein Landgut beim sechsprozcutigen 20000 Thaler galt, so müsse es, meint<lb/>
der Verfasser, jetzt, bei 4^ Prozent, 29160 Thaler") gelten, wenn auch mit<lb/>
dem Gute selbst gar keine Veränderung vorgegangen wäre. In Wirklichkeit<lb/>
seien aber mit den meisten Gütern sehr erfreuliche Veränderungen vorgegangen.<lb/>
Tabak, &#x201E;Erdtvffeln," Flachs würden in größerm Umfange als früher gebaut<lb/>
und mit Gewinn abgesetzt, die Bienenzucht und der Obstbau würden mit Eifer<lb/>
betrieben. Es seien unter anderen verkauft worden: im Jahre 1790 aus<lb/>
Stettin für 62000, in Schlawe für 70000, in Stargard für 80000 Thaler<lb/>
Leinwand; seewärts ausgeführt wordeu seien im Jahre 1793 für 30000 Thaler<lb/>
Honig, im Jahre 1794 8153 Tonnen Obst und 9938 Zentner Tabak; lauter<lb/>
Produkte, die früher für die Landwirtschaft gar nicht in Betracht gekommen<lb/>
seien. Von den Haupterzeugnissen aber habe sich der Ertrag bedeutend ver¬<lb/>
mehrt. Vor zehn Jahren sei ein Gut zu 507 Thalern verpachtet gewesen und<lb/>
um 10500 Thaler verkauft wordeu. Damals habe der Einschnitt 900 Stiegen<lb/>
Wintergetreide und 90 Fuder Heu ergeben; im Jahre 1797 aber habe man<lb/>
2700 Stiegen Wintergetreide und 250 Fuder Heu geerntet; da sei es doch<lb/>
ungefähr dreimal soviel wert, und man dürfe sich daher nicht wundern, daß</p><lb/>
          <note xml:id="FID_47" place="foot"> Ich bekomme nur WMO heraus.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475] Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland im Hhpothekenwesen hätten den Kredit der Grundbesitzer geschmälert; der Zins¬ fuß habe 5 bis 6 Prozent betragen. Die Lage des Gutsbesitzers sei so kläglich gewesen, daß ihn schon eine Kündigung, ein Brand über den Haufen werfen konnte. Gutsbesitzersöhne seien froh gewesen, wenn sie mit Geld abgefunden werden konnten und das väterliche Gut nicht zu übernehmen brauchten. Und der Ruf Hinterpommerns sei sogar noch schlechter gewesen als seine wirkliche Lage, sodaß kein Auswärtiger daran habe denken können, sich dort anzukaufen; wo habe da der Wert der Grundstücke herkommen sollen? Von Verbesserungen habe unter diesen Umständen nicht die Rede sein können. Dann aber habe der König in der Zeit von 1763 bis 1789 den Gutsbesitzern bedeutende Unter¬ stützungen gezahlt; das landschaftliche Kreditsystem sei eingerichtet, das Hypo¬ theken- und Konkursweseu geordnet worden, sodaß die Gläubiger sicher gestellt wurden; der Zwang zur Feuerversicherung, dem die bcpfandbrieften Güter unterlagen, habe sowohl die Gutsbesitzer als die Hypothekeninhaber geschützt, und so sei der Gutsbesitzer in Stand gesetzt worden, Verbesserungen vor¬ zunehmen. Die Sicherung der Hhpothekenkapitalien habe den Zinsfuß auf 4^ Prozent ermäßigt, und dieser Vorteil bedeute für sich allein schon eine Steigerung des Gutswerts. Denn es wird allgemein angenommen, daß die Verzinsung eines vom Käufer in Grundbesitz angelegten Kapitals dem Zins für die Hypothekenkapitalien gleich sei. Wirft daher ein Gut 1200 Thaler Reinertrag ab, so beträgt sein Kaufpreis beim fünfprozentigen Zinsfuß 20 x 1200 24000, beim vierprozentigen 25 x 1200 ^ 30000 Thaler. Wen» nun ein Landgut beim sechsprozcutigen 20000 Thaler galt, so müsse es, meint der Verfasser, jetzt, bei 4^ Prozent, 29160 Thaler") gelten, wenn auch mit dem Gute selbst gar keine Veränderung vorgegangen wäre. In Wirklichkeit seien aber mit den meisten Gütern sehr erfreuliche Veränderungen vorgegangen. Tabak, „Erdtvffeln," Flachs würden in größerm Umfange als früher gebaut und mit Gewinn abgesetzt, die Bienenzucht und der Obstbau würden mit Eifer betrieben. Es seien unter anderen verkauft worden: im Jahre 1790 aus Stettin für 62000, in Schlawe für 70000, in Stargard für 80000 Thaler Leinwand; seewärts ausgeführt wordeu seien im Jahre 1793 für 30000 Thaler Honig, im Jahre 1794 8153 Tonnen Obst und 9938 Zentner Tabak; lauter Produkte, die früher für die Landwirtschaft gar nicht in Betracht gekommen seien. Von den Haupterzeugnissen aber habe sich der Ertrag bedeutend ver¬ mehrt. Vor zehn Jahren sei ein Gut zu 507 Thalern verpachtet gewesen und um 10500 Thaler verkauft wordeu. Damals habe der Einschnitt 900 Stiegen Wintergetreide und 90 Fuder Heu ergeben; im Jahre 1797 aber habe man 2700 Stiegen Wintergetreide und 250 Fuder Heu geerntet; da sei es doch ungefähr dreimal soviel wert, und man dürfe sich daher nicht wundern, daß Ich bekomme nur WMO heraus.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/475
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/475>, abgerufen am 12.12.2024.