Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Judentum und Revolution getragen, namentlich die Köpfe der studierenden Jugend in dieser für Staat Wer sich also heute als Deutscher eine Frau nimmt ans dem Stamm, Mit diesen pseudodarwinischen, prähistorischen oder sonstwie doktrinären Judentum und Revolution getragen, namentlich die Köpfe der studierenden Jugend in dieser für Staat Wer sich also heute als Deutscher eine Frau nimmt ans dem Stamm, Mit diesen pseudodarwinischen, prähistorischen oder sonstwie doktrinären <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229415"/> <fw type="header" place="top"> Judentum und Revolution</fw><lb/> <p xml:id="ID_1333" prev="#ID_1332"> getragen, namentlich die Köpfe der studierenden Jugend in dieser für Staat<lb/> und Gesellschaft so bedeutungsvollen Frage zu verwirren. Man höre, was<lb/> Treitschke auf Seite 274 seiner nach Kollegienheften zusammengestellten „Politik"<lb/> orakelt: „Den farbigen Rassen gegenüber steht die weiße Rasse, die in zwei<lb/> Klassen zerfällt, die arischen Völker und die Semiten. Das sind ungeheuer<lb/> scharfe und tiefe Gegensätze. Denn geht man auch aus von der Abstammung<lb/> der Menschen von einem Paar, und ist man auch noch so sehr überzeugt von<lb/> "er Gleichheit aller Menschen vor Gott, so liegt doch die Differenzirung der<lb/> ^reen eine unendliche Zeit hinter uns. Wenn aber die Natur die Differen-<lb/> zirung einmal vollzogen hat, so will sie bekanntlich nicht, daß eine Rückbildung<lb/> erfolgt. Sie rächt sich, indem sie die Vermischung verschiedner Arten damit<lb/> bestraft, daß die höhere herabgedrückt wird durch die niedere. Wie aus der<lb/> Vermischung von Pferd und Esel ein Geschöpf hervorgeht, das die Eigen¬<lb/> schaften der niedern Art an sich trägt, so bei den Menschen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1334"> Wer sich also heute als Deutscher eine Frau nimmt ans dem Stamm,<lb/> dem die heilige Jungfrau, die Gottesgebärerin, angehörte, der weiß, dank dem<lb/> Professor Treitschke, was er von seinen Kindern, die durch unausweichliche<lb/> Naturbestimmung Geschöpfe niedrer Art sein müssen, zu erwarten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1335" next="#ID_1336"> Mit diesen pseudodarwinischen, prähistorischen oder sonstwie doktrinären<lb/> Schrullen hat die Überzeugung national-konservativer Männer, daß dem vor¬<lb/> dringlichen Gebaren eines großen Teils der uuter uns wohnenden und von<lb/> Unserm, dem deutschen Staate in der Erreichung ihrer Lebenszwecke geförderten<lb/> ^uden mit den geeigneten staatlichen und gesellschaftlichen Mitteln Einhalt<lb/> geboten werden müsse, ganz und gar nichts zu thun. Die Eigenschaften, die<lb/> dieser oder jener Ethnologe oder Geschichtsforscher glaubt der sogenannten<lb/> semitischen Rasse, also Hebräern, Phönikern, Arabern usw. zuschreiben zu<lb/> sollen, fallen für eine Erfassung der Jndenfrcige unter diesem Gesichtspunkte<lb/> wenig ins Gewicht. Der politisch gerichtete Antisemitismus hat es nicht mit<lb/> °em abstrakten Begriff einer Rasse zu thun, sondern mit der Thatsache eiues<lb/> holer historischen Stellung und dem daraus sich ergebenden Denken und<lb/> suhlen genau bekannten jüdischen Volkes. Dieses Volk tritt uus in zwei<lb/> nirch die Jahrtausende getrennten Perioden seines Daseins in anschaulichster<lb/> Lebendigkeit vor Augen: zuerst in strengster nationaler Abgeschlossenheit<lb/> ""d Ausschließlichkeit unter theokratischer Führung, sodann entwurzelt und<lb/> unter die Völker zerstreut, in den Ländern mit hoch getriebner moderner<lb/> Cultur immer mehr dem Atheismus und der Religionslosigkeit verfallend.<lb/> "Volkgespcust/- sagt Heinrich Heine, um das tragische Schicksal einer Nation<lb/> sU bezeichnen, der die beiden Grundlagen jedes gesunden und selbständigen<lb/> Volkslebens abhanden gekommen sind: fester Grundbesitz und gemeinsamer<lb/> ^ottesglaube. Es hat Zeiten gegeben — und das letzte Drittel unsers Jahr¬<lb/> hunderts zählt dazu —, wo die überwiegend dem Handelsbetrieb zugewandte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0466]
Judentum und Revolution
getragen, namentlich die Köpfe der studierenden Jugend in dieser für Staat
und Gesellschaft so bedeutungsvollen Frage zu verwirren. Man höre, was
Treitschke auf Seite 274 seiner nach Kollegienheften zusammengestellten „Politik"
orakelt: „Den farbigen Rassen gegenüber steht die weiße Rasse, die in zwei
Klassen zerfällt, die arischen Völker und die Semiten. Das sind ungeheuer
scharfe und tiefe Gegensätze. Denn geht man auch aus von der Abstammung
der Menschen von einem Paar, und ist man auch noch so sehr überzeugt von
"er Gleichheit aller Menschen vor Gott, so liegt doch die Differenzirung der
^reen eine unendliche Zeit hinter uns. Wenn aber die Natur die Differen-
zirung einmal vollzogen hat, so will sie bekanntlich nicht, daß eine Rückbildung
erfolgt. Sie rächt sich, indem sie die Vermischung verschiedner Arten damit
bestraft, daß die höhere herabgedrückt wird durch die niedere. Wie aus der
Vermischung von Pferd und Esel ein Geschöpf hervorgeht, das die Eigen¬
schaften der niedern Art an sich trägt, so bei den Menschen."
Wer sich also heute als Deutscher eine Frau nimmt ans dem Stamm,
dem die heilige Jungfrau, die Gottesgebärerin, angehörte, der weiß, dank dem
Professor Treitschke, was er von seinen Kindern, die durch unausweichliche
Naturbestimmung Geschöpfe niedrer Art sein müssen, zu erwarten hat.
Mit diesen pseudodarwinischen, prähistorischen oder sonstwie doktrinären
Schrullen hat die Überzeugung national-konservativer Männer, daß dem vor¬
dringlichen Gebaren eines großen Teils der uuter uns wohnenden und von
Unserm, dem deutschen Staate in der Erreichung ihrer Lebenszwecke geförderten
^uden mit den geeigneten staatlichen und gesellschaftlichen Mitteln Einhalt
geboten werden müsse, ganz und gar nichts zu thun. Die Eigenschaften, die
dieser oder jener Ethnologe oder Geschichtsforscher glaubt der sogenannten
semitischen Rasse, also Hebräern, Phönikern, Arabern usw. zuschreiben zu
sollen, fallen für eine Erfassung der Jndenfrcige unter diesem Gesichtspunkte
wenig ins Gewicht. Der politisch gerichtete Antisemitismus hat es nicht mit
°em abstrakten Begriff einer Rasse zu thun, sondern mit der Thatsache eiues
holer historischen Stellung und dem daraus sich ergebenden Denken und
suhlen genau bekannten jüdischen Volkes. Dieses Volk tritt uus in zwei
nirch die Jahrtausende getrennten Perioden seines Daseins in anschaulichster
Lebendigkeit vor Augen: zuerst in strengster nationaler Abgeschlossenheit
""d Ausschließlichkeit unter theokratischer Führung, sodann entwurzelt und
unter die Völker zerstreut, in den Ländern mit hoch getriebner moderner
Cultur immer mehr dem Atheismus und der Religionslosigkeit verfallend.
"Volkgespcust/- sagt Heinrich Heine, um das tragische Schicksal einer Nation
sU bezeichnen, der die beiden Grundlagen jedes gesunden und selbständigen
Volkslebens abhanden gekommen sind: fester Grundbesitz und gemeinsamer
^ottesglaube. Es hat Zeiten gegeben — und das letzte Drittel unsers Jahr¬
hunderts zählt dazu —, wo die überwiegend dem Handelsbetrieb zugewandte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |