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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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liebste Voraussetzung: die Redlichkeit und die Tüchtigkeit bei den regierten
Klassen ist thatsächlich vorhanden.

Wenn sich die Angaben der Frankfurter Zeitung über einen deutsch-tür¬
kischen Vertrag wegen der asiatischen Türkei als richtig erweisen, so würde
damit alles erreicht sein, was wir zunächst für die Mehrung und Förderung
der deutschen Interessen im Orient für notwendig halten, und was wir schon
im vergangnen Jahre als das wichtigste Ziel der deutschen auswärtigen Politik
bezeichnet haben. Jedenfalls wollen wir bei Beginn des zwanzigsten Jahr¬
hunderts nicht mehr aus des Lebens Drang in des Herzens heilig stille
Räume fliehen und sinnend zuschauen, wie



Judentum und Revolution
Karl Trost von
Antisemitismus uicht Judenhaß

n einem vor einiger Zeit dnrch die Tagesblätter veröffentlichten
Briefe erwähnt der Dichter Vjörnson, Franz von Lenbach habe
den Judenhaß für unvereinbar gehalten mit der Thatsache, daß
der Stifter unsrer Religion auch ein Jude war. Diese Ansicht,
deren Ursprung vornehmlich in einer allzu abstrakten, die ge¬
schichtlichen Wnudluugen zu wenig in Rechnung ziehenden Erfassung des Rasse¬
charakters zu suchen ist, begegnet uns so häufig in gebildeten und menschlich
denkenden Kreisen unsers Volks, und man hält die daraus gezogne Schlu߬
folgerung -- die Verurteilung des Antisemitismus in allen seinen Richtungen
und Formen -- für so unabweislich, daß es kaum als überflüssig gelten kann,
"le von dein Münchner Künstler, wie Vjörnson noch hervorhebt, in besondrer
^tuiunungsfülle ciusgesprochne Bemerkung eingehender auf ihre Berechtigung
s" Prüfen. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß nicht jeder Antisemitis-
uuls. nicht jede an bestimmter Stelle erfolgende Ablehnung oder Zurückweisung
jüdischen Stammes oder des jüdischen Wesens notwenig mit Haß oder
"und nur mit Abneigung gegen die Jude" im allgemeinen verbunden ist. Daß
Jude nicht zum evangelischen Pastor taugt, dürfte auch von solchen zu-


liebste Voraussetzung: die Redlichkeit und die Tüchtigkeit bei den regierten
Klassen ist thatsächlich vorhanden.

Wenn sich die Angaben der Frankfurter Zeitung über einen deutsch-tür¬
kischen Vertrag wegen der asiatischen Türkei als richtig erweisen, so würde
damit alles erreicht sein, was wir zunächst für die Mehrung und Förderung
der deutschen Interessen im Orient für notwendig halten, und was wir schon
im vergangnen Jahre als das wichtigste Ziel der deutschen auswärtigen Politik
bezeichnet haben. Jedenfalls wollen wir bei Beginn des zwanzigsten Jahr¬
hunderts nicht mehr aus des Lebens Drang in des Herzens heilig stille
Räume fliehen und sinnend zuschauen, wie



Judentum und Revolution
Karl Trost von
Antisemitismus uicht Judenhaß

n einem vor einiger Zeit dnrch die Tagesblätter veröffentlichten
Briefe erwähnt der Dichter Vjörnson, Franz von Lenbach habe
den Judenhaß für unvereinbar gehalten mit der Thatsache, daß
der Stifter unsrer Religion auch ein Jude war. Diese Ansicht,
deren Ursprung vornehmlich in einer allzu abstrakten, die ge¬
schichtlichen Wnudluugen zu wenig in Rechnung ziehenden Erfassung des Rasse¬
charakters zu suchen ist, begegnet uns so häufig in gebildeten und menschlich
denkenden Kreisen unsers Volks, und man hält die daraus gezogne Schlu߬
folgerung — die Verurteilung des Antisemitismus in allen seinen Richtungen
und Formen — für so unabweislich, daß es kaum als überflüssig gelten kann,
"le von dein Münchner Künstler, wie Vjörnson noch hervorhebt, in besondrer
^tuiunungsfülle ciusgesprochne Bemerkung eingehender auf ihre Berechtigung
s" Prüfen. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß nicht jeder Antisemitis-
uuls. nicht jede an bestimmter Stelle erfolgende Ablehnung oder Zurückweisung
jüdischen Stammes oder des jüdischen Wesens notwenig mit Haß oder
"und nur mit Abneigung gegen die Jude» im allgemeinen verbunden ist. Daß
Jude nicht zum evangelischen Pastor taugt, dürfte auch von solchen zu-


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[0464] liebste Voraussetzung: die Redlichkeit und die Tüchtigkeit bei den regierten Klassen ist thatsächlich vorhanden. Wenn sich die Angaben der Frankfurter Zeitung über einen deutsch-tür¬ kischen Vertrag wegen der asiatischen Türkei als richtig erweisen, so würde damit alles erreicht sein, was wir zunächst für die Mehrung und Förderung der deutschen Interessen im Orient für notwendig halten, und was wir schon im vergangnen Jahre als das wichtigste Ziel der deutschen auswärtigen Politik bezeichnet haben. Jedenfalls wollen wir bei Beginn des zwanzigsten Jahr¬ hunderts nicht mehr aus des Lebens Drang in des Herzens heilig stille Räume fliehen und sinnend zuschauen, wie [Abbildung] Judentum und Revolution Karl Trost von Antisemitismus uicht Judenhaß n einem vor einiger Zeit dnrch die Tagesblätter veröffentlichten Briefe erwähnt der Dichter Vjörnson, Franz von Lenbach habe den Judenhaß für unvereinbar gehalten mit der Thatsache, daß der Stifter unsrer Religion auch ein Jude war. Diese Ansicht, deren Ursprung vornehmlich in einer allzu abstrakten, die ge¬ schichtlichen Wnudluugen zu wenig in Rechnung ziehenden Erfassung des Rasse¬ charakters zu suchen ist, begegnet uns so häufig in gebildeten und menschlich denkenden Kreisen unsers Volks, und man hält die daraus gezogne Schlu߬ folgerung — die Verurteilung des Antisemitismus in allen seinen Richtungen und Formen — für so unabweislich, daß es kaum als überflüssig gelten kann, "le von dein Münchner Künstler, wie Vjörnson noch hervorhebt, in besondrer ^tuiunungsfülle ciusgesprochne Bemerkung eingehender auf ihre Berechtigung s" Prüfen. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß nicht jeder Antisemitis- uuls. nicht jede an bestimmter Stelle erfolgende Ablehnung oder Zurückweisung jüdischen Stammes oder des jüdischen Wesens notwenig mit Haß oder "und nur mit Abneigung gegen die Jude» im allgemeinen verbunden ist. Daß Jude nicht zum evangelischen Pastor taugt, dürfte auch von solchen zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/464>, abgerufen am 30.06.2024.