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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von rveißenburg bis Metz

stark und angesehen. Von dort führt die Straße nach Wörth, die Anmarsch¬
straße des V. Armeekorps, zunächst durch ein flaches Wiesenthal zwischen sanften
Höhen ostwärts, dann über welliges, fruchtbares Land zwischen Weizenfeldern,
Hopfenpflanzungen und Obstgärten durch stattliche Dörfer dahin. Herrliche
alte, breitästige Nußbäume treten erst einzeln, dann in Alleen auf und schützen
die Straße wohlthätig gegen den Sonnenbrand. Ein Geschäftsmann aus Sultz,
der den Wandrer freundlich in seinem flotten Einspänner ein Stück mitnahm,
erzählte, früher seien diese schönen Bäume noch viel häufiger gewesen, jetzt
würden sie vielfach verkauft, um Holz zu Gewehrschüften zu liefern, weil sie
gut bezahlt würden, das Stück zu 30, 100, 120 Mark. Er hatte 1870 in
Sultz mit durchlebt, und der stärkste Eindruck, der ihm davon geblieben war, war
der einer furchtbaren Verwüstung. "Sehen Sie, sagte er, auf die schweren
braunen Ähren der ausgedehnten Weizenfelder weisend, dieselbe schöne Ernte
wie heute stand damals auf den Feldern; das war nachher alles in Grund und
Boden gestampft. ..." Denn wir näherten uns rasch dem Schlachtfelde von
Wörth. Schon wurden unter im Grunde rechts von der Straße die roten
Dächer des langgestreckten Preuschdorf sichtbar, durch das noch am Nachmittage
des 6. August 1370 die zweite bayrische Division herankam, darüber der Berg¬
rücken des Hochwaldes, links, in Bäumen versteckt, auf der Hochebne Diefenbach,
wo sich damals das V. Korps zum Angriff entwickelte; gerade vor uns aber
tauchte der Turm der "Friedenskirche" von Fröschweiler auf, das am weitesten
sichtbare Wahrzeichen des Schlachtfeldes, und darüber stiegen die dunkeln Wald¬
berge der Vogesen empor. Von Diefenbach an senkt sich die Straße in weitem
Bogen den flachen Abhang der Hochebne nach dem Thale der Sauer hinab.
Als ich einen Bauern am Wege nach dem Denkmale des Kaisers Friedrich
fragte, da wies er mit der Hand voraus und sagte: "Dort ists, das Pferd mit
dem Kaiser drauf." Ein überraschender Anblick: ein riesiger goldglänzender
Reiter schien durch die Felder zu sprengen, denn von dem hohen Felsgestell,
das ihn trägt, sah man hier noch nichts. Links von der Straße öffnet sich
ein weiter, eingefriedigter halbkreisförmiger Platz, und im Hintergrunde, am
aufsteigenden Hange erhebt sich ein mächtiger Unterbau aus dem roten Sand¬
steinfels der nördlichen Vogesen. Droben hält "unser Fritz," als ob er eben
herangesprengt wäre, mit der Linken das Roß zügelnd, mit der Rechten nach
dem Feinde weisend; unter ihm, an der Vorderseite des Felsens, reichen
sich zwei kraftvolle altgermanische Krieger über feindlichen Waffenstücken die
Hand, denn


---geschmiedet in eins
Sind dort im Feuer wir worden.

Es ist die Stelle, wo am 6. August seit ein Uhr mittags der Kronprinz
hielt, hinter der langen Linie von vierzehn Batterien des V. Korps, die zu beiden
Seiten der Straße aufgefahren waren. Von hier aus übersah er das ganze.


von rveißenburg bis Metz

stark und angesehen. Von dort führt die Straße nach Wörth, die Anmarsch¬
straße des V. Armeekorps, zunächst durch ein flaches Wiesenthal zwischen sanften
Höhen ostwärts, dann über welliges, fruchtbares Land zwischen Weizenfeldern,
Hopfenpflanzungen und Obstgärten durch stattliche Dörfer dahin. Herrliche
alte, breitästige Nußbäume treten erst einzeln, dann in Alleen auf und schützen
die Straße wohlthätig gegen den Sonnenbrand. Ein Geschäftsmann aus Sultz,
der den Wandrer freundlich in seinem flotten Einspänner ein Stück mitnahm,
erzählte, früher seien diese schönen Bäume noch viel häufiger gewesen, jetzt
würden sie vielfach verkauft, um Holz zu Gewehrschüften zu liefern, weil sie
gut bezahlt würden, das Stück zu 30, 100, 120 Mark. Er hatte 1870 in
Sultz mit durchlebt, und der stärkste Eindruck, der ihm davon geblieben war, war
der einer furchtbaren Verwüstung. „Sehen Sie, sagte er, auf die schweren
braunen Ähren der ausgedehnten Weizenfelder weisend, dieselbe schöne Ernte
wie heute stand damals auf den Feldern; das war nachher alles in Grund und
Boden gestampft. ..." Denn wir näherten uns rasch dem Schlachtfelde von
Wörth. Schon wurden unter im Grunde rechts von der Straße die roten
Dächer des langgestreckten Preuschdorf sichtbar, durch das noch am Nachmittage
des 6. August 1370 die zweite bayrische Division herankam, darüber der Berg¬
rücken des Hochwaldes, links, in Bäumen versteckt, auf der Hochebne Diefenbach,
wo sich damals das V. Korps zum Angriff entwickelte; gerade vor uns aber
tauchte der Turm der „Friedenskirche" von Fröschweiler auf, das am weitesten
sichtbare Wahrzeichen des Schlachtfeldes, und darüber stiegen die dunkeln Wald¬
berge der Vogesen empor. Von Diefenbach an senkt sich die Straße in weitem
Bogen den flachen Abhang der Hochebne nach dem Thale der Sauer hinab.
Als ich einen Bauern am Wege nach dem Denkmale des Kaisers Friedrich
fragte, da wies er mit der Hand voraus und sagte: „Dort ists, das Pferd mit
dem Kaiser drauf." Ein überraschender Anblick: ein riesiger goldglänzender
Reiter schien durch die Felder zu sprengen, denn von dem hohen Felsgestell,
das ihn trägt, sah man hier noch nichts. Links von der Straße öffnet sich
ein weiter, eingefriedigter halbkreisförmiger Platz, und im Hintergrunde, am
aufsteigenden Hange erhebt sich ein mächtiger Unterbau aus dem roten Sand¬
steinfels der nördlichen Vogesen. Droben hält „unser Fritz," als ob er eben
herangesprengt wäre, mit der Linken das Roß zügelnd, mit der Rechten nach
dem Feinde weisend; unter ihm, an der Vorderseite des Felsens, reichen
sich zwei kraftvolle altgermanische Krieger über feindlichen Waffenstücken die
Hand, denn


---geschmiedet in eins
Sind dort im Feuer wir worden.

Es ist die Stelle, wo am 6. August seit ein Uhr mittags der Kronprinz
hielt, hinter der langen Linie von vierzehn Batterien des V. Korps, die zu beiden
Seiten der Straße aufgefahren waren. Von hier aus übersah er das ganze.


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[0290] von rveißenburg bis Metz stark und angesehen. Von dort führt die Straße nach Wörth, die Anmarsch¬ straße des V. Armeekorps, zunächst durch ein flaches Wiesenthal zwischen sanften Höhen ostwärts, dann über welliges, fruchtbares Land zwischen Weizenfeldern, Hopfenpflanzungen und Obstgärten durch stattliche Dörfer dahin. Herrliche alte, breitästige Nußbäume treten erst einzeln, dann in Alleen auf und schützen die Straße wohlthätig gegen den Sonnenbrand. Ein Geschäftsmann aus Sultz, der den Wandrer freundlich in seinem flotten Einspänner ein Stück mitnahm, erzählte, früher seien diese schönen Bäume noch viel häufiger gewesen, jetzt würden sie vielfach verkauft, um Holz zu Gewehrschüften zu liefern, weil sie gut bezahlt würden, das Stück zu 30, 100, 120 Mark. Er hatte 1870 in Sultz mit durchlebt, und der stärkste Eindruck, der ihm davon geblieben war, war der einer furchtbaren Verwüstung. „Sehen Sie, sagte er, auf die schweren braunen Ähren der ausgedehnten Weizenfelder weisend, dieselbe schöne Ernte wie heute stand damals auf den Feldern; das war nachher alles in Grund und Boden gestampft. ..." Denn wir näherten uns rasch dem Schlachtfelde von Wörth. Schon wurden unter im Grunde rechts von der Straße die roten Dächer des langgestreckten Preuschdorf sichtbar, durch das noch am Nachmittage des 6. August 1370 die zweite bayrische Division herankam, darüber der Berg¬ rücken des Hochwaldes, links, in Bäumen versteckt, auf der Hochebne Diefenbach, wo sich damals das V. Korps zum Angriff entwickelte; gerade vor uns aber tauchte der Turm der „Friedenskirche" von Fröschweiler auf, das am weitesten sichtbare Wahrzeichen des Schlachtfeldes, und darüber stiegen die dunkeln Wald¬ berge der Vogesen empor. Von Diefenbach an senkt sich die Straße in weitem Bogen den flachen Abhang der Hochebne nach dem Thale der Sauer hinab. Als ich einen Bauern am Wege nach dem Denkmale des Kaisers Friedrich fragte, da wies er mit der Hand voraus und sagte: „Dort ists, das Pferd mit dem Kaiser drauf." Ein überraschender Anblick: ein riesiger goldglänzender Reiter schien durch die Felder zu sprengen, denn von dem hohen Felsgestell, das ihn trägt, sah man hier noch nichts. Links von der Straße öffnet sich ein weiter, eingefriedigter halbkreisförmiger Platz, und im Hintergrunde, am aufsteigenden Hange erhebt sich ein mächtiger Unterbau aus dem roten Sand¬ steinfels der nördlichen Vogesen. Droben hält „unser Fritz," als ob er eben herangesprengt wäre, mit der Linken das Roß zügelnd, mit der Rechten nach dem Feinde weisend; unter ihm, an der Vorderseite des Felsens, reichen sich zwei kraftvolle altgermanische Krieger über feindlichen Waffenstücken die Hand, denn ---geschmiedet in eins Sind dort im Feuer wir worden. Es ist die Stelle, wo am 6. August seit ein Uhr mittags der Kronprinz hielt, hinter der langen Linie von vierzehn Batterien des V. Korps, die zu beiden Seiten der Straße aufgefahren waren. Von hier aus übersah er das ganze.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/290>, abgerufen am 12.12.2024.