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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Makedonien

In dieser Entwicklung hat Salonik natürlich anfangs nur eine unter¬
geordnete Rolle gespielt; es ist nicht zufällig, daß seine Gründung unter dem
jetzigen Namen in die Zeit fällt, wo von Makedonien her dem Handel und
der Kultur zum erstenmale der östliche Zug gegeben wird. Auch ist es ver¬
ständlich, daß es nach der Eroberung Makedoniens durch die Römer an Glanz
und Bedeutung keineswegs verlor. Im Gegenteil, während die Handelsstädte
Altgriechenlands, Athen und Korinth, in Bedeutungslosigkeit zurücksanken,
wurde Salonik jetzt erst recht einflußreich. Im westlichsten, Rom am nächsten
gelegnen Winkel des Ägäischen Meeres vereinigte Salonik nicht nur strahlen¬
förmig die sämtlichen Schiffahrtslinien, sondern von ihm ging auch die am
Wardar, dem antiken Axios, nach Norden hinauflaufende Straße ans, der
anch heute die Bahnlinie von Belgrad her folgt, und ferner die sich am
Ägäischen Meere entlang ziehende Straße zum Bosporus, heute gleichfalls eine
Bahnlinie. Von diesem Sammelpunkte nahmen dann die Waren ihren Weg
zu Lande quer durch die Valkanhalbiusel auf der Via Egnatia, die bei Apollonia
und Durazzo, dem antiken Dyrrhachium, das Adriatisch-Jonische Meer erreichte;
von dort gelangten die Waren zu Wasser auf der schmalsten Stelle nach
Egnatia, heute Torre d'Agnazzo, nicht weit von Brindisi, und von dort auf
die über Benevent nach Rom führende Via Appia.

Daß Salonik, das anfänglich von den Römern für frei, später zur Haupt¬
stadt von Makedonien, dann von ganz Griechenland und Jllyrieum erklärt
worden war und unter ihnen sich zu einem der Haupthandelsplätze der gguzcn;
Welt erhob, von der Teilung des römischen Reichs in eine West- und Ohr-^
Hälfte besonders schwer getroffen werden mußte, liegt auf der Hand, denn die^
Stadt war ja eben die Hauptvermittlerin zwischen Ost und West gewesen..
Doch behauptete sie auch unter byzantinischer Herrschaft noch längere Zeit ihre
Stellung zum mindesten neben Vyzanz als Vermittlerin des Handels zwischen
drei Weltteilen, und seine Bevölkerung betrug noch lange über eine Viertel¬
million. Auch wurde die schon früher stark befestigte Stadt noch Widerstands--
fähiger gemacht. Sie wurde zwar von Hunnen, Slawen und Normannen be¬
stürmt, aber genommen und geplündert wurde sie erst von den Sarazenen im.
Jahre 904. Noch schlimmer hausten in ihr die aus Süditalien angerücktes
Normannen unter Tankred, der am Ende des elften Jahrhunderts die Stadt
in seine Hemd brachte. Nach der Eroberung von Konstantinopel, 1204, erhielt
die Stadt sogar einen eignen Kaiser in Naniero, Marquese von Monserat,
dem sie schon 1179 von seinem Schwiegervater, dem Komnenen Manuel, über¬
tragen worden war. Salonik kam jedoch im vierzehnten Jahrhundert wieder
an die Palüvlogen, die oströmischen Kaiser in Byzanz, die sie aber in ihrer
Geldnot an die Venetianer verkauften. Diese bauten zwar auf den römisch-
byzantinischen Grundmauern die Citadelle, nördlich über der Stadt, den
Siebenturm, Jedikule, neu aus, sollen aber im übrigen so unbarmherzig ge-


Makedonien

In dieser Entwicklung hat Salonik natürlich anfangs nur eine unter¬
geordnete Rolle gespielt; es ist nicht zufällig, daß seine Gründung unter dem
jetzigen Namen in die Zeit fällt, wo von Makedonien her dem Handel und
der Kultur zum erstenmale der östliche Zug gegeben wird. Auch ist es ver¬
ständlich, daß es nach der Eroberung Makedoniens durch die Römer an Glanz
und Bedeutung keineswegs verlor. Im Gegenteil, während die Handelsstädte
Altgriechenlands, Athen und Korinth, in Bedeutungslosigkeit zurücksanken,
wurde Salonik jetzt erst recht einflußreich. Im westlichsten, Rom am nächsten
gelegnen Winkel des Ägäischen Meeres vereinigte Salonik nicht nur strahlen¬
förmig die sämtlichen Schiffahrtslinien, sondern von ihm ging auch die am
Wardar, dem antiken Axios, nach Norden hinauflaufende Straße ans, der
anch heute die Bahnlinie von Belgrad her folgt, und ferner die sich am
Ägäischen Meere entlang ziehende Straße zum Bosporus, heute gleichfalls eine
Bahnlinie. Von diesem Sammelpunkte nahmen dann die Waren ihren Weg
zu Lande quer durch die Valkanhalbiusel auf der Via Egnatia, die bei Apollonia
und Durazzo, dem antiken Dyrrhachium, das Adriatisch-Jonische Meer erreichte;
von dort gelangten die Waren zu Wasser auf der schmalsten Stelle nach
Egnatia, heute Torre d'Agnazzo, nicht weit von Brindisi, und von dort auf
die über Benevent nach Rom führende Via Appia.

Daß Salonik, das anfänglich von den Römern für frei, später zur Haupt¬
stadt von Makedonien, dann von ganz Griechenland und Jllyrieum erklärt
worden war und unter ihnen sich zu einem der Haupthandelsplätze der gguzcn;
Welt erhob, von der Teilung des römischen Reichs in eine West- und Ohr-^
Hälfte besonders schwer getroffen werden mußte, liegt auf der Hand, denn die^
Stadt war ja eben die Hauptvermittlerin zwischen Ost und West gewesen..
Doch behauptete sie auch unter byzantinischer Herrschaft noch längere Zeit ihre
Stellung zum mindesten neben Vyzanz als Vermittlerin des Handels zwischen
drei Weltteilen, und seine Bevölkerung betrug noch lange über eine Viertel¬
million. Auch wurde die schon früher stark befestigte Stadt noch Widerstands--
fähiger gemacht. Sie wurde zwar von Hunnen, Slawen und Normannen be¬
stürmt, aber genommen und geplündert wurde sie erst von den Sarazenen im.
Jahre 904. Noch schlimmer hausten in ihr die aus Süditalien angerücktes
Normannen unter Tankred, der am Ende des elften Jahrhunderts die Stadt
in seine Hemd brachte. Nach der Eroberung von Konstantinopel, 1204, erhielt
die Stadt sogar einen eignen Kaiser in Naniero, Marquese von Monserat,
dem sie schon 1179 von seinem Schwiegervater, dem Komnenen Manuel, über¬
tragen worden war. Salonik kam jedoch im vierzehnten Jahrhundert wieder
an die Palüvlogen, die oströmischen Kaiser in Byzanz, die sie aber in ihrer
Geldnot an die Venetianer verkauften. Diese bauten zwar auf den römisch-
byzantinischen Grundmauern die Citadelle, nördlich über der Stadt, den
Siebenturm, Jedikule, neu aus, sollen aber im übrigen so unbarmherzig ge-


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[0117] Makedonien In dieser Entwicklung hat Salonik natürlich anfangs nur eine unter¬ geordnete Rolle gespielt; es ist nicht zufällig, daß seine Gründung unter dem jetzigen Namen in die Zeit fällt, wo von Makedonien her dem Handel und der Kultur zum erstenmale der östliche Zug gegeben wird. Auch ist es ver¬ ständlich, daß es nach der Eroberung Makedoniens durch die Römer an Glanz und Bedeutung keineswegs verlor. Im Gegenteil, während die Handelsstädte Altgriechenlands, Athen und Korinth, in Bedeutungslosigkeit zurücksanken, wurde Salonik jetzt erst recht einflußreich. Im westlichsten, Rom am nächsten gelegnen Winkel des Ägäischen Meeres vereinigte Salonik nicht nur strahlen¬ förmig die sämtlichen Schiffahrtslinien, sondern von ihm ging auch die am Wardar, dem antiken Axios, nach Norden hinauflaufende Straße ans, der anch heute die Bahnlinie von Belgrad her folgt, und ferner die sich am Ägäischen Meere entlang ziehende Straße zum Bosporus, heute gleichfalls eine Bahnlinie. Von diesem Sammelpunkte nahmen dann die Waren ihren Weg zu Lande quer durch die Valkanhalbiusel auf der Via Egnatia, die bei Apollonia und Durazzo, dem antiken Dyrrhachium, das Adriatisch-Jonische Meer erreichte; von dort gelangten die Waren zu Wasser auf der schmalsten Stelle nach Egnatia, heute Torre d'Agnazzo, nicht weit von Brindisi, und von dort auf die über Benevent nach Rom führende Via Appia. Daß Salonik, das anfänglich von den Römern für frei, später zur Haupt¬ stadt von Makedonien, dann von ganz Griechenland und Jllyrieum erklärt worden war und unter ihnen sich zu einem der Haupthandelsplätze der gguzcn; Welt erhob, von der Teilung des römischen Reichs in eine West- und Ohr-^ Hälfte besonders schwer getroffen werden mußte, liegt auf der Hand, denn die^ Stadt war ja eben die Hauptvermittlerin zwischen Ost und West gewesen.. Doch behauptete sie auch unter byzantinischer Herrschaft noch längere Zeit ihre Stellung zum mindesten neben Vyzanz als Vermittlerin des Handels zwischen drei Weltteilen, und seine Bevölkerung betrug noch lange über eine Viertel¬ million. Auch wurde die schon früher stark befestigte Stadt noch Widerstands-- fähiger gemacht. Sie wurde zwar von Hunnen, Slawen und Normannen be¬ stürmt, aber genommen und geplündert wurde sie erst von den Sarazenen im. Jahre 904. Noch schlimmer hausten in ihr die aus Süditalien angerücktes Normannen unter Tankred, der am Ende des elften Jahrhunderts die Stadt in seine Hemd brachte. Nach der Eroberung von Konstantinopel, 1204, erhielt die Stadt sogar einen eignen Kaiser in Naniero, Marquese von Monserat, dem sie schon 1179 von seinem Schwiegervater, dem Komnenen Manuel, über¬ tragen worden war. Salonik kam jedoch im vierzehnten Jahrhundert wieder an die Palüvlogen, die oströmischen Kaiser in Byzanz, die sie aber in ihrer Geldnot an die Venetianer verkauften. Diese bauten zwar auf den römisch- byzantinischen Grundmauern die Citadelle, nördlich über der Stadt, den Siebenturm, Jedikule, neu aus, sollen aber im übrigen so unbarmherzig ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/117>, abgerufen am 28.07.2024.