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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Denkmäler in der Hiegesallee zu Berlin

in 22. März sind die drei ersten der zweiunddreißig Denkmäler
brandenburgisch-preußischer Herrscher, mit denen der Kaiser, wie
er in einem Erlaß vom 27. Januar 1895 erklärt hat, der Stadt
Berlin ein Geschenk macheu will, am Nordende der westlichen Seite
der Siegesallee enthüllt wurden. Wie alle Regierungshandlungen,
Reden und Entschlüsse des Kaisers, der am 15. Juni auf das erste Jahrzehnt
seiner Regierung zurückblicke" kann, also eigentlich nicht mehr mit dem Bei¬
namen "der junge" geschmückt zu werden braucht, hat auch dieser Entschluß
des Monarchen, seiner Haupt- und Residenzstadt aus eignen Mitteln ein wahr¬
haft kaiserliches Geschenk zu machen, hie und da eine abfällige Kritik erfahren
und auch sonst nicht die freudige Aufnahme gefunden, die sich der kaiserliche
Mäcen vielleicht versprochen hatte. Was die Menschen doch wunderlich sind,
und wie schwer insbesondre der normale deutsche Staatsbürger, zumal wenn
er in Berlin wohnt, zu befriedigen ist! Jahrzehntelang ist über die spartanische
Sparsamkeit des preußischen Staats mit scharfem Hinweis auf den alles ver¬
schlingenden Militürmoloch geschimpft worden, und wenn endlich einmal etwas
Verheißungsvolles aus weitern und engern Konkurrenzen herauszuwachsen
schien, und dann das Vollendete alle Hoffnungen enttäuschte, daun wurde
wieder auf das Konkurrenzunweseu, auf die Einmischung der Bureaukratie, auf
das Bevvrmunduugssystem des Staats weidlich gescholten. Allen diesen Be¬
schwerden hat Kaiser Wilhelm II. durch die Schnelligkeit seiner Entschlüsse ab¬
zuhelfen gesucht; aber auch damit soll er wieder nicht das Richtige getroffen
haben. Wenn wir ihn recht verstehen, ist er ein Feind des Konkurrenzwesens,
das die Ausführung eines Kunstwerks nach seiner Meinung nur verschleppt.
Eine energische, impulsive Natur, will er auch von andern nicht Verheißungen,
sondern Thaten sehen. Man kann ihn Zerstörer, Erbauer und Erhalter zu¬
gleich nennen. Was er zerstört, ist der Erhaltung nicht wert. Aber derselbe
Philister, der früher über die Sparsamkeit der preußischen Regierung in Kunst¬
sachen Wehe geschrieen hat, ereifert sich jetzt über die Durchführung eines
wohlerwognen künstlerischen Plans. Früher ging es nicht rasch genug, und
jetzt, wo vieles zugleich unternommen wird, klagt man über Planlosigkeit und
Überhastuug.


Grenzboten II 1898 12


Die Denkmäler in der Hiegesallee zu Berlin

in 22. März sind die drei ersten der zweiunddreißig Denkmäler
brandenburgisch-preußischer Herrscher, mit denen der Kaiser, wie
er in einem Erlaß vom 27. Januar 1895 erklärt hat, der Stadt
Berlin ein Geschenk macheu will, am Nordende der westlichen Seite
der Siegesallee enthüllt wurden. Wie alle Regierungshandlungen,
Reden und Entschlüsse des Kaisers, der am 15. Juni auf das erste Jahrzehnt
seiner Regierung zurückblicke« kann, also eigentlich nicht mehr mit dem Bei¬
namen „der junge" geschmückt zu werden braucht, hat auch dieser Entschluß
des Monarchen, seiner Haupt- und Residenzstadt aus eignen Mitteln ein wahr¬
haft kaiserliches Geschenk zu machen, hie und da eine abfällige Kritik erfahren
und auch sonst nicht die freudige Aufnahme gefunden, die sich der kaiserliche
Mäcen vielleicht versprochen hatte. Was die Menschen doch wunderlich sind,
und wie schwer insbesondre der normale deutsche Staatsbürger, zumal wenn
er in Berlin wohnt, zu befriedigen ist! Jahrzehntelang ist über die spartanische
Sparsamkeit des preußischen Staats mit scharfem Hinweis auf den alles ver¬
schlingenden Militürmoloch geschimpft worden, und wenn endlich einmal etwas
Verheißungsvolles aus weitern und engern Konkurrenzen herauszuwachsen
schien, und dann das Vollendete alle Hoffnungen enttäuschte, daun wurde
wieder auf das Konkurrenzunweseu, auf die Einmischung der Bureaukratie, auf
das Bevvrmunduugssystem des Staats weidlich gescholten. Allen diesen Be¬
schwerden hat Kaiser Wilhelm II. durch die Schnelligkeit seiner Entschlüsse ab¬
zuhelfen gesucht; aber auch damit soll er wieder nicht das Richtige getroffen
haben. Wenn wir ihn recht verstehen, ist er ein Feind des Konkurrenzwesens,
das die Ausführung eines Kunstwerks nach seiner Meinung nur verschleppt.
Eine energische, impulsive Natur, will er auch von andern nicht Verheißungen,
sondern Thaten sehen. Man kann ihn Zerstörer, Erbauer und Erhalter zu¬
gleich nennen. Was er zerstört, ist der Erhaltung nicht wert. Aber derselbe
Philister, der früher über die Sparsamkeit der preußischen Regierung in Kunst¬
sachen Wehe geschrieen hat, ereifert sich jetzt über die Durchführung eines
wohlerwognen künstlerischen Plans. Früher ging es nicht rasch genug, und
jetzt, wo vieles zugleich unternommen wird, klagt man über Planlosigkeit und
Überhastuug.


Grenzboten II 1898 12
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[0097] [Abbildung] Die Denkmäler in der Hiegesallee zu Berlin in 22. März sind die drei ersten der zweiunddreißig Denkmäler brandenburgisch-preußischer Herrscher, mit denen der Kaiser, wie er in einem Erlaß vom 27. Januar 1895 erklärt hat, der Stadt Berlin ein Geschenk macheu will, am Nordende der westlichen Seite der Siegesallee enthüllt wurden. Wie alle Regierungshandlungen, Reden und Entschlüsse des Kaisers, der am 15. Juni auf das erste Jahrzehnt seiner Regierung zurückblicke« kann, also eigentlich nicht mehr mit dem Bei¬ namen „der junge" geschmückt zu werden braucht, hat auch dieser Entschluß des Monarchen, seiner Haupt- und Residenzstadt aus eignen Mitteln ein wahr¬ haft kaiserliches Geschenk zu machen, hie und da eine abfällige Kritik erfahren und auch sonst nicht die freudige Aufnahme gefunden, die sich der kaiserliche Mäcen vielleicht versprochen hatte. Was die Menschen doch wunderlich sind, und wie schwer insbesondre der normale deutsche Staatsbürger, zumal wenn er in Berlin wohnt, zu befriedigen ist! Jahrzehntelang ist über die spartanische Sparsamkeit des preußischen Staats mit scharfem Hinweis auf den alles ver¬ schlingenden Militürmoloch geschimpft worden, und wenn endlich einmal etwas Verheißungsvolles aus weitern und engern Konkurrenzen herauszuwachsen schien, und dann das Vollendete alle Hoffnungen enttäuschte, daun wurde wieder auf das Konkurrenzunweseu, auf die Einmischung der Bureaukratie, auf das Bevvrmunduugssystem des Staats weidlich gescholten. Allen diesen Be¬ schwerden hat Kaiser Wilhelm II. durch die Schnelligkeit seiner Entschlüsse ab¬ zuhelfen gesucht; aber auch damit soll er wieder nicht das Richtige getroffen haben. Wenn wir ihn recht verstehen, ist er ein Feind des Konkurrenzwesens, das die Ausführung eines Kunstwerks nach seiner Meinung nur verschleppt. Eine energische, impulsive Natur, will er auch von andern nicht Verheißungen, sondern Thaten sehen. Man kann ihn Zerstörer, Erbauer und Erhalter zu¬ gleich nennen. Was er zerstört, ist der Erhaltung nicht wert. Aber derselbe Philister, der früher über die Sparsamkeit der preußischen Regierung in Kunst¬ sachen Wehe geschrieen hat, ereifert sich jetzt über die Durchführung eines wohlerwognen künstlerischen Plans. Früher ging es nicht rasch genug, und jetzt, wo vieles zugleich unternommen wird, klagt man über Planlosigkeit und Überhastuug. Grenzboten II 1898 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/97>, abgerufen am 27.12.2024.