Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Die bildenden Aiinste und die natürlichen Bodenverhältnisse langer Zeit in Verwunderung gesetzt durch die klcingestalteten, sehr realistisch Es wird ja auch niemand glauben, daß nur der Zufall die besten Es giebt nun allerdings Materialien für den Plastiker, die sozusagen in Grenzboten II 1898 11
Die bildenden Aiinste und die natürlichen Bodenverhältnisse langer Zeit in Verwunderung gesetzt durch die klcingestalteten, sehr realistisch Es wird ja auch niemand glauben, daß nur der Zufall die besten Es giebt nun allerdings Materialien für den Plastiker, die sozusagen in Grenzboten II 1898 11
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Die bildenden Aiinste und die natürlichen Bodenverhältnisse
langer Zeit in Verwunderung gesetzt durch die klcingestalteten, sehr realistisch
und lebendig erfaßten Figürchen aus Holz und Kalkstein, denen die spätere in
ihren Dimensionen so gewaltige Steinplastik nichts entsprechendes an die Seite
stellen kann. Woran lag es, daß das also doch vorhandne künstlerische Ver¬
mögen sich nicht in der höhern Plastik sein Recht verschaffen konnte? Vor¬
nehmlich am Materiale. Die am hüufigsteu vorkommenden Steinsorten wie
Syenit, Diorit, Vasall, Porphyr und besonders der Granit stellten der gro߬
geformten Plastik außergewöhnliche Hindernisse in den Weg.
Es wird ja auch niemand glauben, daß nur der Zufall die besten
Bildhauer von den Römerzeiten an bis zu Michelangelo hinab aus dem den
marmorreichen Gebieten so nahen Toskana, dem alten Etrurien hervorgehen
ließ; daß es ein Spiel blinder Mächte sei, wenn wir im Becken der Scheide,
in Tournai, wo eine feingefügte Marmorsorte gebrochen wird, die Skulptur
eine so hohe Blüte erreichen sehen; wenn gerade in Wechselburg, in Naum-
burg, Bamberg, Straßburg, Arles, Chartres usw. die glänzendsten Schulen
der Bildhauerkunst entstanden! Wo immer man den Finger hinlegt, da war
es der im Boden gefundne, gewachsene Stein, der dein künstlerischen Streben
die Möglichkeit zur plastischen Kunst gab. In wie hohem Maße der nach
unsrer Auffassung autodidaktisch schaffende Plastiker wie mit unlösbsreu
Ketten an das Material seines Gebiets gebunden ist, beweisen auch die Worte, die
der berühmte französische Kunsthistoriker Viollet-le-Duc über die burgundische
Skulptur schrieb: I-a, na-durs rv8istg,mes et<zö oalLS-irss as eetts provinos
Mtorisö ass Karcliössös <zu'ein us xonv-ut, 86 pörnrettis cians l'Isis ä<z Kranes,
1a (ülnurrpÄMS <ze la. UornisiMs vo. los inatöriliux sont, ALirÄ'alöiQönt, ä'uns
imwrv moins tsrnrs. Die Gegenden am Comersee, um ein weiteres Beispiel
zu geben, liefern einen vortrefflichen Stein zu Steinmetzarbeiteu. Und wer
hätte noch nicht von den Comasker Steinmetzen gehört, die seit vielen Jahr¬
hunderten als gesuchte Steiucirbeiter aus ihren Dörfern in die weite Welt
zogen und ziehen?
Es giebt nun allerdings Materialien für den Plastiker, die sozusagen in
aller Welt heimisch sind: Thon, Holz, Erz. Man könnte sich ernstlich versucht
fühlen, dem Thon einen ganz besondern Wert einzuräumen, insofern, als er der
Stoff ist, in dem der Bildhauer seit langem zuerst arbeiten lernt. Er ist auch
thatsächlich sür weite Gebiete bestimmend geworden. Dennoch wird man dem
Thone nicht eine Kraft zutrauen dürfen, die in demselben Maße den schlum¬
mernden künstlerischen Genius zum Leben ruft, wie ein bildungsfähiger ge¬
wachsener Stein. Soll das in Thon geformte Werk Bestand erhalten — und
das muß es, denn Kinder des Augenblicks wirken nicht erziehend —, so muß
es gebrannt werden. Ein Volk aber, das in Thon gebildete Kunstwerke zu
brennen imstande ist, muß die Kinderschuhe als Künstler schon ausgetreten
haben. Wir haben also eine Kulturstufe erreicht, die uns von den Bedingungen
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