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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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der Referendar von vornherein vielfach mit Leuten der verschiednen Stände
und Berufe in unmittelbare Berührung kommt und so Gelegenheit findet, sich
über vielerlei Verhältnisse zu belehren, die ihm bisher unbekannt gewesen sind.

Würde der junge Maun in dieser Weise seine Vorbereitungszeit allein bei
Landräten in verschiednen Teilen des Landes zubringen, so würde er ohne
Zweisel besser praktisch vorgebildet sein, als es jetzt der Fall ist. Wir haben
jedoch noch andre Beamte, die dem Leben näher stehen als die Laud-
rüte, das sind in der Rheinprovinz die Landbürgermeister und in Westfalen
die Amtmänner, und es könnte dem künftigen Regierungsrate usw. nur von
Nutzen sein, wenn er auch an diesen Stellen beschäftigt würde. Vielleicht
können in dieser Beziehung auch geeignete Amtsvorsteher der östlichen Provinzen
in Frage kommen.

Es ist kürzlich mitgeteilt worden, daß Referendaren Urlaub erteilt werden
würde, um sich auf einer Domäne mit dem landwirtschaftlichen Betriebe
bekannt zu machen; dabei ist angenommen worden, daß der Aufenthalt dort
etwa neun Monate dauern müsse, um die Zeiten der Saat, der Ernte und
der Bestellung zu umfassen. Ebenso ist die Rede davon gewesen, die Referen¬
dare in eine Fabrik, in ein Bankgeschäft usw. zu schicken, damit sie dort ge¬
werbliche und andre Betriebe kennen lernen. Wir glauben, daß dies zu weit
geht und doch den Zweck verfehlt. Alle Referendare in solcher Weise umher
zu schicken, geht gewiß nicht an. Unter ganz besondern Umständen, bei be¬
sondrer Neigung und Befähigung mag mit Einzelnen so Verfahren werden,
aber wo in dieser Beziehung eine wirklich gründliche Fachkenntnis notwendig
erscheint, da muß es doch viel näher liegen, einmal von den Juristen abzu¬
sehen und tüchtige Fachleute in die betreffenden Stellen zu berufen. Wir
haben doch jetzt schon Forstmänner als Forsträte, Schulmänner als Schulräte,
Vautechniker als Banräte und daneben Gewerberäte -- sür die übrigen Ver¬
waltungsbeamten, die mit den Fachleuten zu arbeiten haben, wird es genügen,
wenn sie nur einen allgemeinen Überblick und das erforderliche Verständnis
haben. Sonst möchten wir nur noch eine neue Spezies von landwirtschaft¬
lichen Triddelfitzen und ähnlichen Naturen heranziehen, bei denen man doch
keineswegs sicher wäre, daß sie noch einmal etwas nützliches leisten würden.
Nur zu oft würde das nur Dilettantenarbeit bleiben und damit der Verwaltung
vielleicht mehr geschadet als genützt werden.

Recht oft wird bei der Verteilung der Dezernate nicht beachtet, ob der
Beamte für das betreffende Dezernat, für das mehr als die allgemeinen Kennt¬
nisse des Verwaltungsbeamten erforderlich sind, nach seiner ganzen Veran¬
lagung und Ausbildung paßt-. Wird aber z. B. das landwirtschaftliche Dezernat
einem Regierungsrate gegeben, der, in der Stadt geboren und aufgewachsen,
ohne Kenntnis der landwirtschaftlichen Verhältnisse ist, oder ein Dezernat in
Baupolizei-, Wege-, Eisenbahn- und dergleichen Angelegenheiten einem Regie-


der Referendar von vornherein vielfach mit Leuten der verschiednen Stände
und Berufe in unmittelbare Berührung kommt und so Gelegenheit findet, sich
über vielerlei Verhältnisse zu belehren, die ihm bisher unbekannt gewesen sind.

Würde der junge Maun in dieser Weise seine Vorbereitungszeit allein bei
Landräten in verschiednen Teilen des Landes zubringen, so würde er ohne
Zweisel besser praktisch vorgebildet sein, als es jetzt der Fall ist. Wir haben
jedoch noch andre Beamte, die dem Leben näher stehen als die Laud-
rüte, das sind in der Rheinprovinz die Landbürgermeister und in Westfalen
die Amtmänner, und es könnte dem künftigen Regierungsrate usw. nur von
Nutzen sein, wenn er auch an diesen Stellen beschäftigt würde. Vielleicht
können in dieser Beziehung auch geeignete Amtsvorsteher der östlichen Provinzen
in Frage kommen.

Es ist kürzlich mitgeteilt worden, daß Referendaren Urlaub erteilt werden
würde, um sich auf einer Domäne mit dem landwirtschaftlichen Betriebe
bekannt zu machen; dabei ist angenommen worden, daß der Aufenthalt dort
etwa neun Monate dauern müsse, um die Zeiten der Saat, der Ernte und
der Bestellung zu umfassen. Ebenso ist die Rede davon gewesen, die Referen¬
dare in eine Fabrik, in ein Bankgeschäft usw. zu schicken, damit sie dort ge¬
werbliche und andre Betriebe kennen lernen. Wir glauben, daß dies zu weit
geht und doch den Zweck verfehlt. Alle Referendare in solcher Weise umher
zu schicken, geht gewiß nicht an. Unter ganz besondern Umständen, bei be¬
sondrer Neigung und Befähigung mag mit Einzelnen so Verfahren werden,
aber wo in dieser Beziehung eine wirklich gründliche Fachkenntnis notwendig
erscheint, da muß es doch viel näher liegen, einmal von den Juristen abzu¬
sehen und tüchtige Fachleute in die betreffenden Stellen zu berufen. Wir
haben doch jetzt schon Forstmänner als Forsträte, Schulmänner als Schulräte,
Vautechniker als Banräte und daneben Gewerberäte — sür die übrigen Ver¬
waltungsbeamten, die mit den Fachleuten zu arbeiten haben, wird es genügen,
wenn sie nur einen allgemeinen Überblick und das erforderliche Verständnis
haben. Sonst möchten wir nur noch eine neue Spezies von landwirtschaft¬
lichen Triddelfitzen und ähnlichen Naturen heranziehen, bei denen man doch
keineswegs sicher wäre, daß sie noch einmal etwas nützliches leisten würden.
Nur zu oft würde das nur Dilettantenarbeit bleiben und damit der Verwaltung
vielleicht mehr geschadet als genützt werden.

Recht oft wird bei der Verteilung der Dezernate nicht beachtet, ob der
Beamte für das betreffende Dezernat, für das mehr als die allgemeinen Kennt¬
nisse des Verwaltungsbeamten erforderlich sind, nach seiner ganzen Veran¬
lagung und Ausbildung paßt-. Wird aber z. B. das landwirtschaftliche Dezernat
einem Regierungsrate gegeben, der, in der Stadt geboren und aufgewachsen,
ohne Kenntnis der landwirtschaftlichen Verhältnisse ist, oder ein Dezernat in
Baupolizei-, Wege-, Eisenbahn- und dergleichen Angelegenheiten einem Regie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/627>, abgerufen am 23.07.2024.