Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich der Große und England

tragen und die Vorlage vorzubereiten. Er darf deshalb von der Erneuerung
der Flotte sagen, was vor nunmehr fast vierzig Jahren Wilhelm I. von der
* Heeresreorgcmisation sagte: "Sie ist mein eigenstes Werk."




Friedrich der Große und England
nach dem siebenjährigen Rriege
Kurt Treusch von Buttlar von

s ist bekannt, daß zwischen Friedrich dem Große" und seinem
Oheim Georg II. von England die persönlichen Beziehungen
niemals innig gewesen sind. Die englisch-preußische Allianz
während des siebenjährigen Krieges entsprang keinem Herzens¬
bedürfnis der beiden Monarchen, und ein irgendwie nahes per¬
sönliches Einverständnis hat sie nicht hervorgerufen. Friedrich schloß das
Bündnis nur aus politischer Berechnung; aber diese Berechnung, die ihn zur
Konvention von Westminster führte, war falsch. Auch war die Unterstützung
der Engländer während des Kriegs nie besonders lebhaft; die Sendung einer
Flotte in die Ostsee z. B. erfolgte trotz alles Drängens des Königs nicht. Aber
seine eignen Versprechungen hielt der König treulich. Das englische Volk
sah in dem Bündnis mit Preußen nie mehr als ein bloßes Geschäft; für den
nachträglich ausgesprochnen Gedanken von den gemeinsamen protestantischen
Interessen oder für die Blutsverwandtschaft der beiden Völker hatte der
nüchterne Engländer keinen Sinn. Sobald das Bündnis mehr zu kosten schien,
als es nützte, waren die Engländer keinen Augenblick darüber im unklaren,
daß sie sich baldmöglichst des unbequemen Bundesgenossen entledigen müßten.
Nur die gewaltige hinreißende Persönlichkeit William Pitts verschaffte dem
Preußenkönig und dem Bündnis mit ihm eine gewisse Popularität, und auch
Pitt mußte heiß kämpfen, um das Parlament bei dem Bündnis, das ein
wesentliches Stück seiner gesamten Politik bildete, festzuhalten. Mit dem
Sturze Pitts siel die preußische Allianz, das heißt, der That nach, der Form
nach bestand sie weiter. Wie sie aber eingehalten wurde, das bleibt für alle
Zeit eines der schmählichsten Kapitel der englischen Geschichte, die an derlei
Skrupellosikeiten gerade nicht arm ist.

Man hat neuerdings das Verhalten des Nachfolgers Pitts, des Carl of
Bude, in ein günstigeres Licht zu rücken versucht; man hat es aus den innern eng-


Friedrich der Große und England

tragen und die Vorlage vorzubereiten. Er darf deshalb von der Erneuerung
der Flotte sagen, was vor nunmehr fast vierzig Jahren Wilhelm I. von der
* Heeresreorgcmisation sagte: „Sie ist mein eigenstes Werk."




Friedrich der Große und England
nach dem siebenjährigen Rriege
Kurt Treusch von Buttlar von

s ist bekannt, daß zwischen Friedrich dem Große» und seinem
Oheim Georg II. von England die persönlichen Beziehungen
niemals innig gewesen sind. Die englisch-preußische Allianz
während des siebenjährigen Krieges entsprang keinem Herzens¬
bedürfnis der beiden Monarchen, und ein irgendwie nahes per¬
sönliches Einverständnis hat sie nicht hervorgerufen. Friedrich schloß das
Bündnis nur aus politischer Berechnung; aber diese Berechnung, die ihn zur
Konvention von Westminster führte, war falsch. Auch war die Unterstützung
der Engländer während des Kriegs nie besonders lebhaft; die Sendung einer
Flotte in die Ostsee z. B. erfolgte trotz alles Drängens des Königs nicht. Aber
seine eignen Versprechungen hielt der König treulich. Das englische Volk
sah in dem Bündnis mit Preußen nie mehr als ein bloßes Geschäft; für den
nachträglich ausgesprochnen Gedanken von den gemeinsamen protestantischen
Interessen oder für die Blutsverwandtschaft der beiden Völker hatte der
nüchterne Engländer keinen Sinn. Sobald das Bündnis mehr zu kosten schien,
als es nützte, waren die Engländer keinen Augenblick darüber im unklaren,
daß sie sich baldmöglichst des unbequemen Bundesgenossen entledigen müßten.
Nur die gewaltige hinreißende Persönlichkeit William Pitts verschaffte dem
Preußenkönig und dem Bündnis mit ihm eine gewisse Popularität, und auch
Pitt mußte heiß kämpfen, um das Parlament bei dem Bündnis, das ein
wesentliches Stück seiner gesamten Politik bildete, festzuhalten. Mit dem
Sturze Pitts siel die preußische Allianz, das heißt, der That nach, der Form
nach bestand sie weiter. Wie sie aber eingehalten wurde, das bleibt für alle
Zeit eines der schmählichsten Kapitel der englischen Geschichte, die an derlei
Skrupellosikeiten gerade nicht arm ist.

Man hat neuerdings das Verhalten des Nachfolgers Pitts, des Carl of
Bude, in ein günstigeres Licht zu rücken versucht; man hat es aus den innern eng-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227696"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrich der Große und England</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_139" prev="#ID_138"> tragen und die Vorlage vorzubereiten. Er darf deshalb von der Erneuerung<lb/>
der Flotte sagen, was vor nunmehr fast vierzig Jahren Wilhelm I. von der<lb/><note type="byline"> *</note> Heeresreorgcmisation sagte: &#x201E;Sie ist mein eigenstes Werk." </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Friedrich der Große und England<lb/>
nach dem siebenjährigen Rriege<lb/><note type="byline"> Kurt Treusch von Buttlar</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_140"> s ist bekannt, daß zwischen Friedrich dem Große» und seinem<lb/>
Oheim Georg II. von England die persönlichen Beziehungen<lb/>
niemals innig gewesen sind. Die englisch-preußische Allianz<lb/>
während des siebenjährigen Krieges entsprang keinem Herzens¬<lb/>
bedürfnis der beiden Monarchen, und ein irgendwie nahes per¬<lb/>
sönliches Einverständnis hat sie nicht hervorgerufen. Friedrich schloß das<lb/>
Bündnis nur aus politischer Berechnung; aber diese Berechnung, die ihn zur<lb/>
Konvention von Westminster führte, war falsch. Auch war die Unterstützung<lb/>
der Engländer während des Kriegs nie besonders lebhaft; die Sendung einer<lb/>
Flotte in die Ostsee z. B. erfolgte trotz alles Drängens des Königs nicht. Aber<lb/>
seine eignen Versprechungen hielt der König treulich. Das englische Volk<lb/>
sah in dem Bündnis mit Preußen nie mehr als ein bloßes Geschäft; für den<lb/>
nachträglich ausgesprochnen Gedanken von den gemeinsamen protestantischen<lb/>
Interessen oder für die Blutsverwandtschaft der beiden Völker hatte der<lb/>
nüchterne Engländer keinen Sinn. Sobald das Bündnis mehr zu kosten schien,<lb/>
als es nützte, waren die Engländer keinen Augenblick darüber im unklaren,<lb/>
daß sie sich baldmöglichst des unbequemen Bundesgenossen entledigen müßten.<lb/>
Nur die gewaltige hinreißende Persönlichkeit William Pitts verschaffte dem<lb/>
Preußenkönig und dem Bündnis mit ihm eine gewisse Popularität, und auch<lb/>
Pitt mußte heiß kämpfen, um das Parlament bei dem Bündnis, das ein<lb/>
wesentliches Stück seiner gesamten Politik bildete, festzuhalten. Mit dem<lb/>
Sturze Pitts siel die preußische Allianz, das heißt, der That nach, der Form<lb/>
nach bestand sie weiter. Wie sie aber eingehalten wurde, das bleibt für alle<lb/>
Zeit eines der schmählichsten Kapitel der englischen Geschichte, die an derlei<lb/>
Skrupellosikeiten gerade nicht arm ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_141" next="#ID_142"> Man hat neuerdings das Verhalten des Nachfolgers Pitts, des Carl of<lb/>
Bude, in ein günstigeres Licht zu rücken versucht; man hat es aus den innern eng-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] Friedrich der Große und England tragen und die Vorlage vorzubereiten. Er darf deshalb von der Erneuerung der Flotte sagen, was vor nunmehr fast vierzig Jahren Wilhelm I. von der * Heeresreorgcmisation sagte: „Sie ist mein eigenstes Werk." Friedrich der Große und England nach dem siebenjährigen Rriege Kurt Treusch von Buttlar von s ist bekannt, daß zwischen Friedrich dem Große» und seinem Oheim Georg II. von England die persönlichen Beziehungen niemals innig gewesen sind. Die englisch-preußische Allianz während des siebenjährigen Krieges entsprang keinem Herzens¬ bedürfnis der beiden Monarchen, und ein irgendwie nahes per¬ sönliches Einverständnis hat sie nicht hervorgerufen. Friedrich schloß das Bündnis nur aus politischer Berechnung; aber diese Berechnung, die ihn zur Konvention von Westminster führte, war falsch. Auch war die Unterstützung der Engländer während des Kriegs nie besonders lebhaft; die Sendung einer Flotte in die Ostsee z. B. erfolgte trotz alles Drängens des Königs nicht. Aber seine eignen Versprechungen hielt der König treulich. Das englische Volk sah in dem Bündnis mit Preußen nie mehr als ein bloßes Geschäft; für den nachträglich ausgesprochnen Gedanken von den gemeinsamen protestantischen Interessen oder für die Blutsverwandtschaft der beiden Völker hatte der nüchterne Engländer keinen Sinn. Sobald das Bündnis mehr zu kosten schien, als es nützte, waren die Engländer keinen Augenblick darüber im unklaren, daß sie sich baldmöglichst des unbequemen Bundesgenossen entledigen müßten. Nur die gewaltige hinreißende Persönlichkeit William Pitts verschaffte dem Preußenkönig und dem Bündnis mit ihm eine gewisse Popularität, und auch Pitt mußte heiß kämpfen, um das Parlament bei dem Bündnis, das ein wesentliches Stück seiner gesamten Politik bildete, festzuhalten. Mit dem Sturze Pitts siel die preußische Allianz, das heißt, der That nach, der Form nach bestand sie weiter. Wie sie aber eingehalten wurde, das bleibt für alle Zeit eines der schmählichsten Kapitel der englischen Geschichte, die an derlei Skrupellosikeiten gerade nicht arm ist. Man hat neuerdings das Verhalten des Nachfolgers Pitts, des Carl of Bude, in ein günstigeres Licht zu rücken versucht; man hat es aus den innern eng-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/60>, abgerufen am 27.12.2024.