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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Moment könne wieder einmal ein kleines Geschlecht treffen, erfüllte sich nicht.
Allerdings, als es zur Entscheidung kam. da fanden sich wieder Polen,
elsässische Protestier, Welsen und Sozialdemokraten zusammen, um dem Reiche
etwas zu verweigern, was es zu seiner Entwicklung notwendig braucht, und
um damit zu beweisen, daß die Negierung auf dem richtigen Wege war. Daß
mit diesen grundsätzlichen Reichsfeinden, die sich allerdings zuweilen darüber
entrüsten, wenn man sie rund heraus als solche bezeichnet, auch ein Teil des
bürgerlichen Freisinns stimmte, bewies wieder einmal, wie unglaublich unreif noch
viele Glieder dieses Bürgertums sind, das sich wenigstens früher gern geberdete,
als sei es die Nation selbst; unreif, weil es immer noch in den Banden des
Doktrinarismus liegt, unreif, weil es wieder einmal nicht begriffen hat, wie
sich eine Partei Macht und Einfluß auf die Regierung sichern kann. Da ist
das Zentrum denn doch sehr viel klüger gewesen. Zwar seine süddeutschen
Mitglieder haben meist gegen die Vorlage gestimmt, teils aus süßer Gewohnheit,
teils aus Rücksicht auf ihre Wähler, die noch in binnenländischen Stumpfsinn
gegenüber den Seeinteresfen der Nation beharren, weil ja allerdings der Neckar
oder die obere Donau nicht einmal ein Torpedoboot trügt, und es der Masse
auch der gebildeten Süddeutschen leider selten einfüllt, einmal ans Meer zu
reisen und sich dort davon zu überzeugen, was Welthandel ist, von dem sie
zu Hause nichts sehen; aber der Kern der Partei ist doch eben dafür eingetreten,
wenn nicht aus Patriotismus, so doch aus Klugheit, denn sie hat sich da¬
durch den Dank der Regierung verdient, und mehr als jemals gilt es jetzt,
daß Zentrum Trumpf ist. Wir sehen darin nun keineswegs ein Glück, aber ist
es ein Unglück, daß die deutschen Katholiken für die Lebensinteressen des Reichs
Verständnis gezeigt haben? Ein Unglück ist es nur. daß das freisinnige"
protestantische Bürgertum so wenig davon gezeigt hat. Nur dies hat dem
Zentrum seine unnatürliche Machtstellung verschafft, die jedenfalls auch den
künftigen Reichstag bezeichnen und damit auch auf die Politik des Reichs
einen stärkern Einfluß ausüben wird, als es jede andre Partei vermag.

Wie dem auch sein mag: die starke Kriegsflotte, die Deutschland braucht,
und für die daher die Grenzboten nicht erst in den letzten Monaten, sondern
schon seit Jahren eingetreten sind, ohne Auftrag von oben, ist nunmehr ge¬
sichert und wird gebaut. Damit ist der Wunsch, den wir vor einiger Zelt
hier aussprachen.'es möge dem Kaiser vergönnt sein, für die Flotte und die
Weltstellung der Nation das zu werden, was sein Großvater für das Heer
und Deutschlands Einigung gewesen ist. seiner Erfüllung nahe gerückt, oder
vielmehr, er ist schon halb erfüllt, und das darf der Kaiser auch als einen
ganz persönlichen Erfolg betrachten. Denn unermüdlich, nicht abgeschreckt durch
böswillige oder unverständige Kritik, ist er seit Jahren bemüht gewchll. WZ
Verständnis und die Sympathien für die Marine, deren bester Kenner er ist,
und die ihn mit begeisterter Hingebung verehrt, in immer weitere Kreise zu


Moment könne wieder einmal ein kleines Geschlecht treffen, erfüllte sich nicht.
Allerdings, als es zur Entscheidung kam. da fanden sich wieder Polen,
elsässische Protestier, Welsen und Sozialdemokraten zusammen, um dem Reiche
etwas zu verweigern, was es zu seiner Entwicklung notwendig braucht, und
um damit zu beweisen, daß die Negierung auf dem richtigen Wege war. Daß
mit diesen grundsätzlichen Reichsfeinden, die sich allerdings zuweilen darüber
entrüsten, wenn man sie rund heraus als solche bezeichnet, auch ein Teil des
bürgerlichen Freisinns stimmte, bewies wieder einmal, wie unglaublich unreif noch
viele Glieder dieses Bürgertums sind, das sich wenigstens früher gern geberdete,
als sei es die Nation selbst; unreif, weil es immer noch in den Banden des
Doktrinarismus liegt, unreif, weil es wieder einmal nicht begriffen hat, wie
sich eine Partei Macht und Einfluß auf die Regierung sichern kann. Da ist
das Zentrum denn doch sehr viel klüger gewesen. Zwar seine süddeutschen
Mitglieder haben meist gegen die Vorlage gestimmt, teils aus süßer Gewohnheit,
teils aus Rücksicht auf ihre Wähler, die noch in binnenländischen Stumpfsinn
gegenüber den Seeinteresfen der Nation beharren, weil ja allerdings der Neckar
oder die obere Donau nicht einmal ein Torpedoboot trügt, und es der Masse
auch der gebildeten Süddeutschen leider selten einfüllt, einmal ans Meer zu
reisen und sich dort davon zu überzeugen, was Welthandel ist, von dem sie
zu Hause nichts sehen; aber der Kern der Partei ist doch eben dafür eingetreten,
wenn nicht aus Patriotismus, so doch aus Klugheit, denn sie hat sich da¬
durch den Dank der Regierung verdient, und mehr als jemals gilt es jetzt,
daß Zentrum Trumpf ist. Wir sehen darin nun keineswegs ein Glück, aber ist
es ein Unglück, daß die deutschen Katholiken für die Lebensinteressen des Reichs
Verständnis gezeigt haben? Ein Unglück ist es nur. daß das freisinnige"
protestantische Bürgertum so wenig davon gezeigt hat. Nur dies hat dem
Zentrum seine unnatürliche Machtstellung verschafft, die jedenfalls auch den
künftigen Reichstag bezeichnen und damit auch auf die Politik des Reichs
einen stärkern Einfluß ausüben wird, als es jede andre Partei vermag.

Wie dem auch sein mag: die starke Kriegsflotte, die Deutschland braucht,
und für die daher die Grenzboten nicht erst in den letzten Monaten, sondern
schon seit Jahren eingetreten sind, ohne Auftrag von oben, ist nunmehr ge¬
sichert und wird gebaut. Damit ist der Wunsch, den wir vor einiger Zelt
hier aussprachen.'es möge dem Kaiser vergönnt sein, für die Flotte und die
Weltstellung der Nation das zu werden, was sein Großvater für das Heer
und Deutschlands Einigung gewesen ist. seiner Erfüllung nahe gerückt, oder
vielmehr, er ist schon halb erfüllt, und das darf der Kaiser auch als einen
ganz persönlichen Erfolg betrachten. Denn unermüdlich, nicht abgeschreckt durch
böswillige oder unverständige Kritik, ist er seit Jahren bemüht gewchll. WZ
Verständnis und die Sympathien für die Marine, deren bester Kenner er ist,
und die ihn mit begeisterter Hingebung verehrt, in immer weitere Kreise zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/59>, abgerufen am 27.12.2024.