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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich der Große und England

lischen Verhältnissen erklären wollen; man hat bestritten, daß Bude sich von
Animosität gegen König Friedrich habe leiten lassen. Ich will dahingestellt
sein lassen, wie weit sich diese Auffassung wirklich begründen läßt. Die That¬
sache, daß Bude insgeheim mit den Franzosen verhandelte, um sie zu ver¬
anlassen, die englischen Truppen und die ihres Bundesgenossen doch endlich
gründlich zu schlage", damit der Krieg in Europa ein Ende habe, diese That¬
sache läßt sich ebenso wenig bestreikn, wie die, daß er sich hinter dem Rücken
des Bundesgenossen mit dessen eigentlichen Feinden, den Österreichern, zu
gleichem Zwecke, um den Krieg zu endigen, in Verbindung setzte. Auch daß
Bude den Versuch machte, Peter III. zur Fortsetzung des Krieges gegen Preußen
zu veranlassen, läßt sich -- was auch dagegen gesagt worden ist -- nicht
aus der Welt schassen. Das mag man damit zu entschuldigen suchen, daß
Bude dabei ganz als Engländer dachte, fühlte und handelte, aber auf ehrlich
deutsch nennt man das Verrat.

Als Verrat hat König Friedrich das Verhalten Englands beim Friedens¬
schluß immer angesehen, und es hat ihn keine Macht der Erde wieder dazu
bringen können, ein Bündnis mit England zu schließen. An Versuchen, ihn
zu einem solchen zu bewegen, hat es nicht gefehlt. Hier sei ein solcher Versuch
in den Jahren 1765/66, der bisher nicht sehr bekannt geworden ist, erzählt.
Die Art, wie Friedrich sich ihm entzog, scheint mir der allgemeinen Kennt¬
nis wert.

Nachdem in England Bude gezwungen worden war, sein Amt als Premier¬
minister niederzulegen, und er sich darauf beschränkt hatte, in seiner Eigenschast
als Günstling Georgs III. den Regisseur zu spielen und die Marionetten
tanzen zu lassen, ohne selbst die Bühne zu betreten, hatte sich doch schließlich
die Überzeugung Bahn gebrochen, daß nur ein energisches Zurückgreifen auf
die Richtung Pitts in der innern wie in der äußern Politik Heil bringen
könne. Im Sommer 1765 kam ein neues Ministerium ans Nuder, das aus
Anhängern Pitts bestand.

Die beiden neuen Staatssekretäre der auswärtigen Angelegenheiten, der
Herzog von Grafton und der General Conway -- Grafton war Staatssekretär
der nördlichen, Conway der südlichen Angelegenheiten --, ließen sich bald nach
der Neugestaltung des Ministeriums allenthalben dahin vernehmen, daß ihre
Politik auf Anknüpfung von Bündnissen mit den Möchten des Kontinents ge¬
richtet sei. Es handelte sich dabei in erster Linie um ein Bündnis mit Ru߬
land und mit Preußen, und das berührte sich nahe mit dem Lieblingsgedanken
des rassischen Ministers des Auswärtige", des Grafen nitida Pcmin, der ein
Zusammenwirken der nordischen Mächte herbeisehnte, namentlich zu entschiednen
Vorgehen in Schweden. Dort war der gemeinsame Gegner Frankreich, und
ein wesentlicher Grund, der damals England zu Rußland und Rußland zu
England hintrieb, war die gemeinsame Gegnerschaft gegen Frankreich. Der


Friedrich der Große und England

lischen Verhältnissen erklären wollen; man hat bestritten, daß Bude sich von
Animosität gegen König Friedrich habe leiten lassen. Ich will dahingestellt
sein lassen, wie weit sich diese Auffassung wirklich begründen läßt. Die That¬
sache, daß Bude insgeheim mit den Franzosen verhandelte, um sie zu ver¬
anlassen, die englischen Truppen und die ihres Bundesgenossen doch endlich
gründlich zu schlage«, damit der Krieg in Europa ein Ende habe, diese That¬
sache läßt sich ebenso wenig bestreikn, wie die, daß er sich hinter dem Rücken
des Bundesgenossen mit dessen eigentlichen Feinden, den Österreichern, zu
gleichem Zwecke, um den Krieg zu endigen, in Verbindung setzte. Auch daß
Bude den Versuch machte, Peter III. zur Fortsetzung des Krieges gegen Preußen
zu veranlassen, läßt sich — was auch dagegen gesagt worden ist — nicht
aus der Welt schassen. Das mag man damit zu entschuldigen suchen, daß
Bude dabei ganz als Engländer dachte, fühlte und handelte, aber auf ehrlich
deutsch nennt man das Verrat.

Als Verrat hat König Friedrich das Verhalten Englands beim Friedens¬
schluß immer angesehen, und es hat ihn keine Macht der Erde wieder dazu
bringen können, ein Bündnis mit England zu schließen. An Versuchen, ihn
zu einem solchen zu bewegen, hat es nicht gefehlt. Hier sei ein solcher Versuch
in den Jahren 1765/66, der bisher nicht sehr bekannt geworden ist, erzählt.
Die Art, wie Friedrich sich ihm entzog, scheint mir der allgemeinen Kennt¬
nis wert.

Nachdem in England Bude gezwungen worden war, sein Amt als Premier¬
minister niederzulegen, und er sich darauf beschränkt hatte, in seiner Eigenschast
als Günstling Georgs III. den Regisseur zu spielen und die Marionetten
tanzen zu lassen, ohne selbst die Bühne zu betreten, hatte sich doch schließlich
die Überzeugung Bahn gebrochen, daß nur ein energisches Zurückgreifen auf
die Richtung Pitts in der innern wie in der äußern Politik Heil bringen
könne. Im Sommer 1765 kam ein neues Ministerium ans Nuder, das aus
Anhängern Pitts bestand.

Die beiden neuen Staatssekretäre der auswärtigen Angelegenheiten, der
Herzog von Grafton und der General Conway — Grafton war Staatssekretär
der nördlichen, Conway der südlichen Angelegenheiten —, ließen sich bald nach
der Neugestaltung des Ministeriums allenthalben dahin vernehmen, daß ihre
Politik auf Anknüpfung von Bündnissen mit den Möchten des Kontinents ge¬
richtet sei. Es handelte sich dabei in erster Linie um ein Bündnis mit Ru߬
land und mit Preußen, und das berührte sich nahe mit dem Lieblingsgedanken
des rassischen Ministers des Auswärtige», des Grafen nitida Pcmin, der ein
Zusammenwirken der nordischen Mächte herbeisehnte, namentlich zu entschiednen
Vorgehen in Schweden. Dort war der gemeinsame Gegner Frankreich, und
ein wesentlicher Grund, der damals England zu Rußland und Rußland zu
England hintrieb, war die gemeinsame Gegnerschaft gegen Frankreich. Der


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[0061] Friedrich der Große und England lischen Verhältnissen erklären wollen; man hat bestritten, daß Bude sich von Animosität gegen König Friedrich habe leiten lassen. Ich will dahingestellt sein lassen, wie weit sich diese Auffassung wirklich begründen läßt. Die That¬ sache, daß Bude insgeheim mit den Franzosen verhandelte, um sie zu ver¬ anlassen, die englischen Truppen und die ihres Bundesgenossen doch endlich gründlich zu schlage«, damit der Krieg in Europa ein Ende habe, diese That¬ sache läßt sich ebenso wenig bestreikn, wie die, daß er sich hinter dem Rücken des Bundesgenossen mit dessen eigentlichen Feinden, den Österreichern, zu gleichem Zwecke, um den Krieg zu endigen, in Verbindung setzte. Auch daß Bude den Versuch machte, Peter III. zur Fortsetzung des Krieges gegen Preußen zu veranlassen, läßt sich — was auch dagegen gesagt worden ist — nicht aus der Welt schassen. Das mag man damit zu entschuldigen suchen, daß Bude dabei ganz als Engländer dachte, fühlte und handelte, aber auf ehrlich deutsch nennt man das Verrat. Als Verrat hat König Friedrich das Verhalten Englands beim Friedens¬ schluß immer angesehen, und es hat ihn keine Macht der Erde wieder dazu bringen können, ein Bündnis mit England zu schließen. An Versuchen, ihn zu einem solchen zu bewegen, hat es nicht gefehlt. Hier sei ein solcher Versuch in den Jahren 1765/66, der bisher nicht sehr bekannt geworden ist, erzählt. Die Art, wie Friedrich sich ihm entzog, scheint mir der allgemeinen Kennt¬ nis wert. Nachdem in England Bude gezwungen worden war, sein Amt als Premier¬ minister niederzulegen, und er sich darauf beschränkt hatte, in seiner Eigenschast als Günstling Georgs III. den Regisseur zu spielen und die Marionetten tanzen zu lassen, ohne selbst die Bühne zu betreten, hatte sich doch schließlich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß nur ein energisches Zurückgreifen auf die Richtung Pitts in der innern wie in der äußern Politik Heil bringen könne. Im Sommer 1765 kam ein neues Ministerium ans Nuder, das aus Anhängern Pitts bestand. Die beiden neuen Staatssekretäre der auswärtigen Angelegenheiten, der Herzog von Grafton und der General Conway — Grafton war Staatssekretär der nördlichen, Conway der südlichen Angelegenheiten —, ließen sich bald nach der Neugestaltung des Ministeriums allenthalben dahin vernehmen, daß ihre Politik auf Anknüpfung von Bündnissen mit den Möchten des Kontinents ge¬ richtet sei. Es handelte sich dabei in erster Linie um ein Bündnis mit Ru߬ land und mit Preußen, und das berührte sich nahe mit dem Lieblingsgedanken des rassischen Ministers des Auswärtige», des Grafen nitida Pcmin, der ein Zusammenwirken der nordischen Mächte herbeisehnte, namentlich zu entschiednen Vorgehen in Schweden. Dort war der gemeinsame Gegner Frankreich, und ein wesentlicher Grund, der damals England zu Rußland und Rußland zu England hintrieb, war die gemeinsame Gegnerschaft gegen Frankreich. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/61>, abgerufen am 27.12.2024.